Branche

Fisch verrückt

Josh Niland gehört zur raren Gattung der revolutionären Köche. Der junge Australier definiert mit seinem St. Peter in Sydney seit einigen Jahren neu, was mit Fisch alles möglich ist. FRISCH hat sich seine neuen Ansätze und Techniken erklären lassen.

 

Fisch schmeckt frisch am besten! Oder: Nur 40 % des ganzen Fisches sind in der Küche überhaupt verwendbar. Diese Sätze kennen Köche aus der Ausbildung. Doch ein junger Australier räumt gerade gewaltig damit auf. Josh Niland stellt in seinem kleinen Restaurant etwa Wurst mit dem Blut von Stachelmakrelen her, lässt Pökelschinken vom Speerfisch wochenlang reifen oder serviert Chips aus Fischaugen. So kreiert er völlig neue Geschmackswelten, die Gäste wie Kritiker staunen lassen und ihn zu einem der neuen Stars der australischen Kochelite machen.

BLOSS KEIN WASSER

Doch wie können solche unkonventionellen Ansätze gelingen? Jeder, der schon einmal Fisch im Kühlschrank vergessen hat, weiß, was damit spätestens am dritten Tag passiert. „Ganz entscheidend für meine Herangehensweise ist, dass der Fisch, den ich verarbeite, das letzte Mal lebend Kontakt mit seinem Element hatte – und das sollte sich auch während der gesamten Verarbeitung nicht ändern“, klärt Niland auf. Fisch wird vom Händler meist unter fließendem Wasser entschuppt und ausgenommen, was wegen der großen Mengen oft kaum anders möglich ist. Das Problem dabei: Der so gewaschene Fisch nimmt einen Teil der Flüssigkeit auf, sie kondensiert in der luftdichten Verpackung und Bakterien können sich so schneller vermehren. Niland rät deshalb, den Fisch auch im eigenen Betrieb nicht mit Wasser zu waschen. „Erst wenn man weiß, wie man dafür sorgt, dass Fisch keine Flüssigkeit aufnimmt, kann man einen Schritt weitergehen und mit trockengereiftem Fisch experimentieren“, meint er. Dafür sollte der Fisch am besten aber auch selbst ausgenommen und entschuppt werden.

MACH'S DIR SELBST

Denn wer sauber arbeitet, schafft erst die Voraussetzungen für ein Topprodukt, das sich auch fürs Reifen und Pökeln eignet. Besonders wichtig sei dabei, die Schuppen korrekt zu entfernen. „Ich empfehle bei größeren Fischen, sie immer mit einem scharfen Messer abzuschneiden“, meint der Experte: „Denn beim Entschuppen mit einem Entschupper, dem Messerrücken oder einem Löffel werden die Schuppen sozusagen aus den Poren herausgerissen: Das ist problematisch, wenn der Fisch danach mit Wasser abgespült wird, da sich die Poren so mit Flüssigkeit vollsaugen können. Wenn man die Schuppen hingegen abschneidet, bleibt die Haut intakt, sodass der Fisch von seiner natürlichen Schutzschicht umgeben gelagert werden kann.“ Auf diese Weise entschuppter Fisch eignet sich außerdem besonders gut zum Anbraten in der Pfanne – denn so gelingt superknusprige Haut am besten.

JE FETTER, DESTO BESSER

Wer Fisch so vorbereitet hat, könne ihn auch reifen, meint Niland. Denn ähnlich wie schlachtfrisches Rindfleisch habe fangfrischer Fisch eigentlich wenig bis keinen Eigengeschmack. In einer Kühlkammer oder in einem speziellen Kühlschrank richtig aufbewahrt, entwickelt sein Fleisch einen viel intensiveren Geschmack und eine feinere Textur. Denn es löst sich zwar während des Reifeprozesses nicht wie beim Fleisch das Bindegewebe auf, aber Fische verlieren dabei viel unnötige Flüssigkeit und gewinnen an Eigengeschmack. Dafür müssen Temperatur und Luftfeuchtigkeit allerdings genau überwacht werden. Minus zwei bis plus zwei Grad sind ideal. Niland hat sich in seinem Lokal sogar eine eigene Kühlkammer mit Rippenrohr-Kühlung bauen lassen. Der Vorteil dieses Systems gegenüber sonst oft verwendeten Kupferspulen: Die Luftfeuchtigkeit im Kühlraum ist geringer, was dafür sorgt, dass die Fischhaut beim Reifen trocken bleibt, aber nicht austrocknet.

