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Curry Comeback
Lange waren indische Currys in Europa als fettige Eintöpfe mit dicker Ölschicht verschrien. Doch dann kamen Topköche wie Vineet Bhatia und zeigten der Welt die ganze Vielfalt eines Gerichts, dessen Name es in Indien gar nicht gibt. FRISCH hat sich erklären lassen, wie Köche ihre Gäste mit echt indischen Eintöpfen überraschen können.
Er sei traumatisiert vom Wort „Curry“ meint der indischstämmige Sternekoch Vineet Bhatia im FRISCH-Interview. Das liegt nicht nur an dem miesen Ruf, den die indischen Eintöpfe in Bhatias zweiter Heimat London lange hatten. Curry ist noch heute DIE am häufigsten falsch gebrauchte Bezeichnung im kulinarischen Wörterbuch. Der Begriff, den Europäer so gerne mit typischer Landesküche gleichsetzen, existiert in Indien nämlich überhaupt nicht.
Dort werden vielfältig gewürzte Eintöpfe und Ragouts schon seit etwa 5000 Jahren gekocht. Jede Region und jedes Dorf hat seine eigenen Zubereitungsarten, Gewürze und Zutaten. Erst die britischen Kolonialherren fassten im 19. Jahrhundert diesen kaum fassbaren kulinarischen Kosmos unter dem simplen Wort „Car-ree“ zusammen. Es leitet sich vom südindisch-tamilischen Wort „kari“ ab, was so viel bedeutet wie sämige Sauce oder Tunke. Als aromatisches Herzstück der indischen Stews erkannten aber selbst die britischen Eroberer schnell die vielen verschiedenen Gewürze. Sie baten deshalb Markthändler darum, ihnen eine typische Gewürzauswahl zusammenzumischen, und brachten den „Taste of India“ als Souvenir mit in ihre Heimat. So gelangte das Currypulver nach Europa und erste Curry-Häuser öffneten in London ihre Türen.
Masala-Magie
Spricht man einen Inder auf Curry an, wird er nur genervt die Augen verdrehen. Das Pendant zum rötlich-gelben Pulver heißt dort „Masala“ – eine Mischung aus vielen gerösteten und gemahlenen Gewürzen, die in jeder Region, von Rezept zu Rezept und von Familie zu Familie anders zusammengestellt werden. Indien kennt kein Curry-Universalgewürz, sondern tausend verschiedene, komplexe Kombinationen unterschiedli-cher Aromen. Sie sind die Seele der regionalen Eintöpfe und bestimmen ihren Geschmack, ihre Farbe und ihren Duft.
Die Eintopfgerichte selbst werden dagegen entweder nach ihren Hauptbestandteilen oder nach ihrer Zubereitungsweise benannt. Daher wäre es auch falsch zu sagen, es gibt DAS indische Curry. Die Eintöpfe können sowohl mit Fleisch als auch mit Fisch gekocht werden oder vegetarisch und vegan daherkommen. Sie sind mal scharf, mal mild, süßlich-leicht oder herb – ganz nach Belieben.
Erst würzen, dann kochen
Für Köche eröffnet das eine riesige Spielwiese, solange sie die typischen Zubereitungsschritte kennen und sich einer ganz entscheidenden Sache bewusst sind: Anders als in den meisten europäischen Küchen wird beim Curry erst gewürzt und dann gekocht. Zu Beginn der Zubereitung liegt das Hauptaugenmerk darauf, eine aromatische Basis herzustellen. In dieser Grundlage aus Gewürzen, Zwiebeln, Ingwer und Knoblauch werden die Zutaten nach der Zugabe von Flüssigkeiten wie Kokosmilch, Wasser, passierten Tomaten oder Paneer, einem indischen Frischkäse, meist nicht angebraten, sondern einfach gargezogen.
