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Destination: Welt

Ein unbezahltes Praktikum in einem internationalen Sternebetrieb war lange Zeit die Eintrittskarte in die Welt des Fine Dining. Doch in den letzten Jahren hat sich in diesem Bereich viel geändert. FRISCH sieht sich an, wie junge KöchInnen heute noch Praktika in den besten Restaurants der Welt ergattern können.

Schon wieder die Standardmail: Wer dem legendären Noma in Kopenhagen eine Praktikumsanfrage schickt, wird mit den immer gleichen Stehsätzen abgespeist. „Danke, wir sind schon voll. Vielleicht nächstes Jahr, melde Dich später wieder.“ Lange war eine sogenannte „Stage“ für ambitionierte KöchInnen eine Art Initiationsritus auf dem Weg in die besten Küchen der Welt. Der „Stagiaire“ besetzt die unterste Position in der rigiden französischen Küchenhierarchie. Meist unbezahlt mussten sich Nachwuchstalente als Praktikanten quälen lassen, um sich Stück für Stück in die penibel getakteten Arbeitsabläufe zu integrieren, Wissen aufzusaugen und sich den Respekt der anderen Köche zu verdienen. Erst danach hatten sie die Chance auf Anstellung oder ein Empfehlungsschreiben, das noch heute zur wertvollen Eintrittskarte in den exklusiven Club des internationalen Fine Dining werden kann.

Doch die Zeiten der unbezahlten Praktika, der unmenschlichen Arbeitszeiten und fehlenden Versicherungen gehen zu Ende. Die Mail des Noma enthält etwa auch einen Link zu den Praktikumsvisa des dänischen Staates. Einfach so ein Bewerbungsschreiben losschicken, sich frei nehmen, das Gesparte für Unterkunft und Verpflegung auf den Kopf hauen, um einmal mit den Besten arbeiten zu dürfen, ist heute fast unmöglich. Auch für die Gastro so interessante Länder wie Frankreich und die USA haben mittlerweile Arbeitnehmergesetze, die den lange üblichen direkten Weg zu einem Praktikum in der Sternegastro unmöglich machen.

Mit 17 nach London

Dass es anders sogar besser geht, zeigt das Beispiel von Raphael Brandl. Er hat die „Meisterklasse Kulinarik“ der Tourismusschule Bad Hofgastein besucht und eines seiner beiden dreimonatigen Pflichtpraktika in Wolfgang Pucks CUT at 45 Park Lane in London absolviert. „Bei der Bewerbung hat mich Peter Pichler vom Hotel Turracher Höhe unterstützt. Er kannte die Kärntnerin Lisa Wieland, damals CUT Küchenchefin“, erzählt er. Auch dank dieser Österreich-Connection konnte er sich gegen mehr als 200 Bewerberinnen und Bewerber durchsetzen und mit damals 17 in einem von Londons schillerndsten Edelrestaurants als Praktikant beginnen. „Die drei Monate dort waren eine Wahnsinnserfahrung“, ist er noch heute begeistert: „Wir hatten Promi-Dinner mit 120 Personen, bei denen zum Beispiel Beyoncé zu Gast war oder der Chef von Calvin Klein.“

Und wie war die Arbeit im Maschinenraum Backstage? „Natürlich darfst du nicht beleidigt sein, wenn es einmal Kritik gibt“, meint der Salzburger. „Aber dafür ist der Zusammenhalt in der Küche wirklich einzigartig. Ich habe damals mit Menschen aus Brasilien, Frankreich, Italien, Thailand und Australien zusammengearbeitet. Mit vielen davon halte ich noch heute Kontakt.“ Mit seiner positiven Grundeinstellung schafft es Brandl in kurzer Zeit, seinen Platz im Team zu finden. Nach drei Tagen Seminar und drei Tagen Einführung in der Küche dauert es nur wenige Wochen, bis er selbstständig mitarbeiten kann. Am Ende ist er als Praktikant an der Station für Snacks und Vorspeisen für das Schicken der Teller mitverantwortlich. „Einmal hat uns der Wrestling-Star John Cena sogar eine Flasche Champagner spendiert, weil ihm unsere Teller so geschmeckt haben“, erinnert sich der junge Gastroprofi an eine Geschichte, die er noch länger erzählen wird.

