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Dimension Duft

Beim Kochen ist´s wie mit der Liebe: bei beiden spielen Duftmoleküle eine entscheidende Rolle. Schon vor dem ersten Bissen urteilt unsere Nase, weckt Erinnerungen und Emotionen. entscheidet schließlich, ob man sich riechen kann oder nicht. Wie Köche mit Düften Ihre Gäste umwerben, hat sich FRISCH von Experten erklären lassen.

Der wichtigste Faktor in der Sensorik ist das Riechen! Wenn Sie nichts riechen, dann schmecken Sie auch nichts!“, erklärt Professor Thomas Vilgis vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz. Wie das zusammenhängt? Geruchs- und Geschmackssinn sind sozusagen miteinander verbandelt und ergeben nur zusammen das, was wir beim Essen als Gesamteindruck erfahren. Die beiden Sinne unterscheiden sich in der Wahrnehmung der Aromen: Während unsere Zunge nur die fünf Grundgeschmäcker erkennt, ist unsere Nase in der Lage, bis zu 10.000 verschiedene Duftnoten zu differenzieren. „Die Anzahl der wirklich wichtigen Aromen liegt dabei aber etwa bei 300. Mit diesen ‚Generalisten‘ kann man fast alle Lebensmittel duftmäßig rekonstruieren. Sie sind wie ein Alphabet, mit dem Sie, in den unterschiedlichsten Kombinationen, ganze Bücher schreiben oder Teller füllen können“, erklärt der Experte für Molekulargastronomie und Kochbuchautor. 

Unser Riechsystem funktioniert dabei über zwei Wege: Über den orthonasalen gelangen Duftmoleküle direkt über die Nase zur Riechschleimhaut, dem olfaktorischen Zentrum. Hier werden sie sozusagen erst einmal registriert und bewertet. Wird das Essen anschließend gekaut, setzen sich beim Beißen und Lufteinsaugen zusätzliche Moleküle frei. „Diese sind nicht wasserlöslich, verflüchtigen sich auf der Zunge und steigen über den Nasen-Rachenraum zum Riechkolben. Das nennt man dann retronasales Riechen! Es ist maßgeblich für unseren Genuss, weil es die Aromen erst mit den fünf Grundgeschmäckern verbindet“, so Vilgis. Auch physikalische Eigenschaften wie Mundfülle, Temperatur und Textur der Lebensmittel spielen dabei eine wichtige Rolle. Das, was wir als „Geschmack“ bezeichnen, ist also eigentlich eine Kombination unterschiedlicher Sinneseindrücke. Man könnte auch sagen: Kulinarischer Genuss entsteht nicht im Mund, sondern im Kopf.

Wie sehr der Geruch unsere Wahrnehmung beim Essen beeinflusst, beschreibt auch Harold McGee in seinem aktuellen Buch „Duftreich“. Der Wegbereiter der Molekularküche nennt die Welt der Düfte den „Osmokosmos“ („osme“ altgriechisch für „Geruch“), und beschreibt sie als die Brücke zwischen der Außenwelt und der inneren Erfahrung von Essen, die wir ein- und ausatmen. Gerüche können Gefühle und Gedanken nicht nur intensivieren, sondern auch auslösen. Oft schmecken wir dabei auch Aromen oder riechen Gerüche, die uns an etwas völlig anderes erinnern: Plötzlich schmeckt Parmesan wie Ananas, Wein nach Leder oder grüner Tee nach Meeresstrand. McGee nennt diesen Effekt „Geschmackswiderhall“. Er entsteht, wenn Lebensmittel oder Dinge gleiche Molekülstrukturen aufweisen, und lässt sich in der Küche gezielt einsetzen, um den Gast in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Zusatzdimension Duft