Im Idealfall ist so gereifter Fisch wunderbar saftig, da das Reifen im Grunde für eine verlängerte  Frische sorgt. Fischsorten mit hohem Fettanteil und dichtem Muskelgewebe wie Thunfisch oder Schwertfisch können über längere Zeiträume gereift werden. Fische mit weniger kompakter Textur wie etwa Brassen brauchen dagegen meist nur vier bis fünf Tage, um den optimalen Geschmack und die perfekte Textur zu entwickeln. Delikate Sorten wie Hering eignen sich dagegen überhaupt nicht fürs Reifen. Sie enthalten wenig Fett und dadurch auch eher wenig Feuchtigkeit, wodurch sie beim Reifen austrocknen. Köchen, die selbst mit heimischen Sorten experimentieren möchten, rät Niland, den Fisch beim Reifen jeden Tag zu probieren, um zu sehen, ob alles passt und der Fisch die richtige Textur und den gewünschten Geschmack hat. Es gebe sogar Fischsorten, die während der Reifung mehrere Reifegrade mit ganz unterschiedlichen spannenden Aromen durchlaufen, meint er.

DIE PERFEKTE LAGERUNG

Entscheidend für den Erfolg solcher Selbstversuche sind immer die idealen Lagerbedingungen. Wer nur einige Tage reifen möchte, kann selbst vorbereitete Filets verwenden. Damit sie nicht in der aus dem Fleisch austretenden Flüssigkeit liegen, sollte man sie mit der Hautseite nach oben auf ein Edelstahlgitter legen und dieses auf einen Teller geben, um die Flüssigkeit aufzufangen. Man kann sich aber auch mit einem mit löchrigem Backpapier belegten Grillrost behelfen. Damit die Filets nicht austrocknen, gibt man sie schließlich am besten offen ins Gemüsefach.

Möchte man Fisch hingegen länger als zwei Tage lagern, sollte man ihn laut Niland nicht filetieren. Dadurch ergibt sich weniger direkte Kontaktfläche für Feuchtigkeit und Bakterien. In diesem Fall den Fisch nur entschuppen, ausnehmen und am besten den Kopf einschließlich Kragen abschneiden. Denn das sind jene Teile, die aufgrund der Temperaturschwankungen durch das Öffnen und Schließen des Kühlschranks besonders schnell schlecht werden. Den Fisch auf einer Edelstahlplatte mit Abtropflöchern oder einem Edelstahlgitter ins Gemüsefach geben und die Lüftungsschlitze öffnen. Den Fisch danach jeden Tag aus dem Kühlschrank nehmen und Haut und Bauchhöhle mit Küchenpapier trockentupfen, damit sich keine Feuchtigkeitsschicht bildet.

Noch bessere Ergebnisse gelingen aber in einem Kühlraum mit statischer Kühlung, in dem man die Fische mithilfe von Edelstahlhaken aufhängt. Niland reift so beispielsweise einen Gelbflossenthun für unglaubliche 36 Tage. „Beim Reifen in dieser kontrollierten Umgebung verändert sich der Geschmack von leicht süß und zugleich salzig hin zu einem Aroma von Pilzen und auch die Textur wird deutlich kompakter“, schwärmt er vom Ergebnis.