Meisterklasse Kulinarik

Begeisterung für den Beruf Koch neu zu entfachen, dem haben sich auch die Tourismusschulen Salzburg in Bad Hofgastein mit der „Meisterklasse Kulinarik“ verschrieben. Eine wesentliche Säule ist dabei die Zusammenarbeit mit der Spitzengastronomie im Rahmen von Workshops und Praktika: „Wir haben vor etwa sechs Jahren mit Jeunes Restaurateures Österreich (JRE) und ihrem damaligen Präsidenten Andreas Döllerer begonnen, die Meisterklasse zu entwickeln“, blickt Schulleiterin HR Mag. Dr. Maria Wiesinger auf die Anfänge zurück. „Dank dieser Zusammenarbeit können wir unsere Schüler für zwei je dreimonatige Praktika auch in alle Betriebe des JRE-Netzwerks vermitteln. Außerdem kommen die österreichischen JRE-Köche montags zu uns, um den Schülern in Workshops ihr Wissen und ihre Begeisterung weiterzugeben.“ Dazu zählen neben Andreas Döllerer zum Beispiel so bekannte Köche wie Vitus Winkler vom Gourmetrestaurant Kräuterreich oder Thomas Dorfer vom Landhaus Bacher.

„Diese Workshops sind selbst für mich immer wieder inspirierend“, meint dazu Kulinarik-Ausbilder Gerald Redl. „Thomas Hofer hat beispielsweise einen Hecht in nur vier Minuten zerlegt und entgrätet. Das habe selbst ich noch nie gesehen. Und Philip Rachinger vom Mühltalhof brachte den Schülern bei, wie man Fisch in einem einfachen Topf direkt am Tisch räuchern kann.“

In die Welt mit Erasmus+

Ähnlich groß geschrieben wird der Praxisbezug auch an der Baletour im oberösterreichischen Bad Leonfelden. 24 bis 32 Wochen in Vollzeit müssen die Schülerinnen und Schüler als Praktikanten vor ihrem Eintritt in die Abschlussklasse gearbeitet haben. „Nach der 2. Klasse bieten wir auch die Möglichkeit, über das von der EU geförderte Projekt „Erasmus+“ ins Ausland zu gehen. Trotz Corona haben dieses Angebot letztes Jahr 32 unserer SchülerInnen genutzt“, erklärt dazu Baletour-Fachvorstand Walter Oberreiter. Der Vorteil bei diesem Modell: Die PraktikantInnen sind während der Zeit im Ausland voll steuer- und sozialversicherungspflichtig angemeldet und werden nach dem aktuell gültigen Kollektivvertrag der Gastronomie entlohnt. Auch Reisekosten, Unterbringung und Sprachkurse werden gefördert.

Christian Schmitz ist einer derjenigen, die sich einen Platz in einer Topküche sichern konnten. Er durfte im Oaxen Krog von Magnus Ek mitarbeiten, einem der Erfinder der New Nordic Cuisine in Stockholm. Dabei hat er viel nach Hause mitnehmen können – vor allem in Bezug auf wertschätzende Küchenführung. „Das Restaurant ist Schwedens Vorreiter bei diesem Thema. Ich habe selten einen Betrieb gesehen, der so engagiert ist, sich und seine Arbeitsweise nachhaltiger zu gestalten, und es dabei schafft, solch ein angenehmes, herzliches und humorvolles Arbeitsklima zu schaffen. Und das an der Spitze der schwedischen Topgastronomie!“, staunt er immer noch. Auch andere aus der Baletour können bei künftigen Bewerbungsgesprächen beiläufig große Namen fallen lassen. Nadine Hammer und Helene Kepplinger waren etwa bei Sergio Hermann im Zweisterner Pure C in Cadzand Bad in den Niederlanden und eine Gruppe von fünf Baletour-SchülerInnen im Gourmetrestaurant von Jörg Müller auf Sylt.

Praktika für Lehrlinge

Beeindruckend. Aber sind Praktika bei renommierten KöchInnen im Ausland wirklich nur noch über eine Tourismus- oder Kochschule möglich? Schauen normale Lehrlinge oder junge Köche durch die Finger? Keinesfalls, meint Mag. Susanne Klimmer. Sie ist die Geschäftsführerin des Vereins für internationalen Fachkräfteaustausch (IFA), der seit 1995 in Österreich dafür sorgt, dass Lehrlinge berufliche Erfahrungen im Ausland sammeln können. Denn über die IFA werden die Erasmus+-Förderungen abgewickelt. Der Verein ist eine Art One-Stop-Shop, der für die Lehrbetriebe den Papierkram bei Versicherungen und Fördergebern sowie die Reiseorganisation erledigt. Mittlerweile hat man außerdem ein großes Netzwerk in ganz Europa aufgebaut. „Betriebe, die Lehrlinge ausbilden und ihnen internationale Erfahrungen ermöglichen möchten, können mit uns Kontakt aufnehmen. Häufig geht die Initiative aber auch von den Lehrlingen selbst aus“, erzählt sie und erklärt dann noch, dass BewerberInnen die Förderung prinzipiell bis ein Jahr nach Abschluss der Lehrprüfung in Anspruch nehmen können. Auch schon etwas ältere Jungköche können sich also durch Erasmus+ etwa die Reise- sowie Unterkunftskosten und die Versicherung fördern lassen. Auch zu den obligatorischen Sprachkursen gibt es einen Zuschuss. Zeitlich ist zwischen zwei Wochen und einem Jahr alles möglich. Die Regelzeit eines Praktikums sind jedoch vier bis acht Wochen. Im Herbst geht es beispielsweise nach Valencia, Sevilla, Lissabon, Belfast oder Seinäjoki in Finnland.

