

Lokalrunde
Brauhaus Ikone
Als das Brauhaus zum Stiefel in Saarbrücken erstmals eröffnete, regierte noch König Ludwig XIV. in Versailles und Preußen war gerade Königreich geworden. Die Gastrogruppe place2b hat 2022 für eine Wiederbelebung des Traditionsgasthauses gesorgt und vollführt seither gekonnt den Spagat zwischen Historie und Moderne.
Das Brauhaus zum Stiefel ist ein Haus voller Geschichten. Einen Reichsrundfunksender hat es schon genauso beheimatet wie ein französisches Offizierscasino. Und mit einem Erotik-Kino sowie einem Theater war es zwischenzeitlich sogar Schauplatz für völlig gegensätzliche Unterhaltungsformate. Ganz verkümmert sind die gastronomischen Wurzeln des 1702 eröffneten Betriebs jedoch nie. Zu wichtig ist seit jeher seine Stellung als ältestes Gasthaus des Saarlandes.
Retter einer Gastroikone
Der Stiefel liegt im Herzen der Landeshauptstadt am geschichtsträchtigen Sankt Johanner Markt mit seinen barocken Bürgerhäusern, in die längst kleine Geschäfte, Restaurants und Cafés eingezogen sind.
Als die Gastroinstitution 2020 pandemiebedingt in Schieflage geriet, sprang die place2b-Gruppe gemeinsam mit einem Investor ein und ersteigerte das historische Gebäude von einem Nachfahren des Brauereigründers Johann Daniel Bruch. Letzterer hatte sich im 18. Jahrhundert in die Tochter eines Schusters verliebt, der neben seiner Brauerei gerade ein Gasthaus eröffnet hatte, das er aus naheliegenden Gründen „Zum Stiefel“ nannte. Der Rest ist eine lange (Liebes)-Geschichte. Ganze neun Generationen bestand die Brau- und Gasthaus-Tradition in den alten Gemäuern.
Die neuen Eigentümer wollen die alten Glanzzeiten des Stiefels nun wieder aufleben lassen. Dafür ließ eine der führenden Lifestyle-Gastrogruppen in Südwestdeutschland das Gebäude kernsanieren. Im Laufe der zweijährigen Revitalisierung wurde die ehemalige Brauerei mit der Gaststätte verbunden und die in zahlreiche unterschiedliche Bereiche unterteilten Räumlichkeiten gründlich und hochwertig aufpoliert. Dabei vielleicht der größte Verdienst: Trotz neuem Glanz behielt der Stiefel den Charme eines Traditionshauses. Auch deshalb, weil die Gastroprofis auf eine ganzheitliche Handschrift im räumlichen Konzept achteten. Viele historische Elemente des alten Brau- und Wirtshauses, wie beispielsweise der Schalander, der traditionelle Pausenraum der Brauer, blieben erhalten. Heute ist er für À-la-carte-Gäste bestuhlt, die hier sogar teilweise noch historischen Bodenbelag betreten und sich über antike Möbelstücke freuen dürfen, die behutsam restauriert und in den neuen Kontext integriert wurden. „Das älteste Gasthaus im Saarland zu sanieren, das verlangt den notwendigen Respekt. Wir reden schließlich von einem gastronomischen Aushängeschild“, betont Cornel Hahnenberg, der Geschäftsführer der place2b GmbH: „Die Gastwirtschaft ohne Verzicht auf seine Tradition in die Neuzeit zu übersetzen, war ein schmaler Grat. Wir wollten die alten Generationen nicht verschmähen und ihnen ihre geliebte saarländische Gasthaustradition und Bierkultur lassen und uns gleichzeitig für die junge Generation öffnen.“
Ein gutes Beispiel dafür ist der Selbstzapftisch. Im ehemaligen Schalander können die Gäste ihr eigenes Stiefel-Original direkt am Tisch aus dem Lagertank zapfen. Bezahlt wird nach Verbrauch. „Unser Vorhaben ist aufgegangen“, freut sich Hahnenberg: „Der Stiefel ist heute generationsübergreifend ein beliebter Treffpunkt.“ Doch nicht nur Einheimische finden sich regelmäßig ein. Das Brauhaus zum Stiefel ist auch die erste kulinarische Anlaufstelle für Touristen und Geschäftskunden. Selbst die benachbarten Lothringer überschreiten gerne die Grenze, um die saarländische Wirtshauskultur zu genießen. An Wochenendtagen schupft ein zwischen fünf und sieben Mitarbeitern starkes Küchenteam so abends zwischen 800 und 1.000 Speisen über die Theke.
„DER STIEFEL IST HEUTE GENERATIONENÜBERGREIFEND EIN BELIEBTER TREFFPUNKT.“ (CORNEL HAHNENBERG, GESCHÄFTSFÜHRER, PLACE2B, SAARBRÜCKEN)

Für den traditionellen Frühschoppen am Sonntag begeisgtern sich alle Generationen und Gästeschichten.