NICHT FISCH, NICHT FLEISCH

Bei wem das Bilder von Wurst und Schinken hervorruft, der liegt nicht falsch. Denn einer der Ausgangspunkte von Nilands Experimenten ist es, Kochtechniken, die man normalerweise nur auf Fleisch anwendet, auf Fisch zu übertragen. „Es gibt eigentlich keinen Grund, warum man einen Unterschied zwischen Fisch und Fleisch machen sollte“, verteidigt er seine Idee: „Schließlich haben Fische wie Säugetiere eine Wirbelsäule und verfügen im Grunde über die gleichen Organe und Knochen.“ Anfangs ordnete er verschiedene Fischsorten sogar Fleischkategorien wie Rind, Schwein oder Hühnchen zu. „Indem ich Fisch so kategorisierte, wurden meine Kompositionen und die Auswahl der Beilagen immer besser und ich traute mich, mit unterschiedlichsten Zubereitungsarten zu experimentieren“, erzählt er über seine Anfänge im St. Peter. „Wenn man Fisch wie Fleisch betrachtet, kann man zudem die vielen verschiedenen Zubereitungsmethoden, die man von Fleisch kennt, wie etwa Pökeln, nutzen, um Geschmack und Textur zu verbessern. Auch die Herstellung von Wurstwaren aus Fisch und ganz allgemein die Verarbeitung von Innereien bieten bisher ungeahnte Möglichkeiten.

So gibt es zu Weihnachten im St. Peter beispielsweise einen glasierten Cobia-Weihnachtssschinken. Oder Niland stellt aus Thunfisch Schinken her, den er auf seinen berühmten Charcuterie-Platten in Scheiben serviert. Dafür verwendet er nur den hinteren Teil des Fischs. Ist die Haut abgezogen, zieht der Fischschwanz drei Tage in einem sterilisierten Plastikbecher in Salzlake. Am vierten Tag wird er großzügig mit einer Pökelmischung eingerieben und dann in einen großen, sauberen, mit Backpapier ausgelegten Plastikbehälter gegeben. Mit einem Brett auf dem Fischschwanz wird er danach für etwa zwei Wochen gepökelt und dabei einmal am Tag gewendet. Sobald sich das Fischfleisch fest anfühlt, wird der Thunfischschinken schließlich in den Kühlschrank gehängt und reift dann gut belüftet für mindestens vier Wochen. Zum Servieren schneidet ihn das St. Peter-Team in dünne Scheiben, liegt sie auf knusprig getoastetes Brot mit reichlich schwarzem Pfeffer und beträufelt sie mit Olivenöl. Das Ergebnis ist überraschend, gelingt aber nur, wenn absolut auf Hygiene geachtet wird.

JA NIX VERSCHWENDEN

Exaktes Arbeiten ist auch der Schlüssel für die Innereienküche im St. Peter. „Als Koch lernt man in der Ausbildung, dass man nur etwa 40 – 45 % eines Rundfischs verarbeiten kann. Ich habe mich oft gewundert, warum das weltweit einfach so akzeptiert wird“, schüttelt Niland den Kopf: „Anstatt die unzähligen Rezepte, die es zu den verschiedensten Zubereitungsmethoden dieser 40 % des Fischs gibt, zu perfektionieren, sollten wir unsere Aufmerksamkeit lieber auf die anderen 60 % richten, denn hier eröffnen sich ungeahnte kulinarische Möglichkeiten. Die Zubereitung von Innereien ist bei anderen Tieren weit verbreitet. Für uns hat es sich bewährt, uns daran bei der Kreation von Rezepten für Fischinnereien zu orientieren“, erklärt er. Grille man etwa Fischherz in dünnen Scheiben auf einem Spieß über Holzkohle, sorge das für eine unglaubliche Textur, die man dem ansonsten aufgrund seines geringen Fettgehalts eher trockenen und zähen Organ gar nicht zutrauen würde. Auch Fischleber sei völlig verkannt: Man kann sie einfach anbraten, darin unterscheidet sie sich kaum von Hühner- oder Entenleber. Außen sollte sie dann schön knusprig und innen zartrosa sein. Niland serviert etwa Zackenbarschleber mit Petersilie auf Toastbrot. „Der mineralische, frische Geschmack angebratener Petersilie in Kombination mit der kurzgebratenen Leber ist eine perfekte Kombination, um die Gäste von Fischinnereien zu überzeugen“, ist der junge Australier überzeugt.