Wie man sich Düfte zu Nutzen machen kann, weiß auch Spitzenkoch Juan Amador vom Restaurant Amador in Wien: „Essen und Kochen haben per se natürlich viel mit Sehen, Schmecken und Riechen zu tun. Wir setzen Düfte ganz bewusst ein, um unsere Gäste im wahrsten Sinne des Wortes mit allen Sinnen am Essen teilhaben zu lassen.“ Der Drei-Sterne-Koch servierte kürzlich bei seinem „Menü der Sinne“ zu Petersfisch mit Muscheln, Tomaten und Sauce Bourride sogar einen auf das Gericht abgestimmten Duft aus frischen Tomatenblättern. Dabei wurde das Parfum mit einem Handzerstäuber vor dem Gang versprüht, um auf seine Gäste appetitanregend und belebend zu wirken. Amador entwickelte diesen und weitere Düfte in Zusammenarbeit mit der Wiener Duftmarketing-Firma DOMI sense eigens für dieses Event. Es enthält Kopf- und Herznoten von Mandarine, schwarzer Johannisbeere, Koriander und Minze und Basisnoten aus Feige und Galbanum. „Am faszinierendsten dabei ist, dass der Geschmackssinn und der Duftsinn nicht in Konkurrenz stehen, sondern sich optimal ergänzen. Düfte sind hierbei für mich als natürlicher Geschmacksverstärker zu verstehen“, erklärt Amador begeistert. „Gerade der Duft und das Riechen ist beim Essen ja oft der kurzlebigste unter den Sinnen. Mit dem gezielten Einsatz können wir diesen Sinn damit bis zum Ende ansprechen und das Essen so um eine zusätzliche Dimension wahrnehmbar machen“, erzählt der Koch weiter.

 

Start mit Aromagruppen 

„Um mit Düften zu arbeiten, sollte man sich schon mit Molekülgruppen auskennen und sich ein paar wissenschaftliche Basics aneignen – das kann man nicht aus dem hohlen Bauch machen!“, betont Professor Vilgis. Zu viel Theorie? Es geht auch erst einmal einfacher! Am Anfang hilft es, Düfte in bestimmte Gruppen einteilen zu können: „Dazu habe ich das Schema der zehn Aromagruppen entwickelt, die sich einerseits durch ähnliche Strukturen auszeichnen, andererseits durch klar abgrenzbare olfaktorische Eigenschaften“, so der Wissenschaftler. „Man muss wissen, wie diese zehn Schubladen aussehen, und trainieren, wie man Lebensmittel und Gewürze darin ablegt – das ist über Riechtraining erlernbar. Wenn das sitzt, kann man die Schubladen beliebig aufmachen und unendlich viel kombinieren. Ich erlebe dabei täglich tolle Überraschungen“, erklärt er begeistert. 

Vilgis nennt diese Methode „wissenschaftliches“ oder „systematisches Duftwürzen“, das im Gegensatz zum herkömmlichen, kulturellen, rein analytischer Natur ist. Um hierbei die richtigen Kombinationen zu finden, bieten heutzutage auch Datenbanken wie foodpairing.com oder die „Chef Watson“-App von IBM Hilfestellung an. Jedoch bleibt die eigene Kreativität dabei oft auf der Strecke und nicht selten überzeugt das Ergebnis auf dem Teller nur in der Theorie. Dazu Juan Amador: „Über die Jahre haben wir daher unsere eigene ‚Datenbank‘ generiert, die sowohl im Kopf als auch in einer Cloud abgelegt ist, sodass unser Team jederzeit darauf zugreifen kann. Ich persönlich ‚speichere‘ Düfte und Geschmäcker ganz automatisch ab. Ich kann noch heute Geruchserinnerungen von vor vielen Jahren wieder hervorholen und habe das Erlebte damit wieder sehr lebhaft vor Augen.“

„Der wichtigste Faktor ist das Riechen: Wenn Sie nichts riechen, dann schmecken sie auch nichts.“(Thomas Vilgis, Autor & Wissenschaftler Max-Plank-Institut, Mainz)

Aromensprays erzeugen

Viele Düfte sind nicht von Anfang an in Gewürzen und Lebensmitteln enthalten. Sie entstehen erst durch natürliche Prozesse wie Reifung oder Rösten und Räuchern. Natürlich gibt es auch zahlreiche Techniken, um Düfte zu erzeugen und sie ans Gericht zu bringen: Air, Lack, Regen oder Enfleurage, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Die Schwierigkeit liegt dabei jedoch immer in der Flüchtigkeit der Aromen: Während Röst- und Rauchnoten lange zu riechen sind, verflüchtigen sich schwefelige, blumige oder balsamisch-holzige Aromen sehr leicht, wenn sie nicht in Wasser, Fett oder Alkohol gelöst sind. Eine Möglichkeit, um auch diese Düfte einzufangen und zu nutzen, ist die Herstellung von Hydrolysaten, ein Nebenprodukt der Wasserdampfdestillation, oder auch Aromensprays. 

