Thema

Dauerbrenner

Besonders seit dem Siegeszug der Keramik-Grills spielen immer mehr Menschen selbst bei großer Kälte mit dem Feuer. Doch lässt sich Wintergrillen auch im gastronomischen Rahmen sinnvoll bewerkstelligen? Und wie reagieren die Gäste auf die rauchende Outdoor-Kulinarik? Ein Plädoyer für mehr Mut zu Grill-Events im Schnee.

Sobald auf Winterzeit umgestellt ist, verschwindet Grillen hierzulande von der Bildfläche. Keine großformatigen Werbeflächen mit Kugelgrills und Würsteln mehr, keine Kochsendungen zum Thema und auch der Grillhandel scheint in den Winterschlaf-Modus zu schalten. Eine Entwicklung, die Tom Heinzle schon länger stört. Der Grillexperte, Fernsehkoch und mehrfach ausgezeichnete Kochbuchautor hat bereits sein zweites Werk zum Wintergrillen veröffentlicht. „Ich persönlich finde die kalte Jahreszeit generell viel spannender. Prasselndes Feuer und wärmende Glut kommen dann wesentlich besser zur Geltung. Außerdem haben im Winter viele Lebensmittel Saison, die perfekt zum Raucharoma passen, das beim Grillen entsteht. Lamm, Wild und rote Rüben zum Beispiel. Dazu noch die typischen Wintergewürze wie Piment oder Anis – eine absolut stimmige Kombination“, schwärmt der Vorarlberger.

Arbeitsabläufe neu denken

In seinem aktuellen Kochbuch präsentiert Heinzle deshalb Gerichte wie „Pulled Pork Winterstyle“. Dafür wird Tierwohl-Schweineschopf mit einer Mischung aus BBQ-Gewürz, Orangenabrieb, Piment, einer geriebenen Tonkabohne und Grillpfeffer eingerieben, in Frischhaltefolie gewickelt und über Nacht im Kühlschrank verstaut. Am nächsten Tag wandert dieses Fleischpackerl für vier Stunden bei 80 Grad ins Big Green Egg und wird mit zwei Handvoll Apfelspänen geräuchert. Schließlich auf Butcher Paper gelegt, mit Apfelsaft angegossen und bei 100 Grad indirekter Hitze für weitere fünf Stunden gegart. Zerfällt das Fleisch dann fast von selbst, wird es mit zwei Gabeln in seine Fasern zerlegt und auf Tortilla-Wraps verteilt, die eingerollt und am Rost oder einer Plancha-Grillplatte rundum bei hoher direkter Hitze gegrillt werden. Dazu gibt’s Asia Coleslaw und schwarze BBQ-Sauce. 

Klingt nach viel Aufwand! Wären solche Rezeptideen in der Gastronomie überhaupt umsetzbar? „Absolut!“, meint Heinzle: „Man muss sich nur vom klassischen Denken in der Küche verabschieden und anders planen“, sagt er. Denn schließlich könne man während der langen Garzeiten im oben beschriebenen Beispiel auch andere Arbeiten erledigen und nur das kurze, scharfe Anbraten der Wraps direkt vor dem Gast im Freien inszenieren. Außerdem erfülle das zarte Rauch- und Fleischaroma werbewirksam den ganzen Tag die Luft vorm eigenen Betrieb. „Ich grille für die Aldiana-Gruppe im Winter öfter für 300 bis 400 Leute“, berichtet der Grillmeister: „Dafür brauche ich in der Regel nur zwei XL-Big Green Eggs und eines in Large. Für die Gäste ist das jedes Mal das Highlight ihrer Ferienwoche, von dem sie noch lange schwärmen.“ 