Doch andere Branchen würden dieses interessante Angebot momentan viel häufiger nutzen als die Gastronomie, merkt Klimmer an: „Im Bereich Büro/Administration oder Industrie ist die Nachfrage definitiv größer. Dabei ist die Gastro für uns immer sehr gut vermittelbar“, sagt sie.

Alois Seyrling vom Hotel Klosterbräu & Spa in Seefeld/Tirol gehört zu denen, die das Potenzial internationaler Erfahrung für seinen Betrieb längst erkannt haben. Er schickte seit 2016 schon zehn seiner Lehrlinge über Erasmus+ ins Ausland. Die Ängste mancher KollegInnen, MitarbeiterInnen zu verlieren oder durch ein Praktikum noch mehr Schwierigkeiten bei den Dienstplänen zu haben, versteht er zwar, aber diese Hürde im Kopf müsse das Management überwinden: „Sie kommen ja wieder zurück! Und sie kommen motiviert zurück und bringen neue Ideen sowie positiven Input mit. Dabei wachsen sie sowohl menschlich als auch beruflich. Darin sehe ich den größten Vorteil.“ Und die Dienstpläne? „So ein Praktikum ist weit im Voraus planbar und der Aufwand bleibt überschaubar. Da machen mir kurzfristige Ausfälle oder Krankenstände größere Probleme“, ist er sicher.

Bock aufs Ausprobieren

Bleibt der Faktor Geld. Denn die Lehrlingsentschädigung wird während eines Erasmus+-Praktikums vom Betrieb weiterbezahlt. Sie kann aber per Antrag leicht bei der zuständigen Wirtschaftskammer rückerstattet werden, wenn die Lehrlinge wieder da sind. Finanziell ist ein Auslandspraktikum also auch kein Schaden für Arbeitgeber.

Dass sich in der Wahrnehmung von Praktikanten vor dem Hintergrund von Fachkräftemangel und der Diskussion über toxische Arbeitsverhältnisse in Gastroküchen etwas geändert hat, zeigt auch das Beispiel Nobelhart & Schmutzig in Berlin. Das deutsche Sternelokal der Stunde setzt auf radikale Regionalität, neue kulinarische Zugänge und wertschätzenden Umgang mit Produkt und Mensch. Trotzdem überrascht es, wenn das Telefon klingelt und Küchenchef Micha Schäfer persönlich sich die Zeit nimmt, zu erklären, wie das mit den Praktika in seiner Küche so läuft: „Die Ausbildung ist für uns erstmal uninteressant. Aber natürlich ist Erfahrung in der Küche ein Vorteil. Wichtiger ist, dass unser Praktikant gut mit Menschen funktioniert. Die Köche haben im Nobelhart & Schmutzig viel Gastkontakt und erklären die Gerichte. Da musst du Bock drauf haben“, stückeln sich die Silben etwas schnoddrig durch die Leitung. Auch mit Stress und Kritik müsse man in einer Küche auf Topniveau zurechtkommen: „Natürlich menschelt es bei uns und eine gute Portion Resilienz musst du mitbringen. Vor allem zu Beginn prasseln viele Infos auf einen ein. Selbst mit zehn Jahren Berufserfahrung muss man sich hier noch einiges anhören. Das gehört dazu.“