Sternekoch Andreas Mayer vom Mayer’s Restaurant in Schloss Prielau in Zell am See hat sich auf diese Duftparfums spezialisiert. Sein wichtigstes Werkzeug ist dabei der Rotationsverdampfer, mit dem er Extrakte und Aromen aus pflanzlichen, organischen und tierischen Bestandteilen gewinnt. Über Jahre hat er Düfte zu Parfums entwickelt und so lange mit verschiedenen Techniken experimentiert, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war.  Mittlerweile bewahrt er 140 aufwendig produzierte und hocharomatische Essenzen in seinem Duft-Schatzkeller auf. Darunter finden sich Sellerie-, Rote-Beete-, Waldpilz- und Petersil-, aber genauso auch Krustentier-, Gänseleber- und Schweinebauch-Düfte. Diese lässt er vor den Gängen, ähnlich wie Amador, auf einen Papierstreifen sprühen und dem Gast zur Einstimmung unter die Nase halten: „Meine Parfums sind sozusagen der passende Wegweiser zum Gericht und erzeugen eine Duftatmosphäre. Bei einer Variation vom Zitronengras zum Beispiel lasse ich meine Gäste vorher auch an Zitronengras riechen. Sie überlegen dann erst einmal, beschäftigen sich mit dem Geruch, sind nicht abgelenkt vom Geschmack, heiß, kalt oder der Textur des Produkts. So stellt sich das Gehirn schon vor dem Essen viel besser darauf ein und ist sensibilisiert auf das, was kommt. Das wiederum ergibt dann den wesentlich intensiveren Geschmack beim Essen.“ 

Auch Juan Amador arbeitet in seiner Küche unter anderem mit der Rotationsverdampfer-Technik, verwendet die Essenz aber direkt im Gericht: „Wir destillieren zum Beispiel Kaffeebohnen mit dem Verdampfer, indem wir den Druck in der Atmosphäre ändern, sodass das Wasser bereits bei 58 Grad kocht. Wir verwenden das Destillat dann in der Sauce zur Rotbarbe mit Passionsfrucht und Spinat. Auf diese Weise bekommen wir den puren Geschmack und Duft der Bohnen ohne die Bitterstoffe ins Gericht.“

 

Tinder der Düfte

Gerüche lassen sich laut Professor Vilgis wissenschaftlich nach zwei Methoden miteinander kombinieren: Über das sogenannte Aroma-Pairing werden Düfte aus der gleichen Aromagruppe zusammengeführt, um im Gericht Harmonie zu erzeugen. Der Effekt: Durch den gemeinsamen Nenner der Molekülstrukturen intensiviert sich das Geschmackserlebnis, das Essen schmeckt ausgewogen und riecht harmonisch. 

Beim Aroma-Completing dagegen werden Aromen aus einer völlig anderen Gruppe so im Gericht kombiniert, dass sie sich wie bei Amador's Rotbarbe und der Kaffeebohne optimal ergänzen: „Sie füllen beim Partner sozusagen die jeweilige ‚Duftlücke‘. Das sorgt für das gewisse i-Tüpfelchen im Essen und den gekonnt und zurückhaltend gesetzten Gegensatz. Die Fusion der Aromen verleiht dann mehr Tiefe oder verpasst dem Gericht einen unerwarteten Twist“, erklärt Professor Vilgis.

„Am faszinierendsten ist, dass Geruchs- und Geschmackssinn sich optimal ergänzen.“(Juan Amador, Drei-Sterne-Koch Restaurant amador, Wien)

Geschmack untermalen

Neben all dem sind die Details entscheidend: „Bevor man nur annähernd an den Duft denkt, müssen die fünf Geschmacksrichtungen zum jeweiligen Gericht passen! Wenn das schräg ist, können Sie mit Duftwürzen nicht mehr viel erreichen. Wenn der Geschmack aber stimmt, sind Sie mit den Aromen viel freier. Dann können Sie auch mal ein Blauschimmel-Parfum über ein Dessert legen“, meint Professor Vilgis.

Und was sagt der Profikoch? „Wie bei allen Dingen kommt es auf die richtige Dosierung und Intensität an, man will den Gast ja nicht überfordern. Zu viel von allem kann ein Gericht negativ beeinträchtigen. Aber auch wie lange ein Duft wahrnehmbar sein darf, ist sehr wichtig“, erklärt Juan Amador. Eine entscheidende Rolle hierbei spielt die richtige Anrichtetechnik. Der geschmackliche und aromatische Verlauf einer Speise hängen unter anderem davon ab, wie einzelne Komponenten angerichtet sind und die Düfte wahrgenommen werden. Wie und in welcher Reihenfolge die Komponenten gegessen werden, sind bei einem Avantgardeteller zum Beispiel dynamisch und ergeben jeweils ein anderes Zusammenspiel. Hierbei geht man am besten vom rechtshändigen Gast aus, der sehr wahrscheinlich von der rechten Tellerseite zu essen anfängt. Dort platziert man für den Beginn die leichteren Aromagruppen und die am schwächsten gewürzten Komponenten und steigert sich dann im Aroma. Auf diese Weise lassen sich der aromatische Essweg und damit das Gesamterlebnis steuern.