Kältekiller Keramikgrills

Kamadogrills aus Keramik wie das Big Green Egg seien generell am besten fürs Grillen in strenger Kälte geeignet, meint Heinzle: „Sie sind am vielseitigsten einsetzbar und halten dank wärmespeichernder Keramik auch bei Minusgraden die Temperatur. Mit drei oder vier Kilo Kohle lässt sich damit bei niedrigen Gartemperaturen fast 30 Stunden arbeiten“, bestätigt er die Herstellerangaben. Zusätzlich kommt bei ihm eine Ofyr-Feuerplatte zum Einsatz, die mit Holzscheiten befeuert wird und auf deren breitem Stahlrand er Fingerfood und Fischfilets direkt vor den Gästen zubereitet. Außerdem ein Dutch Oven für Saucen, Eintöpfe sowie zum Warmhalten und ein sogenannter „Braii“. Letzteres ist eine südafrikanische Erfindung, bei der in einer mittig angebrachten Feuerbox ein Hartholzfeuer brennt. Dadurch entstehen permanent glühende Kohlen, die mit dem Schürhaken nach rechts und links zu einem Kohlebett geschichtet werden können. „Ich nehme dann zum Beispiel Metallsiebe, bei denen ich die Griffe entfernt habe, und grabe sie in die Glut ein. Darin lassen sich Kaviar oder Pilze kurz angrillen und bekommen so ganz dezente Röstaromen. Oder ich lege Austern hinein, die so in ihrem eigenen Saft gar werden.“ 

Beim winterlichen Arbeiten mit Holz und Kohle sei die Umgebungskälte also kein Problem, meint Heinzle. Sehr wohl aber beim Anrichten und Servieren auf Tellern. Deswegen greift er zum Warmhalten auf einen Holdomaten zurück, den er unter einem seiner Beistelltische verstaut. Ein anderer guter Ratschlag: Unter Fisch und Fleisch sollte sich immer sehr warmes geschmortes Gemüse oder Püree befinden, damit Hauptspeisen in der kalten Winterluft warm beim Gast ankommen. 

Für Gäste ist solches Wintergrillen ein großes Erlebnis. Für Köche aber auch ein Spiel mit dem Feuer. Denn die Arbeit ohne exakte Temperaturregelung will gelernt sein und braucht Erfahrung. Wäre Grillen mit Gas deshalb nicht der bessere Weg? Für Heinzle selbst eher nicht. Er meint, dass Gasgriller für große Kälte meist nicht gut genug isoliert seien. Außerdem würden die Gasleitungen vor allem in den Bergen häufig einfrieren. 

„GÄSTE LIEBEN ES, WENN SICH IN DER KALTEN WINTERLUFT FLEISCH- MIT RAUCHAROMEN MISCHEN.“ (PATRICK BAYER, GRILLMEISTER & FLEICHSOMMELIER, GRILL&CO, WIEN)

Volle Kontrolle mit Gas

Einer seiner Kollegen sieht das nicht ganz so eng. Patrick Bayer ist Grillweltmeister, diplomierter Fleisch-Sommelier und hält bei Grill&Co, einem großen Weber Store in Wien, regelmäßig Grill-Workshops ab. Für ihn ist die gute Isolierung nur bei sogenannten Long Jobs wichtig, bei denen das Fleisch bei niedriger Temperatur über mehrere Stunden gar wird. In allen anderen Fällen tun es auch „normale“ Griller. Gas habe dabei durchaus seine Vorteile, meint er: „Wir haben zum Beispiel Gasgriller mit 67 cm Durchmesser im Angebot. Die sind für die Gastro groß genug und die Temperatur ist wesentlich leichter zu regeln. Selbst ungeübtes Personal bekommt das hin. Wer dazu eine Feuerschale oder einen Feuertisch mit knackenden Holzscheiten kombiniert, schafft das gleiche Grill-Erlebnis für Gäste wie mit einem Holzkohlegrill“, ist er sich sicher. 