„Es ist dabei sehr wichtig zu wissen, bei welchem Schritt die Gewürze hinzugefügt werden“, erklärt dazu Vineet Bhatia, der mittlerweile elf authentisch indische Restaurants auf der ganzen Welt betreibt. Er rät dazu eine tiefe Pfanne oder einen Wok und keinen Topf zu verwenden. „Sie können zu Beginn eine kleine Prise Salz hineingeben, dann das Öl oder die geklärte Butter Ghee. Das verhindert das Anhaften der Zwiebeln. Zunächst geben Sie ganze Gewürze in das heiße Öl. Sie brauchen immer nur ganz wenig davon. Es darf nicht zu heiß sein, sonst werden die Flavonoide zu bitter“, meint er. Das Öl solle gerade so warm sein, dass die ganzen Gewürze ihre Aromen freisetzen. Verwenden kann man für diesen Schritt etwa Senf- oder Kreuzkümmelsaat, Kardamomkapseln, Zimtstange, Nelken oder Fenchelsamen. Danach werden Ingwer und Knoblauch fein gehackt oder als Paste dazugegeben. In hellen Saucen werden außerdem weiße Zwiebeln beigemengt, in Eintöpfen mit rotem Fleisch rote. Dabei muss vorher genau überlegt werden, ob die Zwiebeln glasig, zart rosa, leicht golden oder tief karamellisiert auf dem Teller landen sollen. Dann kommen die Tomaten und am Ende die Beilage. „In jeder dieser Phasen ergänzt man ein neues Geschmacksprofil“, schwärmt Bhatia von dem vielschichtigen Prozess, den jeder Koch ganz individuell steuern kann. Den Umgang mit den unterschiedlichen Gewürzen müsse man aber erst lernen. Einen Tipp hat er dazu noch: „Pulverisierte Gewürze und Mischungen ergänze ich immer erst gegen Ende, da sie sonst sehr schnell ihr Aroma verlieren. Nur Kurkuma muss länger gekocht werden, um seinen rohen Geschmack loszuwerden.“
Aufpassen bei Proteinen
Wer beim Kochen auf Fleisch setzt, muss außerdem bedenken, dass dabei immer Fett abgesondert wird. Das kann zu jenem dicken öligen Spiegel führen, der zum Sinnbild für die Billigcurrys in den Londoner Straßenküchen geworden ist. Denn wichtig ist bei echten indischen Eintöpfen die perfekte Konsistenz. Besonders wenn man mit Kokosmilch arbeitet, muss meist nur ganz wenig Wasser hinzugefügt werden. Auch bei Tomaten ist es ähnlich. Also lieber nach und nach etwas Wasser zugeben, bis die Konsistenz perfekt ist und nicht zu flüssig. Abschmecken am Ende schadet übrigens laut Bhatia auch nicht. Oft fehlt nur noch eine Prise Salz, um das Geschmacksprofil abzurunden.
Und was sagt Chef Bhatia zum Dauerthema Schärfe? „Klar, die meisten Europäer essen nicht gerne scharf“, schmunzelt er, „aber indisches Essen ist nicht scharf, es ist nur gut gewürzt. Es gibt so viele Gerichte, die nur einen Hauch von Würze haben, und nur wenige sind höllisch scharf. Das hat seinen Grund! Wir kochen selbst auch nicht gerne mit zu viel Chili, denn wenn Sie sich einmal die Geschmacksnerven damit verbrannt haben, schmecken Sie nichts anderes mehr.“ Deshalb setzt die indische Küche bei ihren Eintöpfen die Chilis auch auf ganz unterschiedliche Arten ein. Getrocknete rote Chilis werden etwa meist im Ganzen angeröstet und dann einfach dem Gericht beigegeben. Oder sie werden mit anderen Gewürzen in die heiße Pfanne gegeben und dann mit etwas Flüssigkeit oder anderen feuchten Zutaten wie Knoblauch zu einer Paste vermengt. So bekommt das Gericht eine schöne rote Farbe und leichte Röstaromen.
