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Bilbao Effekt
Bis in die 90er war Bilbao eine graue Industriestadt. Dann engagierte die Stadtverwaltung Stararchitekt Frank O. Gehry, der mit dem Guggenheim Museum eine Architektur-Ikone an den Nervión klotzte. Seither wollen das Gebäude jedes Jahr eine Million Besucher sehen und stellen vor Ort fest, dass die Gastro in der Baskischen Großstadt genauso spektakulär ist.
Pintxos, Kokotxa und ein Txakolí: Wer in der Hauptstadt des autonomen Baskenlandes essen geht, muss sich ein paar Zungenbrecher aneignen. Denn Baskisch ist so besonders wie Land und Leute. Die Sprache lässt sich als einzige in Europa keiner lateinischen Sprachfamilie zuordnen und gehört zu den ältesten des Kontinents. Sie ist so speziell, eigenwillig und schön wie die Lage der 350.000 Einwohner zählenden ehemaligen Industriestadt zwischen dem rauen Golf von Biscaya und den grün bewaldeten Berghängen des Monte Artxanda, des Castro Valnera oder des Porracolina. Es kann durchaus regnerisch sein im Norden Spaniens und es ist vor allem im Frühjahr längst nicht so heiß, wie man das als Besucher vielleicht erwarten würde.
Dafür werden die Restaurants von Bilbao aus dem immergrünen Hinterland aber mit dem besten Gemüse versorgt und können auch bei Käse, Rind- und Schweinefleisch auf heimische Top-Produzenten bauen. Der in den Bars hauchdünn aufgeschnittene Jamón Ibérico ist dafür nur ein Beispiel. Hauptdarsteller auf den Speisekarten der Stadt sind aber die reichen Fänge aus dem kühlen Atlantik, die in den Häfen von Lekeitio oder Ondarroa direkt vor der Haustür angelandet werden.
Dort sucht sich auch Chefkoch Sergio Ortiz de Zarate die besten Stücke für sein gleichnamiges Restaurant aus. Sein Werdegang ist ein Sinnbild für den Wandel, den die Stadt in den letzten 30 Jahren durchgemacht hat. „Mein Vater war ein klassischer Arbeiter, der an den Hochöfen in der Stahlerzeugung schuftete. Zum Glück hat er seine Leidenschaft fürs Kochen auf mich übertragen“, grinst er. Dem Vater hat er auch sein profundes Wissen über die heimische Fischvielfalt zu verdanken: „Als Kind habe ich ihn immer zum nahegelegenen Hafen begleitet, wir haben mit den Fischern und Seeleuten geplaudert und ich konnte so über die Jahre ein Gespür für die Qualitäten des Produkts entwickeln, das heute mein Lokal zu dem macht, was es ist.“
Das Kokotxa-Geheimnis
Die baskische Küche zeichnet generell ein großer Fokus auf Produktwissen und -qualität aus. Das beweisen etwa die Seehecht-Kokotxas in Pil-Pil-Sauce mit gerösteten Pimientos, die natürlich auch der Sternekoch in seinem Zarate auf der Karte hat. Kokotxas nennen die Basken jenes Fleischstück von eher fettreichen Fischen wie Kabeljau und Seehecht, das sich unterhalb des Kiefers befindet. Es ist sehr zart, sehr klein und jeder Fisch hat nur eines. Die Zubereitung dieses exklusiven Schnitts ist dabei nur vordergründig einfach. Denn die Kokotxas werden nur sanft in einer Pfanne mit besonders weichem nativem Olivenöl Extra gegart. Sie setzen dabei ihr gallertartiges Fett frei, das sich mit dem Olivenöl, etwas Knoblauch und einer Peperoni zur klassisch baskischen Pil-Pil-Sauce verbindet. Doch was so einfach klingt, bereitet ungeübten Köchen einiges Kopfzerbrechen: „Eigentlich ist das ein schnelles Fünf-Minuten-Gericht“, erklärt dazu Sergio Zarate: „Die exakt richtige Temperatur ist dabei extrem wichtig, damit Öl und austretendes Fett emulgieren und zu einer dichten Sauce mit einzigartigem Mundgefühl zusammenfinden. Man muss die Pfanne ständig schwenken und sie im richtigen Moment vom Herd nehmen, damit es klappt.“
Das Gericht ist damit ein Sinnbild für die baskische Kulinarik generell: Voller Fokus aufs Produkt, wenige Zutaten, dafür aber viel versteckte Raffinesse. Das zeigt auch ein anderer Zarate-Teller. Wieder kommt mit dem „Parpatana“ ein Fleischstück zum Einsatz, das hierzulande kaum jemand kennt. Es befindet sich hinter dem Kopf des roten Thunfischs direkt am Kragen und ist wunderbar marmoriert. Viele Basken ziehen es dem japanischen Otoro vom fetteren Bauch des Thuns sogar vor. Im Zarate wird es im Block mit allerlei Saucen serviert und bekommt als Partner gehobelte Schweinsfüße. Was auf den ersten Blick eine seltsame Kombi zu sein scheint, funktioniert und hat kürzlich beim renommierten spanischen Balfegó-Bewerb 2021 sogar einen Preis abgeräumt.