Aber auch Bayer ist ein Fan von Feuertisch und Plancha, wenn es ums winterliche Event-Grillen in der Gastronomie geht. Die Plancha lasse sich ähnlich verwenden wie ein Gastrobräter in der normalen Küche. Dabei eigne sich die dicke Gusseisen-Platte vor allem beim Empfang der Gäste nach dem Skifahren oder beim Aperitif vor dem gesetzten Abendessen im Haus. Punsch und Maroni könnten beispielsweise direkt am Feuer angeboten werden. Außerdem machen Bayer und sein Team bei größeren Veranstaltungen im Freien gerne sogenannte „Corn Bites“. Dafür vermischt er Pancake-Teig mit Frühlingszwiebeln, Paprikawürfeln, Mais und Cheddarkäse und kleckst diese Masse auf die Plancha. Zu den herrlich krossen Pancakes, die so entstehen, gibt es dann noch eine säuerliche Dip-Sauce. Und wer mag, kann zusätzlich mit Räucherlachs und Kaviar kombinieren. Damit werden in der Grundversion auch Vegetarier abgeholt und es kurbelt schon vor dem eigentlichen Abendessen den Getränkeumsatz an. 

„MAN MUSS SICH VOM KLASSISCHEN DENKEN IN DER KÜCHE VERABSCHIEDEN UND ANDERS PLANEN.“ (TOM HEINZLE, GRILLPROFI UND AUTOR, TOM´S GRILLWERKSTATT, MÄDER)

Heimische Cuts erste Wahl

Für dessen Hauptgang betreibt Bayer außerdem gerne nebenher einen typischen US-Smoker, in dem zum Beispiel der BBQ-Klassiker Beef Brisket ewig vor sich hingart. „Die Gäste lieben es, wenn sie zuschauen können, wie ihr Hauptgang langsam fertig wird und sich in der kalten Winterluft Fleisch- mit Raucharomen mischen“, schwärmt er. Außerdem werde ihnen dadurch noch klarer, dass frisch zubereitet und auf beste Qualität geachtet wird. „Wintergrillen ist darüber hinaus viel kommunikativer. Die Gäste kommen schnell mit den Köchen ins Gespräch und holen sich Tipps, weil es mittlerweile sehr viele Menschen gibt, die auch selbst grillen“, erzählt der Profi. 

Dabei kann zum Beispiel das Thema Fleischqualität transportiert werden. Die sei nämlich generell am wichtigsten, meint Bayer. „Das Fleisch muss mindestens drei bis vier Wochen abgehangen sein“, unterstreicht er einen der für ihn wichtigsten Punkte. Und wie sieht es mit der Herkunft aus? „Wir verwenden bei unseren Kursen fast ausschließlich österreichisches Fleisch. Nur bei Verkostungen gibt es auch Cuts aus anderen Ländern. Bei diesen Direktvergleichen kommt immer wieder heraus, wie toll österreichisches Fleisch bei den Kunden ankommt. Qualitativ liegt es auch im internationalen Vergleich ganz weit vorne!“ Vielleicht ein weiterer Grund, dem winterlichen Outdoor-Grillen mal eine Chance zu geben. Denn Gäste lieben die Show im Schnee.

Interview

„Bei uns steckt Wintergrillen noch in den Kinderschuhen.“

Tom Heinzle war einer der ersten Köche im deutschsprachigen Raum, der seiner Faszination fürs Grillen in der kalten Jahreszeit ein Buch gewidmet hat. FRISCH erzählt er, warum er glaubt, dass es vor allem für Gastro und Hotellerie noch Riesenpotenzial birgt.

Seit Ihrem ersten Buch zum Thema gelten Sie als Pionier beim Wintergrillen. Wie kam es dazu?

Mir war langweilig! (lacht) Ich habe schon immer gern im Winter gegrillt und dann 2011 angefangen, Rezepte und Bilder zu sammeln und an Verlage zu schicken. Der Heel-Verlag fand das Konzept gut und wir haben ein Buch gemacht, das in Deutschland wie eine Bombe eingeschlagen ist, weil das Thema damals komplett neu war. 