Genuss vor dem Genuss

Gezielt gesteuert, in Verbindung mit Texturen, Aromenfreisetzung, Duft- und Geschmackskombinationen, kann die Technik des Duftwürzens nicht nur den kulinarischen Horizont erweitern. Die nasale Wahrnehmung der Düfte alleine ist bereits einer der Genüsse vor dem Genuss! Gastronomische Events, zum Beispiel rund um ausgewählte Düfte, oder auch ganze Aromen-Menüs bieten dem Gast etwas Außergewöhnliches und die Möglichkeit, mit allen Sinnen zu genießen. Wer sich nicht scheut, sich mit der Wissenschaft der Aromagruppen und deren richtiger Paarung auseinanderzusetzen, der kann herausragende Kombinationen kreieren. Da ist sich Professor Vilgis sicher: „Über das Duftwürzen können Sie beim Kochen eine ganz neue Ebene erreichen. Damit ist man vielen anderen voraus, die das kulturelle Würzen nach wie vor in den Vordergrund stellen.“ 

 

Interview

„Meine Duftparfums aktivieren im Gehirn Empfindungen.“

Andreas Mayer experimentiert in seiner Küche auf Schloss Prielau in Zell am See schon seit einigen Jahren mit Duftparfums. FRISCh hat er erklärt, wie er dabei vorgeht.

 

Wie kamen Sie dazu, aus Düften Parfums zu entwickeln?

Als ich als Kind sonntags nach dem Fußballspielen nach Hause gekommen bin, habe ich schon an der Tür den Duft vom Schweinebraten in der Nase gehabt. Diese Dufterinnerungen und dieses Gefühl wollte ich für mich einfangen und auch an meine Gäste weitergeben. Meine ursprüngliche Idee war also eigentlich, ein ganzes Essen als Duft zu entwickeln. So kam es zum ersten Parfum, in das ich versucht habe, den Schweinebraten, die Sauce, Knödel und alle Zutaten einzuarbeiten. Das ist ganz gut gelungen, aber die Gäste waren mit der Geruchsvielfalt schlicht überfordert. Dann bin ich einen Schritt zurückgegangen und verwende seither nur noch die Basis der einzelnen Produkte.

Was bewirken Sie mit Ihren Parfums?

Ich versuche den Gast auf das Produkt oder das Gericht vorzubereiten. Dabei geht es mir darum, einzelne Aromen, die im Gericht enthalten sind herauszukitzeln und zu unterstreichen. Meine Duftparfums aktivieren im Gehirn Erinnerungen und Empfindungen, stellen die Gäste auf das ein, was kommt. Das lässt sie dann die Geschmacksaromen viel intensiver wahrnehmen und genießen.
Ich möchte die Gäste nur positiv beeinflussen, niemals negativ! Und ich möchte sie vor allem nicht überfordern. Düfte können extreme Emotionen und Erinnerungen auslösen – da muss man mit Bedacht rangehen.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Wenn ich eine Variation vom Steinpilz mache, dann nehme ich den Pilz als Parfum und lasse meine Gäste vor dem Gang schon daran riechen. Die Variationen serviere ich dann auf einem Moosboden und Trockeneis-Nebel, der dazu auch noch mystisch aussieht. Durch die Zugabe von Wasser entsteht ein aromatischer Waldduft. Ich kreiere sozusagen eine Atmosphäre, die den Gast in den Wald entführt, und erweitere durch den erdigen Duftkosmos das Gesamterlebnis. Dabei geht es aber immer nur um den Steinpilz als Grundprodukt, der unbedingt im Vordergrund stehen soll.

Warum spielt gerade der Duft von Gemüse für Sie eine so große Rolle?

„Gemüse und Aroma“ finde ich besonders faszinierend, weil es die Türen in eine neue, vielen unbekannte Genusswelt öffnet. Frisch von der Rispe geerntet riechen Tomaten zum Beispiel weitaus intensiver als gekocht, dabei geht vieles einfach verloren. Meine größte Intention war immer, diesen ursprünglichen Duft und diese Frische einzufangen, zu bewahren und ihn meinen Gästen näherzubringen.