Der Innovationsgeist der Köche Bilbaos zeigt sich selbst bei einem ihrer Altmeister im Zortziko in der Calle Alameda Mazarredo. Dort kocht Daniel García schon seit 1989 groß auf. Ihm gehört das Lokal natürlich auch, ein wesentlicher Unterschied zu anderen Gastromärkten vor allem in Übersee, zunehmend aber auch in Europa. Bilbaos Restaurants werden häufig von Köchinnen und Köchen und deren Familien betrieben. Große Gastrogruppen sind eher die Ausnahme. Für eine eigenständige Identität abseits der weltumspannenden Trends wie Better Burger oder Poke Bowls ist das Gold wert.
Junge Wilde & Marktküche
So verweisen auch im Zortziko Garcías Kreationen immer auf ihre Verwurzelung in der Heimatküche, überraschen aber auch nach über 30 Jahren mit spannenden Wendungen. Etwa, wenn er den Nationalfisch Kabeljau als Creme in einem Champagnerkelch servieren lässt, auf der eine Nocke salzige, schwarze Eiscreme von der Tinte des Tintenfischs und gratinierter Trüffel sitzen. Löffelt der Gast bis zum Grund des Glases, stößt er als Kontrast auf ein frisch-süßliches Apfelkompott. Darauf muss man mal kommen.
So beeindruckend das Werk von García ist, ihm steht natürlich längst eine Schar jüngerer Kollegen gegenüber, die sich und die Kulinarik Bilbaos neu erfinden möchten. Etwa Daniel Lomana im Kuma, der sich der allgegenwärtigen Fisch-Thematik aus asiatischer Perspektive annimmt und spanisches Know-how mit Sushi-Ansatz kombiniert. Oder das Mina, wo Álvaro Garrido sich selbst damit herausfordert, jeden Öffnungstag ein neues Menü aus exakt 14 Gerichten für sein 25 Sitzplätze zählendes Restaurant am Eingang einer ehemaligen Erzmine zu zaubern. Darunter beispielsweise Spinnenkrabbe mit Passionsfrucht, Garnelen mit Auberginenkonfit oder Markknochenkuchen mit Pilzen. Die Idee zu diesem Konzept resultiert auch aus der Tatsache, dass der berühmte Mercado de la Ribera mit seiner riesigen Produktvielfalt direkt gegenüber liegt.
Neben dem Guggenheim ist die Revitalisierung der alten Markthalle ein weiteres Beispiel dafür, wie es Bilbao geschafft hat, sich als Kulinarik- und Kunsthochburg völlig neu zu erfinden. Der Mercado beherbergt auf seinen über 10.000 Quadratmetern fast 180 Geschäfte, die je nach Produkten, die sie anbieten, über die drei Etagen des Komplexes verteilt sind. In der unteren Etage befinden sich die Fischstände; im ersten Stock die Metzgereien und verwandte Stände; und im dritten Stock wird Obst und Gemüse von den nahegelegenen landwirtschaftlichen Betrieben Biskayas – den Caseríos – verkauft.