Das ist jetzt schon ein paar Jahre her. Meinen Sie, dass Wintergrillen auch für die Gastro Potenzial hätte?

Absolut! Das wird aktuell noch immer unterschätzt. Wenn man das mit den skandinavischen Ländern vergleicht, steckt das Thema bei uns immer noch in den Kinderschuhen. Dabei bietet es gerade für die Gastronomie noch viele Möglichkeiten. Ich merke das immer, wenn ich in den Skigebieten Grill-Events für die Hotellerie mache. Durch den Grill-Boom beschäftigen sich die Gäste ja meist selbst damit und wollen auch im Winter nicht mehr aufs Grillen verzichten. Dazu kommt das spezielle Ambiente in den Bergen. Die Kulisse, die Musik, der Glühwein: Besonders die deutschen Gäste sind da meist hin und weg. Mit solchen Events schafft man ein kulinarisches Highlight während der Urlaubswoche, von dem die Gäste Freunden und Bekannten noch lange erzählen. 

Warum machen es dann vergleichsweise wenige Gastronomen? 

Einerseits, weil die Grillhersteller sehr saisonal denken und das Thema bei uns im Winter aus der Werbung verschwindet. Andererseits, weil viele Köche zu viel Respekt vor dem Arbeiten mit Holzkohle und Feuer haben. Dabei müsste man nur ein wenig anders vorbereiten und planen. So könnte man sogar Küche und Service entlasten. Nur À la Carte geht natürlich nicht.

Hätten Sie ein Beispiel?

Einen langsam am Grill gegarten Tafelspitz mit Bratkartoffeln zum Beispiel. Das ist ein typisch österreichischer Klassiker mit viel Geschichte, den jeder Gast kennt. Am Grill kann man ihm einen völlig neuen Spin geben und so die Gäste überraschen. Ich reibe ihn dafür mit Grillgewürzen ein und lasse ihn über Nacht im Kühlschrank ziehen. Danach wird er bei 140 Grad indirekter Hitze ca. eine Stunde im Big Green Egg auf 58 Grad hochgezogen. Danach 
10 Minuten an einem warmen Ort ruhen gelassen und auf direkter Hitze drei Minuten auf der Fleischseite und zwei Minuten auf der Fettschicht scharf angebraten. Das war´s schon! Außerdem kann man dieses Gericht auch für viele Gäste zubereiten.

Sie grillen solche Gerichte am liebsten mit dem Big Green Egg. Warum?

Weil es am vielseitigsten einsetzbar ist und die Hitze dank seiner Wärme speichernden Keramik im Winter am besten hält. Ich kann damit Pizza machen, Brot backen oder Steaks zubereiten. Außerdem habe ich eine ausreichend große Grillfläche und kann mit zwei oder drei Grills für bis zu 400 Leuten grillen. Ich mag aber natürlich auch offenes Feuer und Feuertische.

Was raten Sie Gastronomen, die Wintergrillen ausprobieren möchten? 

Am besten mit Fingerfood anfangen. Wir umwickeln als kleinen Snack bei unseren Events beispielsweise rechteckige Pannetone-Würfel mit Bauchspeck und braten sie dann von jeder Seite auf der Plancha scharf an. Das geht schnell, es kann jeder und es verbindet weihnachtliche Aromen mit dem salzig-herzhaften Speckgeschmack. Gäste lieben das. 

Herr Heinzle, vielen Dank für das Gespräch!

Tom Heinzle

Der Vorarlberger ist eigentlich Maschinenbau-Ingenieur. Mit 20 hat ihn aber das Kochfieber gepackt und er bildet sich seither stetig weiter. Augenöffnend war für ihn ein Grillseminar beim Schweizer Sternekoch Martin Real und der zweite Platz bei der Grill-WM im deutschen Gronau 2010. Seitdem gibt er Grillseminare, schreibt Bücher zum Thema und ist gefragter Food-Stylist sowie regelmäßig im Fernsehen zu sehen.

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