Der saaarländische "Gfillde", ein mit Hackfleisch gefüllter Kartoffelnödel, darf in einem Traditionshaus nicht fehlen.

Während der zwei Jahre dauernden Sanierung wurde auf jedes Detail geachtet. Das sieht und spürt man.

Was aus den Zapfhähnen in die Steinkrüge rinnt, ist speziell für den Stiefel gebraut und sehr bekömmlich.

Riesige Fenster lassen viel Licht in den Gastraum und helles Holz sorgt für heimelige Atmosphäre.
Neuer Gastro-Hotspot
Vieles an diesem Erfolg ist hausgemacht: Der Wirtshausklassiker lockt nicht nur mit modern-rustikaler Atmosphäre, sondern auch mit handwerklich Gebrautem und traditionellem Essen. „Unser selbst entwickeltes Bier für erfrischend milden und bekömmlichen Biergenuss lassen wir nach allen Regeln der Braukunst nur mit deutschem Hopfen brauen“, betont Hahnenberg. Die Hopfensorte stammt aus der Hallertau. Die Braugerste wird im Saarland, in Rheinland-Pfalz und im benachbarten Frankreich angebaut und vermälzt. Diese Zutaten finden zu einem hellen, goldgelben Bier von mildem, leicht süßem Geschmack zusammen, dem der würzige Hopfen mit seiner leicht bitteren Note gleichzeitig Struktur verleiht. „Süffig, wie ein Bier schmecken muss, und passend zu jeder Tageszeit“, lacht der place2b-Geschäftsführer. Das Bier wird – wie in alten Zeiten – per Tankfahrzeug zum Gasthaus geliefert und dort in einen 6.000-Liter-Biertank im Keller gepumpt. Von dort wird es an der Schankanlage mit Druckluft gezapft. „Ohne zusätzliches Carbonat zu zapfen, macht das Bier extrem bekömmlich“, sagt Hahnenberg und liefert gleich noch einen Beweis für die Beliebtheit der Eigenkreation: „Man kann unser frisch gezapftes Bier auch in einer Zwei-Liter-Mehrwegflasche mitnehmen. Das kommt extrem gut an.“
Neben dem Gerstensaft-Signature hat das Stiefel-Team noch viele weitere lokale Spezialitäten auf der Getränkekarte. Etwa einen Longdrink aus saarländischem Premium Gin mit Dr. Polidori Dry Tonic Water oder den Stiefel Smoky Single Malt, der von einem Schnapsbrenner ausschließlich aus saarländischer Gerste gebrannt und in saarländischer Eiche gelagert wird. Sogar Wein und Sekt lässt sich place2b exklusiv vom Familienweingut Thanisch an der Mosel keltern.
In der Küche spiegelt sich dagegen auch die Nähe zum Nachbarland Frankreich wider. Etwa in Gerichten wie der Merguez mit Tabouleh oder dem Salat Lyonnaise. Typisch saarländische Rezepte spielen aber natürlich auch hier die Hauptrolle. Beispiele sind etwa der „Saarländische Gfillde“, ein riesiger Kartoffelknödel gefüllt mit Hackfleisch, Lauch und Brotwürfeln, begleitet von Sauerkraut und Speckrahmsauce. Oder die Lewwerknepp, frische Leberknödel mit Kartoffelpüree und hausgemachtem Sauerkraut. Mit Weißwurst und Obazda folgt der Stiefel schließlich sogar noch den Spuren der bayerischen Wirtshausküche.
Die Produkte für diese variantenreiche Küche bezieht der Betrieb von regionalen Erzeugern. Das Brauhausbrot stammt beispielsweise von einem familiengeführten Handwerksbetrieb, der es mit Biertreber und heimischem Mehl herstellt. „Als saarländischer Betrieb ist es uns wichtig, lokale Unternehmer miteinzubeziehen und damit auch die Region zu stärken“, betont Hahnenberg.

Das Faasekichelche ist ein handgezogener Hefekrapfen mit Zwetschkenröster und Vanilleeis.

Elemente wie dieses alte Bodenstück stellen gekonnt den Bezug zur Stiefel-Geschichte her.
Sonntägliches Highlight
Dass dieser Fokus auf die Region und die Neuinterpretation von Althergebrachtem gut funktioniert, zeigt jeden Sonntag die Neuauflage des klassischen Frühschoppens. Denn wenn um 11 Uhr das erste Fass angestochen wird und dazu die „Stiefel Musikanten“ aufspielen, bevölkern die Räume des jahrhundertealten Wirtshauses eben nicht nur wohlbeleibte Herren mit Steinkrügen, sondern auch Familien, Hipster und manchmal sogar eine Mädelsrunde.
„MAN KANN UNSER FRISCH GEZAPFTES BIER AUCH MITNEHMEN. DAS KOMMT EXTREM GUT AN.“(CORNEL HAHNENBERG, GESCHÄFTSFÜHRER, PLACE2B, SAARBRÜCKEN)