Beim Chilipulver gibt es verschiedene Schärfegrade und farbliche Ausprägungen. Wegen seiner recht milden Schärfe und seiner leuchtend roten Farbe eignet sich für heimische Gäste beispielsweise Kaschmir-Chilipulver sehr gut. Wer dagegen den ganz authentischen Schärfe-Kick sucht, verwendet frische grüne Chilis. Sie werden gehackt oder einfach nur angeritzt zum Curry gegeben. Entkernt und von den weißen Häutchen befreit, sind sie etwas milder und es kommt auch das frisch-grüne Aroma mehr zur Geltung.
Curry-Renaissance
Doch warum sollten sich Köche und Gastronomen überhaupt mit dem Geschmackskosmos echter indischer Currys auseinandersetzen? „Der Ruf von Curry ist mittlerweile weit über das typische Chicken Tikka Masala hinausgewachsen", freuen sich Simone und Adi Raihmann von Karma Food aus Wien über die Curry Renaissance weltweit. Das Paar hat sich 2014 einen gemeinsamen Traum erfüllt und zwischenzeitlich sechs indische Delis in Österreich eröffnet. Ihre Mission: Menschen mit „Karma Food“ noch glücklicher zu machen. Dabei kommen ihnen gleich mehrere gesamtgesellschaftliche Trends entgegen. Immer mehr Gäste wollen auf Fleisch verzichten, gesünder leben und generell achtsamer mit sich und der Umwelt umgehen. Die wegen des Hinduismus in großen Teilen vegetarische Küche des Subkontinents eignet sich dafür perfekt. Auch deshalb, weil die vielen Gewürze rein vegetarische oder vegane Currys geschmacklich gehörig aufpeppen. Simone und Adi Raihmann kochen in ihren Restaurants außerdem nicht nur vegan und vegetarisch. Sie beachten darüber hinaus die ayurvedischen Regeln. Das bedeutet, sie versuchen bei ihren Gerichten immer alle sechs Geschmacksrichtungen des Ayurveda einzubauen: süß (Chutney), sauer (Zitrone/Limette), salzig (Achar), scharf (Chili/Ingwer), bitter (Bockshornklee) und herb (Granatapfel). „Wovon wir auch schwer überzeugt sind, ist, dass man die Wertschätzung von guten Zutaten in den Gerichten spüren kann. Eine Portion Liebe gehört bei uns also auch dazu“, meinen sie.
Mit dieser Haltung und ihrem Angebot liegen sie derzeit voll im Trend. Gerade fleischlose, vegane oder auch laktosefreie Eintöpfe mit frischen Zutaten sind bei der gesundheitsbewussten, jungen Generation der Renner. „Wir bemerken sehr stark eine Tendenz in Richtung veganer und saisonaler Currys, die schnell und einfach zuzubereiten sind“, bestätigen Simone und Adi Raihmann. „Auch Thai-Currys erfreuen sich großer Beliebtheit. Im Sommer ist die fruchtige Zitronengrasnote besonders erfrischend. Im Winter kann man sich mit einem guten Thai-Curry aber auch etwas Urlaubsfeeling nach Hause holen“, sagen sie und ergänzen dann: „Currys sind so unglaublich vielseitig. Mit einer guten Currybasis kann man unzählige verschiedene Gerichte kochen – süßlich, cremig, nussig, spicy. Es gibt geschmacklich keine Grenzen, deshalb lieben wir es so.“ Und genau darin liegt ihr Reiz auch für andere Gastronomen.
Basics
Mit diesen sieben Grundlagen kann die Reise zum eigenen Signature Curry beginnen.
1. Aromen
Zwiebeln, Ingwer und Knoblauch sind die aromatische Basis eines Currys. Die Zwiebeln können in Scheiben geschnitten oder gehackt werden. Bei mittlerer Hitze 10 bis 20 Minuten in geklärtem Butterschmalz oder Erdnuss- bzw. Kokosöl goldbraun anbraten. Dann Ingwer und Knoblauch fein gehackt oder gemörsert einige Minuten dazugeben.