Pintxo-Himmel
Natürlich gibt es in dem ursprünglich 1929 erbauten Gebäude zusätzlich eine reiche Gastrovielfalt. Im La Bodeguilla hat man sich beispielsweise auf die fast schon mythischen „Gildas“ spezialisiert. Über 30 Zubereitungsarten dieses wahrscheinlich ältesten baskischen Pintxos, bei dem eine Olive, eine Anchovi und ein zerteilter Guindilla-Pfefferoni auf einen Zahnstocher gesteckt werden, kann man in dem Geschäft probieren. Übersetzt heißt Pintxo übrigens „Spieß“ und bezeichnet die baskische Variante der spanischen Tapas. In den Bars der Altstadt treffen sich die Basken nach der Arbeit oder vor dem eigentlichen Essen auf ein Glas des frischen und mit nur etwa 11 % sehr leichten jungen Weines Txakolí oder auf einen Pfiff Bier, den sie hier Zurito nennen. Dazu gibt es unweigerlich Pintxos, die ab zwei Euro aufwärts kosten und in allen möglichen Formen und Varianten daherkommen. Neben den Spießchen, deren Länge über den Preis entscheidet, werden natürlich auch hauchdünne Scheiben im Mund schmelzender Ibérico-Schinken serviert, knusprige Croquetas oder die berühmten Chorizos del infierno. Dafür werden die scharfen, kleinen spanischen Würstchen einfach in eine Cazuela gepackt, mit hochprozentigem Alkohol übergossen, angezündet und so direkt am Tresen fertig gegart. Dabei speichern die braunen Tonschälchen die Wärme und sorgen für den idealen Garprozess. Clever. Und ein echter Showeffekt.
Fine Dining Hinterland
Natürlich gibt es unzählige Pintxos-Bars in Bilbao. Eine der interessantesten ist aber das Gure Toki an der wunderschönen Plaza Nueva. Das Lokal gewann 2017 den Preis für die Best Pintxo-Bar und gehört seit über 30 Jahren der Familie Siles. Dort führt man natürlich auch die Klassiker wie Patatas Bravas oder frittierte Tintenfischringe. Aber es gibt auch innovativere Spezialitäten wie Jakobsmuscheln mit Kartoffeln und Brotkrumen oder gegrillte Foie Gras mit Apfelstückchen, die mit Pedro-Ximénez-Sherry übergossen werden.
Wenn selbst einfache Bars solche Geschütze auffahren, wie schaut es dann erst mit den Größen des Fine Dining aus? Mit Martin Berasategui betreibt etwa Spaniens höchstdekorierter Koch ein Restaurant in der Stadt. Doch da der seine kulinarische Hauptwirkungsstätte eigentlich im benachbarten San Sebastián hat, widmen wir uns zum Schluss lieber noch dem Shootingstar der baskischen Küche. Eneko Atxa hat sich in etwa 15 Autominuten Entfernung vom Stadtzentrum in Larrabetzu einen gläsernen Sternepalast auf eine Anhöhe setzen lassen, der den Blick auf Bilbao und den Golf von Biskaya freigibt. Dort frönt er dem Gedanken seines Drei-Sterne-Hauses Azurmendi als Gesamtkunstwerk. Gäste begeben sich bei ihm auf eine kulinarische Reise, die in einer großen Lobby mit Musik- und Kunstgenuss beginnt, dann in ein Gewächshaus führt, wo es verschiedene Snacks zu entdecken gilt, und schließlich mit einer Zwischenstation in der Küche im edlen Speisesaal endet. Ähnlich ausgefuchst sind auch die Teller, die die Gäste während dieser Reise serviert bekommen. Etwa ein Caipirinha-Bonbon, das anstelle von Rum mit dem baskischen Txakoli-Wein zubereitet wurde und intensiv nach fruchtig-süßer Limette und trockenem Wein schmeckt, oder den Klassiker des Hauses: Eigelb mit Trüffelinfusion. Dafür wird einem halbrohen Eigelb ein heißer Trüffelfond injiziert. Das Ganze liegt auf einem Löffel, der auf einmal verspeist werden sollte. Das Ei entfaltet so am Gaumen einen wundervollen, seidigen Schmelz, der von kraftvollem Trüffelaroma durchbrochen wird.
Es geht aber auch mit mehr Bezug zur Tradition: Bei den Kalmar-Nudeln mit marinierten Zwiebeln und Kalmar-Jus etwa. Der in Streifen geschnittene, al dente gegarte Kalmar wird mit einem stark reduzierten, dicht schmeckenden Jus übergossen; die eingelegten Zwiebelstreifen durchblenden diese Süffigkeit mit herb-süßer, schärfender Würze. Als Aroma- und Texturerweiterung dienen marinierte Fliegenfisch-Eier und eine krosse Kalmar-Praline. Saugut! Oder: Goxoa! Wie die Basken sagen würden. Die Gastro in Bilbao – ein Erlebnis. Wenn nur diese vielen „X“ beim Bestellen nicht wären.