Woher beziehen Sie die Produkte für Ihre Parfums und wie viele haben Sie bereits entwickelt?

Pflanzliche und organische Produkte, wie frische Kräuter und Moos, nehme ich aus dem eigenen Garten. Die Steinpilze kommen aus den Wäldern rund um Zell am See. Auch alle anderen Produkte beziehe ich hauptsächlich aus der Region. Ich verwende aber auch immer wieder tierische Produkte, wie zum Beispiel Hummerschalen, Schweinebauch oder Lamm, aber natürlich niemals roh.
Mittlerweile habe ich etwa 140 Düfte in meinem Duftkeller und es werden ständig mehr. Wir experimentieren dabei auch mit ausgefallenen Dingen wie Ketchup, Gummibärchen oder Schokolade

Wie kann man sich den Herstellungsprozess vorstellen?

Die Fertigung ist sehr kostenintensiv und zeitaufwendig und dauert zwischen 6 und 12 Wochen. Je mehr ätherische Öle das Grundprodukt besitzt und je reifer es ist, desto schneller lässt sich ein Parfum daraus produzieren, wie Paprika zum Beispiel. Butter dagegen geht gar nicht.
Angefangen habe ich mit einer kleinen Destille, aber das war relativ schwierig und das Produkt am Ende unsauber. Mit dem Rotationsverdampfer geht es jetzt wesentlich einfacher und das Parfum hat eine klare Farbe.
Ich lege das Ausgangsprodukt in 96-prozentigen Alkohol ein, darin bleibt es dann so lange wie nötig. Danach siebe ich es so aus, dass nur noch die Flüssigkeit übrigbleibt. Diese destilliere ich dann im Glasbehälter des Rotationsverdampfers, der Alkohol löst sich und steigt in den Zylinder auf. Durch die Abkühlung wird er wieder flüssig und tropft als Grundprodukt in einen kleineren Behälter. Da die gewonnene Flüssigkeit noch zu intensiv ist, löse ich sie in Wasser auf, bis sie einen Alkoholgehalt von 20 Prozent hat und fülle sie in einen Parfumzerstäuber ab.

Verwenden Sie neben den Parfums auch andere Techniken, um Düfte ins Gericht zu bringen?

Die Parfums sind nur ein Teil unserer Arbeit. Wir bieten zum Beispiel ein Eierschwammerl-Ragout mit gebackenem Ei und Tannennadel-Duft an. Hierzu verwenden wir die Räucherpistole, in der wir die Nadeln verbrennen und den Rauch dann mit einer Cloche ans Gericht bringen. Das ist viel intensiver als ein Tannennadel-Parfum. Wir arbeiten auch mit Überzügen, zum Beispiel aus einer Grütze, die so weit reduziert wird, bis sie eine lackähnliche Konsistenz bekommt. Damit überziehen wir Fisch, der neben seinem Eigengeschmack zusätzlich die hochkonzentrierten Aromen der Grütze erhält.

Welchen Duft mögen Sie persönlich am liebsten?

Den Duft aus einer Bouillabaisse mit Safran, Kartoffeln und Fisch, der sehr, sehr intensiv riecht. Aber auch Schokolade, weil sie ein richtiges Glücksgefühl auslöst. Mein absoluter Favorit ist ein Parfum aus Lorbeerblatt. Es ist ein starker Duft, frisch, zitronig und einfach außergewöhnlich. Ich verwende ihn eigentlich immer in Kombination mit Pfeffer und Zitrone, um z. B. in Wildgerichten Frische zu erzielen.

Welche Duftexperimente planen Sie für die Zukunft?

Mein Traum wäre es, Themenabende zu veranstalten, bei denen ich einen Duft ganz besonders herausstelle und die Gäste mit allen Sinnen einbinde. Wie zum Beispiel durch die Orange: visuell über die Farbe – geschmacklich, olfaktorisch, physikalisch soll der Gast nur über das eine Produkt angesprochen werden. Wald oder Meer wäre auch ein gutes Thema, hier könnte man ebenso mit Geräuschen arbeiten. Das ist aber leider nicht so einfach und relativ aufwendig umzusetzen.