2. Schärfe
Grüne Chilis haben eine kräftigeren Geschmack als rote. Entfernen Sie für ein milderes Curry die Samen und Rippen vor dem Zerkleinern und lassen Sie sie einige Minuten mitköcheln. Wer keine Chilis mag, holt sich die Schärfe durch Zugabe von Ingwer, Zimt, Knoblauch, schwarzem Pfeffer oder Nelken.
3. Gewürze
Kreuzkümmel, Koriander, Kurkuma und getrocknete Chilis finden sich in fast allen Currys. Jeweils 2 Teelöffel Kreuzkümmel und Koriander, ein halber Teelöffel Kurkuma und ein halber Teelöffel Chilis reichen für einen ganzen Topf. Diese Grundgewürze werden nach Belieben durch weitere ergänzt. Etwa Bockshornklee, Anis, Fenchel oder indischen Lorbeer.
4. Sauce
Aromen und Gewürze müssen bei einem guten Curry in einer aromatischen Sauce zusammenfinden. Dazu Gewürze, Zwiebeln, Ingwer und Knoblauch mit Joghurt, Kokosmilch, Wasser oder Tomaten anschmoren. Tomaten frisch gewürfelt oder püriert unter Rühren zerfallen lassen. 1 bis 2 Tassen Flüssigkeit für ein Vier-Personen-Curry reichen aus.
5. Einlagen
Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte, Tofu oder Gemüse: Erlaubt ist, was gefällt. Einfach zum Curry hinzugeben, gut unterrühren und so lange mitkochen, bis alles gar ist. Doch Vorsicht! Die Gewürze sollten die Hauptzutat geschmacklich nicht ganz überdecken. Manche Gemüse wie etwa Blumenkohl sollten außerdem vorgegart werden.
6. Finish
Chutneys, Relishes oder ein Gurken-Raita runden eine Curry-Mahlzeit ab und mildern die Schärfe. In Südindien liebt man auch saure Aromen wie Zitrone/Limette, Granatapfelkerne oder Amchoor (grünes Mangopulver) als Topping. Natürlich können Sie auch gehackten Koriander, Chiliflocken oder geröstete Senfkörner auf das Curry geben.
7. Beilagen
Um das Curry zu vervollständigen, geben Sie Kohlenhydrate hinzu: Reis (z. B. mit Ghee oder Butter gekocht, plus Gewürze wie Zimtstangen, Kreuzkümmel, ganze Nelken oder Kardamomkapseln) oder indische Fladenbrote wie Naan, Chapati und Paratha.
Curry Cosmos
So groß wie das Land, so vielfältig die Curry-Küche: Kultur, Klima und regionale Produkte bedeuten Un-endlich Viele Eintopf-Varianten.
Der raue Norden
Das Himalajagebirge und die Hauptstadt Delhi beherrschen den Norden Indiens. Durch das kühle und raue Klima sind hier Currys willkommen, die ordentlich einheizen, aber selten extrem scharf sind. Gerne kocht man vor allem islamisch geprägte, deftige Mogul-Currys mit dicken Saucen. Dazu wird als Beilage eher Fladenbrot (Pooris, Chapatis und Naan) als Reis gereicht. Die bekannte Tandoor-Küche (fassförmiger Lehmofen) und auch Reis-Pilaws und geschichtete Biryani-Gerichte haben hier ihren Ursprung.