Eines seiner Signature-Innereiengerichte ist allerdings die Blutwurst. Dafür verwendet er das Blut von Makrelen. Wie bei der normalen Blutwurstherstellung gibt man es zu einer Mischung aus angeschwitzten Schalotten, Salz, Gewürzen, Weißbrotbröseln und Sahne. In Frischhaltefolie eingeschlagen wird diese Masse dann für 25 Minuten bei 80 bis 85 Grad gegart. Abgeschreckt, abgekühlt und in Scheiben geschnitten, kann die fertige Blutwurst in der Pfanne auf beiden Seiten für etwa eine Minute angebraten werden, bis sie leicht Farbe annimmt. „Das ist wirklich eines der tollsten Gerichte, die wir bisher kreiert haben“, ist Niland begeistert: „Der Geschmack ist durch die Sahne und die verwendeten Gewürze sehr mild und erinnert leicht an Sardellen. Unsere Blutwurst ist dadurch deutlich feiner als die aus Schweineblut.“

Hört und liest man das alles, kann man kaum glauben, dass Niland Anfang Dreißig ist und sich erst seit einigen Jahren mit Fischküche beschäftigt. Man darf also gespannt sein, was er sich dazu in Zukunft noch alles einfallen lässt. 

 

„Fisch sollte das letzte Mal lebend Kontakt mit seinem Element haben.“

Josh Niland, St. Peter, Sydney

 

Interview

SeaCuterie

Ja, Charcuterie geht auch mit Wassergetier. Denn Durch neue Verarbeitungsmethoden lassen sich aus Fisch selbst Wurst und Schinken herstellen.

// Speck

Der Speck rechts wird aus Mondfisch gemacht und orientiert sich am luftgetrockneten Guanciale. Wie dieser kann er angebraten oder ausgelassen zum Kochen verwendet werden.

// Streichwurst

Der würzige 'Nduja-Aufstrich aus Kalabrien war Vorbild für diese Kreation. Statt Schwein kommen hier Marlinfleisch und Fett zum Einsatz.

// Schinkenplatten

Niland möchte mit seinem Konzept eingefahrene Sichtweisen hinterfragen. Warum sollte es etwa Wurstplatten nicht auch auf Fischbasis geben?

// Reifeprozess

Diese beiden Thunfischhälften zeigen gut, wie sich das Fleisch verändert. Links: 20 Tage gereift; rechts: 3 Tage

 

 

Neue Horizonte

Wer scheuklappen ablegt und Fischküche neu denkt, kommt auf andere Gerichtideen. Einige Denkanstöße aus der Welt von Josh Niland.

 

Swansea Bonito

Kreative Fischbeilagen

Josh Niland präsentiert diesen vor Swansea an der tasmanischen Küste gefangenen Bonito nicht nur wie ein gutes Stück Fleisch, er geht auch bei den Beilagen ganz Fisch-untypische Wege. So flankiert das Gericht hier etwa ein Sud von eingebrannten Tomaten, Anchovis und Majoran, also dem Kraut, das hierzulande gern fürs Wursten und deftige Eintöpfe verwendet wird.

 

Leopard Forellenbarsch

Kochen mit Inneren Werten

Wie kunstvoll im St. Peter mit Innereien und Abfällen gekocht wird, zeigt dieser Gang. Kopf und Kragen eines Forellenbarschs werden wie Pastrami gewürzt, geräuchert und mit Essig und Zucker glasiert. Für den Essig verwendet die St. Peter-Crew dabei auch das Herz eines Großaugen-Thuns. Es wird beschwert in Salzlacke gelegt und danach 20 Tage trockengereift. Dann kann man das feste Stück Herzmuskel in den Essig reiben. Umami pur.