Andreas Mayer

Der 1966 in Bayern geborene Andreas Mayer ist ein Schüler Eckart Witzigmanns und war Küchenchef bei dessen Palazzos in Berlin und München. Zuvor arbeitete er auch im Kempinski Hotel Vier Jahreszeiten in München, bei Heinz Winkler in Aschau und in der Käfer Schenke. 2004 übernahm der Deutsche die Küchenleitung auf Schloss Prielau in Zell am See südlich von Salzburg. Für seine Arbeit wurde er u.a. mit zwei Michelin-Sternen (2009) und drei Hauben/17 Punkten von Gault Millau (2020) ausgezeichnet.

 

Aroma Gruppen

Mit diesen zehn Basisgerüchen und ihren Kombinationen können ambitionierte Köche endlos experimentieren.

Grün

Aliphatische
Kohlenwasserstoffe

Geruchstyp: grün, wachsig, pilzartig, fettig, stechend, säuerlich

Gewürze: Weizengras, Olivenöl

Gemüse/Obst: Okra, Avocado, Aubergine, Gurke, Artischocke, Papaya, Tomate, Zichorie

 

Blumig

Acylische Terpene

Geruchstyp: blumig, frisch, blütenartig, floral, fruchtig

Gewürze: Zitronengras, Lorbeer, Rose, Bohnenkraut, Basilikum, Oregano, Minze, Salbei

Gemüse/Obst: Kaktusfeige, Karotte, Fenchel, Erbse, Tomate, Tomatillo, Melone

 

Würzig

Phenylderivate

Geruchstyp: würzig, zimtartig, gewürznelkenartig, eukalyptusartig

Gewürze: Anis, Basilikum, Liebstöckel, Lorbeer, Oregano, Pfeffer, Muskatnuss, Zimt

Gemüse/Obst: Blumenkohl, Haferwurzel, Karotte, Kerbelrübe, Kohlrabi, Pastinake, Schwarz-
wurzel, Spargel, Taro, Wurzelpetersilie

 

Fruchtig

Ester

Geruchstyp: fruchtig, apfelartig, bananenartig, ananasartig, birnenartig

Gewürze: Safran, Zimt, Lavendel, Salbei

Gemüse/Obst: Ananas, Apfel, Aprikose, Banane, Birne, Brombeere, Erdbeere,
Grapefruit, Himbeere, Kirsche, Kiwi, Mandarine, Melone, Quitte

 

Cyclische Terpene

Geruchstyp: zitrusartig, pinienartig, koniferenartig, terpentinartig, kräuterartig

Gewürze: Wacholder, Rosmarin, Minze, Tannennadeln, Dill, Thymian

Gemüse/Obst: Okra, Topinambur, Brokkoli, Schwarzwurzel, Sellerie, Rote Beete

 

Harzig

Sesquiterpene

Geruchstyp: bitterartig, herb, harzig-bitter

Gewürze: Bergamotte, Kamille, Bockshornklee, Oregano

Gemüse/Obst: Aubergine, Möhre, Salat, Kaktusblätter, Cardy, Speiserübe, Sellerie, Pastinake, Okra

 

Geruchlos

Nicht-flüchtige Stoffe

Geruchstyp: adstringierend, prickelnd, brennend, scharf, kühlend, heiß, beißend

Gewürze: Chili, Pfeffer, Stevia

Gemüse/Obst: Zwiebelgewächse, Spinat

(nicht flüchtige Stoffe, die nicht duften. Setzen Schärfe- oder anderen trigeminalen Reiz)

 

Schwefelig

Thiole

Geruchstyp: schwefelig, cassisartig, kohlartig, zwiebelartig, lauchartig

Gewürze: Kala Namak, Schnittlauch, Knoblauch, Kresse

Gemüse/Obst: Lauch, Spargel, Zwiebel, Rettich, Salate, Kohl

 

Holzig

Aromaten

Geruchstyp: aromatisch, vanilleartig, benzolartig, rauchig, eichenholzartig

Gewürze: Bergamotte, Eukalyptus, Majoran, Myrrhe, Harze, Mastix, Tamarinde, Vanille

Gemüse/Obst: Avocado, Blumenkohl, Bohne, Kartoffel, Kürbis, Mangold, Rote Beete, Schwarzwurzel, Sellerie, Spinat, Topinambur

 

Erdig

Heterocyclische
Kohlenwasserstoffe

Geruchstyp: erdig, cremig, kokosnussartig, karamellartig-süßlich, paprikaartig, röstartig, brotrindenartig

Gewürze: Ahornsirup, Heu, Nüsse, Mohn, Sesam, Waldmeister

Gemüse/Obst: Bohne, Kichererbse, Schwarzwurzel, Sellerie, Zichorie, Grüne Paprika, Gartenbohne, Spargel, Zuckermais, Pastinake

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