Dass es dabei nie ungerecht wird, zeigt, dass Praktika im Nobelhart und Schmutzig seit einem halben Jahr bezahlt werden. Ganz ohne staatliche Förderung. „Ich stelle meine Praktikanten als Commis ein, weil ich finde, dass auch Menschen, die kein Geld für ein unbezahltes Praktikum haben, bei uns grundsätzlich die Chance bekommen sollten, eines zu machen.“ Vielleicht ist das auch ein Anreiz, sie sinnvoll einzusetzen. In der Friedrichsstraße in Kreuzberg ziehen sie gemeinsam mit zwei Köchen einen Posten hoch und servieren die Gerichte auch. Ist dieses System ein Weg, neue Talente fürs Nobelhart & Schmutzig Team zu rekrutieren? „Wir haben zwar schon einen Praktikanten eingestellt“, meint Schäfer, „aber das kommt doch eher selten vor, weil die Mitarbeiter-Rotation bei uns sehr gering ist.“ Warum das Ganze dann? „Wir haben schon ein gewisses Sendungsbewusstsein. Es geht für die Praktikanten darum, ihren Horizont zu erweitern, und ich freue mich, wenn sie nach der Erfahrung bei uns nicht im Fine Dining arbeiten, sondern in der Systemgastro, in der Kantine oder in der Großverpflegung. Denn dort gibt es das größte Entwicklungspotenzial. Sowohl kulinarisch also auch in der Art, wie mit Produkten und Prozessen umgegangen wird.“ Klingt so sympathisch wie spannend. Hat Schäfer noch einen Tipp fürs Bewerbungsschreiben? „Ach, einfach mal machen!“, rät er zum Schluss. Die Chancen, dass er sich meldet, stehen bei ihm jedenfalls besser als beim Noma. So viel steht fest.

Adieu Fernweh!

Drei Wege zu internationalen Praktika

Auf direktem Weg

Noch immer kann man sich bei Toprestaurants auch direkt um ein Praktikum bewerben.

 

Nobelhart & Schmutzig

Im brutal lokalen Berliner Vorzeigebetrieb wird alle paar Monate nur ein einziger Praktikumsplatz vergeben. Für das Anschreiben sollte man sich also etwas Spezielles überlegen. Dafür wird das Praktikum hier auch bezahlt. Das war in der Sternegastronomie bisher nicht immer üblich.

Bewerben kann man sich unter:
dubist@nobelhartundschmutzig.com

 

Noma

Im Noma gibt es wegen des großen Andrangs sogar eine eigene Verantwortliche für die Vergabe von Praktikumsplätzen. Sie werden bezahlt und dauern entweder sechs oder zwölf Monate. Man muss dafür zwischen 18 und 34 Jahren alt und schon in einer Kochausbildung sein, sie kürzlich abgeschlossen oder sonstige Erfahrung in der Küche gemacht haben.

Bewerben kann man sich bei Risa Kamio unter:
intern@noma.dk

 

Culinary Agents

Wer nach einem Praktikum im englischsprachigen Raum sucht, ist bei der größten Jobplattform für diese Weltregion richtig. Auf dem Portal von culinaryagents.com kann man beispielsweise Sternelokale in New York oder London filtern und sich dann ansehen, ob derzeit Bedarf an Praktikanten oder Commis besteht. Dann einfach die Lokale direkt kontaktieren, die fast immer eine Mailadresse für Bewerbungen angeben.

www.culinaryagents.com

Über Schulen

Österreichs Tourismusschulen wissen, wie wichtig Praxiserfahrung ist. hier zwei, die auch internationale Praktika Vermitteln.

 

Meisterklasse Kulinarik

Die Meisterklasse Kulinarik ist ein relativ neuer Lehrgang der Tourismusschule Bad Hofgastein. Praktika kann man einerseits bei den Sterneköchen des österreichischen JRE-Netzwerks absolvieren, andererseits hilft die Schule auch bei Ausflügen in die internationale Topgastronomie.

www.ts-badhofgastein.at

 

Baletour

Die Tourismusschulen im oberösterreichischen Bad Leonfelden ermöglichen ihren Schülerinnen und Schülern über Förderungen der EU im Rahmen von Erasmus+ nach der zweiten Klasse Praktika in Topbetrieben in ganz Europa. Vor der Abschlussprüfung müssen 24 bzw. 32 Wochen Pflichtpraktikum nachgewiesen werden. 

www.baletour.at

Über Förderagenturen

Mit der Hilfe einer Agentur können auch Lehrbetriebe von Erasmus+-Förderungen Profitieren.

 

Internationaler Fachkräfteaustausch (IFA)

Der Verein IFA übernimmt für Lehrbetriebe in Österreich die komplette Abwicklung von Praktika in ganz Europa. Der Papierkram minimiert sich dadurch und man profitiert vom internationalen IFA-Netzwerk. Die weiterzuzahlende Lehrlingsentschädigung kann über die Wirtschaftskammer zurückgefordert werden.

www.ifa.or.at

Interview

„Gratis Arbeiten gibt´s nicht mehr.“

Die Topköchin Lisa Wieland hat mit nur 31 Jahren Stationen in Dubai, London und L A hinter sich. Mit FRISCH unterhält sie sich darüber, wie Praktika die Lust auf eine Kochkarriere wecken können.