 

Petersfisch

Teller mit Schauwert

„Yaki-Dory“ nennt das St. Peter-Team dieses Arrangement auf Instagram in Anlehnung an die japanischen Yakitori-Spießchen. Natürlich sieht man hier kein Hühnchen, sondern perfekt präparierte Teilstücke des Petersfischs (engl. John Dory), die später auf den Tischgrill wandern.

 

Meeresforelle

Spiel mit Gegensätzen

Den in Australien beheimateten Steinaustern stellt Niland hier eine kräftige nordafrikanische Merguez-Wurst gegenüber, die auf Holzkohle gegrillt wird. Ihre Füllung besteht allerdings nicht aus Lamm, sondern aus mit Kreuzkümmel, Paprika, Knoblauch, Harissa und Pfeffer gewürzten Meeresforellenwürfeln.

Interview

„Wir sind nicht dafür da, Kaviardosen zu öffnen.“

Josh Niland ist mit seiner Fischküche in Australien zum Star geworden. FRISCH erzählt er über die Anfänge im St. Peter und wie er die Gäste von

seinen Ansätzen überzeugen konnte.

Du hast die Fischküche revolutioniert, Josh. Woher diese Faszination für Fisch?

Direkt nach meiner Ausbildung habe ich mit gerade 18 bei Steve Hodges in Sydneys bestem Seafood-Restaurant, dem Fish Face, angefangen. Das war sehr prägend. Er hat mir viel beigebracht und ich durfte schon sehr früh für das sogenannte „Specials Board“ eigene Gerichte entwickeln. Das war großartig, weil jeden Tag Fischarten reinkamen, die ich gar nicht kannte – eine echte Herausforderung! Ich denke, das ist auch der Grund, warum ich mich so für Fisch interessiere. Er fordert dich als Koch.

Schon mutig, einen 18-Jährigen einfach machen zu lassen …

Ja, Steve war ein ziemlich verrückter Chef. (Lacht) Ich glaube, er weiß gar nicht, wie groß sein Anteil an der Entwicklung meiner Fischküche war. Einmal hatte er was getrunken und provozierte mich ein wenig. Dann meinte er: Hör endlich auf, bei Fisch immer nur an Fisch zu denken. Sieh doch Makrelen einfach mal wie ein Stück Lamm und mach dir auf dieser Basis Gedanken über die Beilagen, die du dazu servieren würdest. Das war eher so nebenbei gesagt. Aber es hat mich beschäftigt.

Verknappt könnte man sagen, es war das Konzept für das St. Peter: Fisch wie Fleisch zu behandeln und auf dieser Basis mit Techniken wie dem Dry-Agen zu experimentieren. 

Stimmt. Wir wollten Techniken aus der Zubereitung von Fleisch auf Fisch übertragen und sehen, was passiert. Es also beispielsweise an einem Haken reifen lassen und nicht mehr nur in Salz einlegen, wie es bis dahin üblich war, wenn man das Fleisch länger haltbar machen wollte.

Hat dieser Ansatz direkt funktioniert und gleich gute Ergebnisse gebracht?

Weiß Gott nicht! Wir haben über ein Jahr experimentiert, bevor wir eröffnen konnten. Beim Reifen von Fisch kommt es auf den perfekten Moment an. Das vergessen viele, die versuchen, meine Techniken zu übernehmen. Man hängt Fisch nicht einfach an den Haken, holt ihn nach 30 Tagen raus und hat ein perfektes Produkt. Jeder Fisch hat seine ideale Reifezeit. Das variiert grob von drei bis 30 Tagen. Da muss jeder selbst experimentieren und seine Erfahrungen machen. Wenn ich manchmal die Fotos von gereiftem Fisch auf Instagram sehe, muss ich grinsen. Das schaut eher aus wie furztrockener Jerky. Ich versuche mit meiner Technik dagegen diesen leicht süßlichen Geschmack und die saftig-mürbe Konsistenz herauszuarbeiten und zu bewahren, die wir alle so an Fisch lieben. 

Trotzdem wirst du anfangs wohl auf einiges an Skepsis gestoßen sein, oder?