Typische Zutaten
• Lamm, Ziege, Huhn
• Flussfische
• Mandeln, Walnüsse, Pistazien oder Cashews (zum Binden für sämige Saucen)
• Milchprodukte, wie Paneer, Sahne, Butter, Ghee oder Joghurt
• Mais, Spinat, Tomaten, Blumenkohl, Kartoffeln, Kohlrüben, Hülsenfrüchte
Typische Gewürze
• Garam Masala, die „heiße Mischung“, ergänzt die vier Grundgewürze mit Kardamomsamen, Pfefferkör-nern, Fenchelsamen, Senfkörnern, Nelken und Zimt
• Amchoor (grünes Mangopulver)
• Bockshornklee
• Safran
Der tropische Süden
Durch die tropische Hitze zeichnet sich die Küche des Südens besonders durch reduzierte, leichte, frische und oft vegetarische Currys aus. Sie sind wesentlich schärfer als im Norden und setzen bewusst auf feine Aromakicks. Fast jedes Curry beinhaltet Kokosmilch oder Kokosraspeln. Reis ist die typische Beilage und neutralisiert die Schärfe. Viele Currys enthalten auch Linsen, mehr als im restlichen Indien, und sind im Allgemeinen dünner.
Typische Zutaten
• Fisch und Meeresfrüchte
• Kokosnuss als Milch
• geraspelt oder Öl
• Kochbananen, Mangos, Zitronen, Ananas, Jackfrucht, Yam, Kürbis, Bittergurken, Blattgemüse
• Hülsenfrüchte
• Cashews
• Joghurt
• Palmzucker
Typische Gewürze
• Tamarinde
• Grüne und rote Chilis
• Schwarzer Pfeffer
• Kreuzkümmel
• Curryblätter
• Kurkuma
• Koriander
• Ingwer
• Curryblätter
• Kardamom
• Zimt
• Zitronengras
• Muskatnuss
• Nelken
• Schwarze Senfkörner
• Bockshornklee
Der vielfältige Westen
Der Westen hat aufgrund seiner Bevölkerungsstruktur und seiner wechselnden Klimazonen die vielfältigste Curry-Küche Indiens. Currys sind meist kräftig und scharf gewürzt. Ihre Ursprünge sind durch die Kolonialzeit stark europäisch beeinflusst. Das quirlige Mumbai ist vor allem für sein Streetfood berühmt. Aufgrund der Wasserknappheit ist hier wenig Gemüse, dafür getrocknete Linsen (Dal-Curry) und Bohnen eine gängige Zutat. Neben Reis wird als Beilage auch Hirse verwendet. Ein echter Klassiker: Vindaloo-Curry – mit Knoblauch und Essig mariniertes Schweinefleisch, das noch aus der portugiesischen Kolonialzeit stammt.
Typische Zutaten
• Schalentiere
• Meeresfrüchte
• Fisch
• Schweinefleisch (Vindaloo)
• Banane
• Mango
• Zitrone
• Blattgemüse
• Hirse
• Hülsenfrüchte
• Erdnüsse
• Cashews
• Kokosmilch- und Öl
• Erdnussöl
• Milch
• Joghurt
• Ghee
• Palmzucker
• Essig
Typische Gewürze
• Kokosnuss als Milch
• geraspelt oder Öl
• Erdnussöl
• Palmzucker
• Asafötida
• Amchoor
• (grünes Mangopulver)
• Rote Chili
• Knoblauch
• Ingwer
• Schwarzer Pfeffer
• Kardamon
• Kreuzkümmel
• Nelken
• Tamarinde
• Minze
• Safran
• Curryblätter
• Nelken
Der kontrastreiche Osten
So kontrastreich wie die Landschaft sind auch die Currys im Osten. Die bengalische Küche ist bekannt für ihre subtil scharfen und mild gewürzten Fisch- und Meeresfrüchte-Gerichte, bevorzugt mit Reis, aber auch Brot als Beilage. Da Kalkutta seinerzeit der Sitz der Ostindienkompanie war, brachten europäische Händler fremde Nahrungsmittel und Gewürze in die Region. Viele Hindus ernähren sich vegetarisch – sehr Strenge meiden sogar Zwiebeln oder Knoblauch. Darüber hinaus ist der Norden vor allem für seine fantastischen Desserts und Süßigkeiten, wie Gulab Jamun (frittierte Milchbällchen in Zuckersirup), berühmt.