3 Konzepte
1 – Azurmendi
Perfekte Dramaturgie
Wer im Restaurant von Eneko Axta in Larrabetzu ankommt, soll sich fühlen wie bei ihm zuhause. Der Service führt die Gäste erst im ganzen Gebäude herum, bevor sie schließlich im edlen Speisesaal Platz nehmen. Stationen dieser dramaturgisch perfekt inszenierten Reise sind etwa das Gewächshaus, wo Axta mit allerlei Pflanzen experimentiert. Dort „finden“ die Gäste in den Blumen zum Beispiel ein Fläschchen Orange-Pomelo-Hibiskus-Jus, zu der es einen mürben Kürbis-Käse-Biskuit gibt. Danach geht´s in die Küche, wo sie miterleben, mit wie viel Aufwand ihre Gerichte gekocht werden. Serviert wird direkt am Pass mit Blutwurstpraline und schwarzer Bohnensuppe ein Gericht, das auch zum Personalessen taugen würde. Eine tolle Idee, um bei Gästen die Wertschätzung für Köche und Produkte zu fördern.
2 – Nerua
Meer mit weniger
Auf dekorative Elemente verzichtet man im Nerua, dem Sternerestaurant, das sich direkt in Bilbaos futuristischem Guggenheim Museum befindet, fast völlig: Keine Bilder an den Wänden, nur ganz wenige Pflanzen, dafür viel optische Monotonie. Es scheint, als wolle Chefkoch Josean Alija möglichst wenig von dem ablenken, was auf seinen Tellern passiert. In ihnen spiegelt sich allerdings der Wille zur Reduktion ebenfalls wider. Hauptzutat plus Sauce oder Brühe, manchmal eine weitere Zutat – das muss genügen. Tut es auch! Etwa bei taufrischen, ganz kurz gegarten Garnelen, die in einer cremigen, intensiven Sauce liegen, welche aus dem Rogen der Krustentiere besteht. Oder den ausgelösten Herzmuscheln, die in einer Seehechtsauce gereicht werden. Mehr braucht es für Alija nicht, um geschmacklich zu begeistern.
3 – Mina
Kreativitätsbergwerk
Der Name des Lokals von Álvaro Garrido bezieht sich eigentlich auf die Vergangenheit seiner Räumlichkeiten als Eingang zu einer uralten Erzmine. Im übertragenen Sinn müssen er und sein Team allerdings auch permanent nach neuen kulinarischen Ideen schürfen. Denn sein vierzehngängiges Verkostungsmenü für die nur 25 Plätze wechselt jeden Tag, kein Gericht bleibt gleich. Ein Vorteil ist dabei die nahe Markthalle Mercado de la Ribera, wo er jeden Morgen auf Produktsuche geht. Etwa für die links abgebildete Seespinnensuppe mit Bauerneigelb oder Foie in Meerwasser gepökelt mit Kaisergranat und Fenchel. Ziel ist dabei immer, das Produkt möglichst schnörkellos zu präsentieren. Lediglich ein bis zwei weitere perfekt passende Zutaten werden ergänzt.
Interview
„Gegen Ende wurde das Geld knapp.“
Koch Jan Miholich aus Wien war für ein paar Wochen auf Stage im Nerua in Bilbao. FRISCH erzählt er von seinen Erlebnissen und was ihm an der Stadt besonders gut gefallen hat.
Warum bist du ausgerechnet nach Bilbao gegangen, Jan?
Ich habe davor die Wintersaison in der Schweiz gearbeitet und wollte unbedingt einmal eine Stage machen, um meinen kulinarischen Horizont zu erweitern. Im Web bin ich dann auf eine Plattform gestoßen, die Praktika in Spitzenrestaurants vermittelt. Dort habe ich hingeschrieben und es hat sich prompt eine Personalvermittlerin gemeldet, die zufällig auf spanische Top-Restaurants spezialisiert war. So bin ich schließlich im Sternelokal Nerua im Guggenheim Museum gelandet.
Konntest du denn Spanisch?
Nein, ich bin da einfach ins kalte Wasser gesprungen und hingeflogen. In der Stadt habe ich mich dann mit der Personalvermittlerin getroffen, die mir das Mitarbeiterapartment und das Restaurant gezeigt hat, und los ging’s.
Waren denn andere Kolleginnen oder Kollegen aus deutschsprachigen Ländern dort?