Ich hatte das Glück, dass ich mein Lokal im Stadtteil Paddington, gleich in der Nähe des Fish Face, eröffnen konnte. Deswegen haben auch viele Stammgäste von dort direkt reingeschaut. Sie haben dem Restaurant am Anfang das Überleben gesichert. Schwieriger war es, die Menschen für die Innereien-Küche des St. Peter zu begeistern. Teil meines Konzepts ist ja, den ganzen Fisch zu verwenden und nicht nur die üblichen 40 %.

Hättest du ein Beispiel?

Wir haben Gerichte mit Fischsperma, Schwimmblase oder Augen auf der Karte. Das war für viele eine Hürde. Aber genau das ist es, was mich am Beruf Koch reizt. Wir sind nicht dafür da, nur Kaviardosen zu öffnen. Es geht darum, Wege zu finden, auch solche „Abfallprodukte“ so zu verarbeiten und zu präsentieren, dass sie den Gästen schmecken. Wir wollen sie begeistern und so vielleicht auch etwas bewirken. Aber bei manchen Gerichten haben wir dafür schon etwas gebraucht. (Lacht)

Welches war bisher am schwersten zu vermitteln?

Definitiv die Fisch-Blutwurst. Die wollte keiner bestellen. Wir haben dann Instagram eingesetzt und wirklich tolle Bilder davon in einem weißen Sandwich inszeniert. Das hat gewirkt und sie ist mittlerweile eines der Signature Dishes. Auch die anderen Innereien sind heute schneller ausverkauft als die Filets. Eine tolle Entwicklung, finde ich.

Besteht nicht die Gefahr, dass die Leute solche Gerichte nur als etwas sehen, das die Gier nach Neuem und Sensation befriedigt?

Klar gibt es bei uns auch die Yuppies, die das Smartphone zücken und sich mit Blutwurst- und Fischsperma-Gerichten fotografieren lassen. Aber das muss man akzeptieren und mitnehmen, wenn man etwas erreichen möchte. Ein wenig Provokation gehört dazu. Ich bin zwar kein Gutmensch, aber die Nachhaltigkeit meines Ansatzes ist mir extrem wichtig. Außerdem muss das alles für mich auch ökonomisch sinnvoll sein. Meine Frau und ich sind schließlich Unternehmer. Wenn ich etwa Fisch reife, kann ich ihn länger verwerten und indem ich Innereien und Abschnitte verwende, habe ich einen viel geringeren Wareneinsatz. Das ist für mich ein sehr stimmiges Gesamtkonzept, das sich auch rechnen muss.

Du hast als Koch mit nur 32 Jahren schon ziemlich viel erreicht. Was hast Du dir für die Zukunft vorgenommen?

Meine Frau und ich entwickeln gerade ein Konzept, das bald hier in Sydney eröffnen soll. Wir wollen dafür bewusst weg vom Fine Dining. Es heißt Charcoal Fish und orientiert sich an den vielen kleinen Take-away-Läden für gegrilltes Hühnchen. Wir arbeiten dafür mit sieben Tage gereiftem Murray Cod, einem australischen Süßwasserfisch mit hohem Fettanteil. Er wird im Ganzen auf einer Rotisserie über Holzkohle gegrillt. Wir konnten daraus acht unterschiedliche Gerichte entwickeln, darunter zum Beispiel auch eine Karamell-Eiscreme aus dem Fett des Fisches, das beim Grillen aufgefangen wird. So gelingt es uns auch, ganze 92 % des gesamten Tieres zu verwerten. Wenn es gut läuft, wollen wir das Konzept auch international an den Start bringen. 

 

Josh Niland

Josh Niland ist ein australischer Koch und Gastronom. Mit seiner Frau Julie betreibt er in Sydney das Restaurant St. Peter, das Fischgeschäft Fish Butchery und seit kurzem das neue Konzept Charcoal Fish. Der 32-Jährige ist ein Verfechter der Verwendung des gesamten Fischs.

Schließen

Klicken Sie Enter um zu starten oder ESC um zu beenden.