Typische Zutaten
• Süßwasserfisch und Meeresfrüchte
• Milchprodukte wie Joghurt, Paneer, Ghee
• Viel Gemüse
• Kokosnuss
Typische Gewürze
• Panch Phoran, die bitter-süße Fünf-Gewürze-Mischung, aus: Kreuzkümmel, Schwarzkümmel, Fenchelsa-men, Bockshornklee und schwarzen Senfsamen • Senföl und Senfsamen
• Asafötida
• Ingwer
• Kurkuma
• Paprika
• Fenchelsamen
• Schwarzkümmel
• Chilis
• Garam Masala
• Zuckerrohr
„Ich bin traumatisiert Vom Wort Curry.“
Vineet Bhatia hat die indische Küche in Europa revolutioniert. Der erste Indische Sternekoch spricht mit FRISCH darüber, warum Curry für ihn ein abwertender Begriff ist und warum Indische Eintöpfe vegetarische Gäste so ansprechen.
Als Sie 1993 nach London zogen, waren Sie sehr enttäuscht von der dortigen indischen Küche. Das hatte auch mit der Curry-Zubereitung zu tun ...
Tatsächlich bin ich ziemlich traumatisiert vom Wort „Curry“ – für mich ist es ein abwertender, verfälschter Begriff. In Indien gibt es kein Curry und ich werde mich wohl nie daran gewöhnen können. Bitte sagen Sie lieber Eintopf! Ich kämpfe schon immer dagegen, es in einen Topf mit billigen Pommes und Bier zu werfen, die man für fünf Pfund nach dem Fußball runterspült. In London wurde die Restaurantszene damals hauptsächlich von bangladeschischen Einwanderern betrieben. Sie nannten ihr Essen „indisch“, obwohl es das wohl kaum war. Ein fettiger Eintopf mit einer dicken Schicht rotem Öl oben drauf, alle von derselben dunkelbraunen, schrecklichen Farbe – das war etwas, was wir in Indien nie hatten. Seitdem versuche ich die Auffassung von indischem Essen zu „korrigieren“. Mit meiner Interpretation von dem was „indische Küche“ ist, kombiniert mit der Verwendung von lokalen Produkten, die Menschen kennen und lieben.
Wie hat sich die indische Küche über die Jahre weiterentwickelt?
Eine Weiterentwicklung gibt es in dem Sinne nicht. Eher eine weltweite Verbreitung der typischen Zuberei-tungsart, in Kombination mit regionalen Zutaten – wobei der Verbreitungsgrad in seiner Tiefe variiert. In London zum Beispiel kennt man indisches Essen, in all seinen Details, mehr als im Rest Europas. Als ich 2001 als erster indischer Koch mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde, war das Interesse plötzlich riesengroß und die Medien drehten regelrecht durch. Das hob indisches Essen für ein breites Publikum auf eine globale Ebene. Mittlerweile gibt es indische Restaurants mit Michelin-Sternen auf der ganzen Welt.
Warum sind indische Eintöpfe Ihrer Meinung nach weltweit so beliebt?
Keine Küche der Welt bietet ein größeres Spektrum als die indische. Ihr Geschmacksprofil ändert sich von Norden nach Süden, von Osten nach Westen. Die Zubereitungsart, Zutaten und die Aromen. Immer mehr Menschen mit gesundheitlichen Problemen wollen für sich selbst kochen und sich gesund ernähren, gerade in Corona-Zeiten. Indisches Essen passt wunderbar zu den verschiedenen Ernährungstrends unserer Zeit – Vegetarismus, Veganismus, laktosefreie Küche. Es besteht eine sehr große Nachfrage.
Warum ist das so?