Nein, ich war der einzige. Ich denke, das liegt an der Sprachbarriere. Viele der Basken und Spanier, die dort leben, können kaum Englisch sprechen. Das war für mich schon hart am Anfang, weil ich mich mit Händen und Füßen verständigen musste. Aber es waren auch viele andere PraktikantInnen aus Italien, Mexiko, den USA oder Brasilien da und weil wir zu zehnt in einem Drei-Zimmer-Apartment in Stockbetten geschlafen haben, hat sich natürlich gleich ein toller Zusammenhalt und eine super Kameradschaft entwickelt. Ein bisschen wie beim Bundesheer. (Lacht)
Das klingt jetzt nach ziemlichem Drill …
Wir haben schon viel gearbeitet … Um 9:30 Uhr ging’s los, Feierabend war dann gegen 23:00 Uhr mit einer kleinen Mittagspause zwischen 14:00 und 15:00 Uhr. Und das sechs Tage die Woche! Die PraktikantInnen waren für den Betrieb des Lokals eigentlich unverzichtbar. Es gab neben unserem Chef Josean Alija nur etwa fünf fest angestellte Mitarbeiter. Die restlichen 15 waren PraktikantInnen in der Küche und im Service. Unsere einzige „Entlohnung“ bestand darin, dass wir umsonst im Mitarbeiterapartment wohnen konnten. Alle anderen Lebenshaltungskosten und den Flug mussten wir selbst bezahlen. Gegen Ende wurde bei mir deshalb auch das Geld knapp. Heute sehe ich das schon etwas kritisch. Aber dafür habe ich echt viel mitgenommen, weil wir so viel machen durften.
Also ging mehr als Mise en Place?
Absolut. Ich war nacheinander an den Stationen für Gemüse, für Fisch, für Fleisch und auch in der Patisserie eingeteilt. Wir durften sogar die Teller mit anrichten und schicken. Das war richtig geil! Eine Kollegin aus Mexiko hat mir erzählt, dass sie vorher im NOMA war. Dort durfte man als Praktikant sehr viel weniger, meinte Sie. Das war vielleicht der größte Vorteil im Nerua. Davon profitiere ich heute noch.
Konntet ihr bei diesem Arbeitspensum überhaupt einmal in der Stadt unterwegs sein?
Ja, sicher. Die Menschen in Bilbao legen unglaublich viel Wert auf gutes Essen und es ist in den Straßen immer was los – auch unter der Woche und nach Dienstschluss. Es ist eine unglaublich kommunikative Atmosphäre und die vielen Pintxos-Bars sind eigentlich immer gut besucht. Die baskische Küche ist sehr fischlastig, regional und puristisch. Ich mag das. Es ist alles auch wirklich perfekt verarbeitet und du merkst, dass die Betriebe meist inhabergeführt sind. Das hat richtig Spaß gemacht!
Ist Essen gehen in Bilbao eigentlich teuer?
Eines der Fine-Dining-Lokale konnte ich mir jedenfalls nicht leisten, obwohl ich beispielsweise gerne einmal das Azurmendi besucht hätte. Sonst hatte das in etwa unser Preisniveau. Ein kleines Bier kostet ca. drei Euro und die regulären Pintxos um die drei oder vier Euro. Aber davon bestellt man natürlich immer mehr an einem Abend, vor allem wenn man häufiger die Bars wechselt, so wie die Einheimischen das machen. Das summiert sich.
Kannst du heute von diesen Erfahrungen profitieren?
Ich würde heute nicht mehr im Fine Dining arbeiten wollen, weil mir die Arbeitszeiten zu extrem sind. Aber diese Detailversessenheit, die Genauigkeit, Disziplin und das ruhige Arbeiten: Das kann man alles auch in der normalen Gastronomie sehr gut gebrauchen. Bei mir ist das in meinem jetzigen Job für die ACI Gastronomie für Film und Fernsehen auch so. Darüber hinaus lernt man viele spannende Menschen aus allen Teilen der Welt kennen. Mit einigen habe ich heute noch Kontakt. Wenn man plant, sich eine Karriere im Fine Dining aufzubauen, ist dieses Netzwerk extrem viel wert. Viele ehemalige Kolleginnen und Kollegen arbeiten danach ja in anderen tollen Restaurants und können Bescheid geben, wenn dort Positionen frei werden.
Jan, vielen Dank für das Gespräch!
Jan Miholich
Jan Miholich ist Küchenchef beim Unternehmen ACI Gastronomie für Film und Fernsehen. Er übernimmt mit seinem Foodtruck das Catering bei Film und Fernsehproduktionen wie beispielsweise der Soko Donau. Stefan Jürgens, Brigitte Krenn und Lilian Klebow gehören deshalb zu seinen Stammgästen.