Wie hat Ihre eigene internationale Reise begonnen, Frau Wieland?

Mit 17 auf Malta. Ich habe damals während meiner Lehre ein Auslandspraktikum über Erasmus+ gemacht. Wir haben fünf Tage in einem Hotel gearbeitet und zwei Tage war Schule. Vor allem der Sprachunterricht hat mir später sehr geholfen.

Danach ging´s dann nach London. Wie haben Sie den Job bekommen?

Das habe ich auch Josef Dorner vom Hotel Hochschober zu verdanken. Ich war damals 19 als ich im ZUMA Knightsbridge begonnen habe.

Und? Wie war´s?

Anfangs schon hart. Ich habe zum Beispiel lang Schnittlauch geschnitten. Da kam einer der anderen Köche vorbei und meinte, mein Messer sei nicht scharf genug. Er nahm den ganzen Schnittlauch und leerte ihn in die Hühner-Boullion.

Gehört sowas einfach dazu?

In der Topgastronomie muss man ehrgeizig sein. Heute weiß ich, dass mein Messer tatsächlich nicht scharf genug war. Man darf sich in dieser Liga nicht mit Mittelmaß zufriedengeben. Man muss sein Tun ständig selbst hinterfragen. Das lernt man als Praktikant oder Commis durch solche Erlebnisse. Natürlich ist das anfangs ein wenig frustrierend. Aber wenn man dranbleibt, erlebt man, wie toll dieser Job ist.

Inwiefern?

Der enorme Druck während eines Services und der Stolz auf das Erreichte schweißen die Menschen extrem zusammen. Man lernt so viele Leute kennen und hat bald schon ein Netzwerk, das sich über die ganze Welt erstreckt. Ich war nach dieser ersten Erfahrung in London noch in Spanien, im Burj el Arab in Dubai, im Spago in L A und dann über fünf Jahre als Küchenchefin im Cut at 45 Park Lane von Wolfgang Puck. Indische Freunde aus dieser Zeit haben mir ihre Heimat gezeigt, ich konnte im Urlaub die Wohnung einer Bekannten in Hongkong nutzen und eine Freundin aus Korea hat mich zu ihrer Hochzeit eingeladen. Dieser Zusammenhalt ist einer der ganz großen Vorteile unseres Berufs.  

Sie haben als Küchenchefin selbst mit Praktikanten gearbeitet. Haben Sie Tipps?

Man sollte nicht zu jung sein und mindestens drei Monate bleiben, sonst profitiert man nicht viel. Es dauert ca. einen Monat, bis ein Praktikant alle Abläufe kennt und einsetzbar ist. Da müssen beide Seiten durch. Wer danach Talent und Durchhaltevermögen beweist, wird immer verantwortungsvollere Aufgaben bekommen.

Oft erzählen Praktikanten aber, dass sie nur Kartoffeln schälen durften …

Auch davon können sie profitieren. Aber natürlich ist das nicht unbedingt Sinn der Sache. Mein Souschef im Cut hat zum Beispiel bei einer Stage acht Stunden am Tag nur Kräuter, Beeren und Wurzeln gesammelt. Deswegen finde ich das System, ein längeres Praktikum quasi in Empfehlungsschreiben zu bezahlen, generell fragwürdig.

Sind die Tage unbezahlter Praktika vorbei?

Bei mir waren die Praktikanten immer als Commis angestellt. Mir wäre das sonst zu heikel gewesen. Da hat sich in den letzten Jahren sehr viel gewandelt. Gratis arbeiten gibt´s eigentlich nicht mehr. Dafür ist auch die Situation am Arbeitsmarkt zu angespannt. 

Macht es für die Betriebe deshalb auch Sinn, Praktikanten zu beschäftigen?

Ich finde schon. Praktikanten und Lehrlinge sind die Küchenchefs von morgen. Wir haben als Branche im Umgang mit jungen Menschen sehr viel verschlafen. Ich denke, gerade die Erfahrungen bei einem Auslandspraktikum helfen dabei, dass wieder mehr Jugendliche erkennen, wie schön der Beruf sein kann. 

 

Lisa Wieland

Lisa Wielands Weg führte sie von Kärnten aus in den Burj Al Arab und zur Oscarverleihung nach L A, wo sie an der Seite von Wolfgang Puck kochte. Für ihn war sie danach auch Küchenchefin in London. Heute arbeitet sie als Kochbuchautorin und in der Projektentwicklung.

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