Indien ist das Land der Hindus, die glauben, dass die Seele eines Menschen auch in einem Tier wiedergeboren werden kann. Deshalb war das Land vor den Invasoren hauptsächlich vegetarisch. Es bietet eine riesige Auswahl an vegetarischem Essen als Teil seines traditionellen kulinarischen Repertoires. Indisches Essen passt also perfekt zum heutigen Trend der ausschließlich pflanzlichen, veganen oder milchfreien Ernährung.
Was macht ein gutes Curry für Sie aus?
Zunächst einmal ist es eine Herzensangelegenheit. Es ist ein Essen, das einfach zuzubereiten ist, aber Sie müssen den gesamten Prozess genießen. So werden Ihre Gefühle, Ihre Leidenschaft und Ihre Liebe in das Essen übertragen. Wenn Sie nicht wirklich an das glauben, was Sie tun, dann wird man das schmecken. Und denken Sie immer daran: Ein guter indischer Eintopf schmeckt am nächsten Tag noch viel besser. Wir kochen also eher einen Tag vorher.
Und was sind die Hauptzutaten?
Das ist wieder ein Mythos, den ich gerne brechen würde! Ja, es gibt bestimmte gemeinsame Zutaten, aber man kann nicht sagen, dass es solche gibt, die in allen unseren Gerichten verwendet werden. Das ist genau das, was immer wieder falsch gemacht wird. Aufgrund dieser einheitlichen Gewürzmischungen sahen 1993 alle Eintöpfe gleich aus. Ich würde gerne sagen, dass die häufigsten Zutaten Tomaten, Zwiebeln, Ingwer und Knoblauch sind. Aber tatsächlich gibt es einen großen Teil der indischen Gemeinschaft, der keine Zwiebeln isst. Der Schlüssel ist, dass es gewisse Unterschiede in den Rezepten gibt, und deshalb sieht jedes anders aus.
Und welche Aromen sind essenziell?
Die kurze Antwort lautet: Ihr Eintopf steht und fällt damit, wie Sie die Gewürze einsetzen und vor allem welche. Sie müssen sie in den richtigen Stadien hinzufügen. Es darf kein Ungleichgewicht der Aromen entstehen, kein schlechter Nachgeschmack. Im Wesentlichen sollten die Aromen gut miteinander harmonieren und nicht zu harsch sein. Aber ich sage immer, es geht nicht um mich, sondern darum, für wen ich koche. In unseren elf Restaurants auf der ganzen Welt gibt es unterschiedliche Gewürzstufen, weil sie auf das jeweilige Publikum ausgerichtet sind. Dubai ist tendenziell robuster als Genf, Russland hatte sehr wenig Salz.
Wie entwickeln Sie ein neues Gericht?
Reisen in andere Länder, Kollegen, das Verständnis ihrer Geschmacksprofile, neuen, lokalen Zutaten den indischen Touch verleihen – so finde ich meine Inspiration. Das heißt, neue Zutaten in Kombination mit indischen Kochtechniken und Gewürzen in traditionelle Rezepte zu übersetzen. Am Ende ergeben sich innovative Geschmacksprofile. Aber manchmal sehe ich auch nur einen Teller in einem Katalog und weiß genau, welches neue Gericht darauf passen würde!“
Zur Person
Chef Vineet Bhatia wurde 1967 in Bombay geboren und begann dort 1988 im renommierten Oberoi Hotel seine Kochlehre. 1993 wanderte er nach London aus, wo er im Star of India in South Kensington arbeitete. Am Ende seines ersten Jahres hatte er die Speisekarte komplett überarbeitet und kämpft seitdem für das Verständnis einer authentischeren, revolutionierten und gehobeneren indischen Küche. 1999 eröffnete er sein erstes Restaurant und besitzt mittlerweile elf auf der ganzen Welt. 2001 wurde er mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet – als erster indischer Küchenchef. Er schrieb einige Kochbücher und spielt unter anderem auch in der Netflix-Show „The Final Table“ mit