Branche
GRUPPENDYNAMIK
Weltweit nimmt die Zahl der Gastrogruppen zu. Entwickelt sich der heimische Markt ähnlich? Und was bedeutet das für die eher klein strukturierte österreichische Gastronomie? FRISCH hat bei großen heimischen Gastroplayern nachgefragt.
// DoN GroupMehrwert Vielfalt Josef Donhausers DoN group ist in fast jedem gastronomischen Segment präsent. Klassische Restaurants wie Das Anton im Musiktheater Linz oder das Schlosscafé im Wiener Belvedere sind genauso im Portfolio der Gruppe wie die Fresh Casual Konzepte Fat Monk - Deli Bowls oder auch VAPIANOÖsterreich. Außerdem zeichnet man fürs Rail Catering der ÖBB und die Gastronomie in den Lounges der Austrian Airlines und des Flughafens Wien verantwortlich. Damit gehört DoNzu den am breitesten aufgestellten Gastrogruppen am gesamten österreichischen Markt.
„ALLE ANFORDERUNGEN ZU ERFÜLLEN, IST FÜR EINZELBETRIEBE OFT NICHT MEHR MÖGLICH.“ (JOSEF DONHAUSER, GRÜNDER, DON GROUP)
// ChefStableRestaurant kuratoren Jedes Restaurant der ChefStable Group um Gründer Kurt Huffman aus Portland ist völlig anders. Denn hier geht es darum, Köchen und Gastronomen zu helfen, ihre Lokalideen professionell umzusetzen. Die Gruppe übernimmt die wirtschaftliche Seite des Geschäfts und das Branding, die Gastronome/Köche repräsentieren nach außen, führen die Lokale und sind dafür am Gewinn beteiligt.
550 Millionen Euro. So viel war Milliardär Mark Scheinberg und seinem Unternehmen Mohari Hospitality eine der größten Gastrogruppen der Welt kürzlich wert. Die TAO Group aus New York betreibt über 80 Clubs, Bars und Restaurants in über 20 Märkten weltweit. Darunter mit den Hakkasan Fine Dinern auch eine ganze Reihe Sterneläden. Exemplarisch steht sie damit für eine Entwicklung, die sich auf internationalem Parkett schon viele Jahre bemerkbar macht. Egal, ob London, Hongkong oder Sydney: Ohne dass es die Gäste wirklich mitbekommen, wächst die Zahl der Gastrounternehmen mit zig Betrieben im Portfolio.
Dabei gibt es prinzipiell zwei recht unterschiedliche Spielarten desselben Phänomens. Bekannter ist der Systemgastronomie-Ansatz. Ein funktionierendes Konzept wird ökonomisch, organisatorisch sowie im Markenauftritt so lange feingeschliffen, bis es auf mehrere Standorte ausgerollt werden kann. Skalieren sagen dazu die Manager von Restaurantmarken wie Chipotle, Shake Shack oder Wagamama gerne. Der Begriff kommt aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, spielt auf die positiven Synergieeffekte an, die sich ab einer bestimmten Größe einstellen, und lässt erahnen, woher das Geld für solch aggressives Wachstum meist kommt: Mit sogenanntem Venture Capital investieren Stiftungen oder Fonds, die auch etwaige Verluste in Kauf nehmen können, in schnelle Expansion.
In Gastrosystemen mit sehr viel Wettbewerb, wie beispielsweise in Hongkong oder auch in vielen Großstädten der Vereinigten Staaten, trifft man außerdem auf einen zweiten Zugang. Dort spannt sich das Dach der Gruppe über völlig unterschiedliche Restaurantkonzepte. Ein Beispiel ist Syed Asim Hussain mit seinen Black Sheep Restaurants in der britischen Ex-Kronkolonie am südchinesischen Meer. Die Gruppe betreibt mittlerweile 31 (!) völlig unterschiedliche Konzepte. Darunter das berühmte Belon (moderne französische Küche), den New Punjab Club (Tandoori Grillhaus), die Taqueria Super Macho (Mexikanisch), das Ho Lee Fook (Chinesisch), die Osteria Marzia (Italienisch) oder das Hotal Colombo (Küche Sri Lankas). Hinter dieser Vielfalt steckt eine Restaurant-Maschine, die stetig kreative Konzepte ausspuckt, den Immobilienmarkt scannt und wirtschaftliche Machbarkeiten berechnet. Für Black Sheep selbst arbeiten deshalb mehr BWLer, Marketingexperten, Interior-Designer und Brandingprofis als Köche.
Derselbe Ansatz kann aber auch mit mehr Beteiligung der Chefs de Cuisine gelingen. Das zeigt die ChefStable Gruppe aus Portland in den USA. Deren Gründer Kurt Huffmann kennt die Probleme kreativer Köche, die selbst ein Lokal eröffnen möchten, aus eigener Erfahrung: „Du versuchst dir was aufzubauen, das dich gleichzeitig fast erstickt, weil du wie verrückt in der Küche arbeitest und danach noch den kaputten Wasserhahn reparieren musst. Für saubere Buchhaltung und gute Organisation bleibt da wenig Zeit“, schildert er altbekannte Probleme. Um eine Lösung dafür zu finden, ging er nach seiner Gastrozeit auf die Business School in Berkley und schmiedet nun mit seiner Gruppe Allianzen mit anderen Gastrokriegern. „Mittlerweile wissen wir sehr genau, wie wir Köche mit ihren Konzepten von A nach B bekommen“, ist sich der Chef der Gruppe mit zehn Partnern und aktuell 22 Betrieben sicher.
// TAO Group - Gastro-Weltmacht New York, London, Mumbai oder Dubai: Die TAO Group ist mit 80 Standorten auf vier Kontinenten präsent und zählt damit zu den größten Gastrogruppen der Welt. Begonnen hat diese Reise für die beiden CEOs Noah Tepperberg und Jason Strauss mit ganz viel Party. Denn sie sind ursprünglich Nightlife-Promoter. Ihr Nachtclub Marquee war so erfolgreich, dass sie in New York immer mehr Konzepte umsetzen konnten und schließlich auch ins Restaurant-Geschäft einstiegen. Zuletzt hat TAO 2021 sogar die Hakkasan-Gruppe gekauft.
// Big Mamma - Italien auf Französisch Wer im Giorgia, einer grell-bunten Trattoria in München Haidhausen, steht, kann kaum glauben, dass sie Teil eines riesigen Gastro-Imperiums ist. 2013 haben Tigrane Seydoux und Victor Lugger Big Mamma ausgerechnet in Paris gegründet. Heute sorgen ihre über 2.000 Angestellten dafür, italienisches Flair in fast alle großen Städte Europas zu tragen. Auffallend ist dabei, dass jeder Betrieb anders aussieht und großer Wert auf regionale Zutaten direkt aus Italien sowie authentische Zubereitung gelegt wird.
„NUR MIT SYSTEM UND GUTER ORGANISATION SIND KONKURRENZFÄHIGE PREISE MACHBAR.“ (EDI ALTENDORFER, GESCHÄFTSFÜHRER, NETZWERK GRUPPE, LINZ)
Standortkönige
Auch in Österreich gibt es mittlerweile Gastronomen mit einem beachtlichen Portfolio. Erst im September letzten Jahres hat Thomas Altendorfer die Kette Burgerista mit acht Standorten übernommen. Daneben betreibt die Gruppe um den Oberösterreicher außerdem erfolgreich neun Standorte von OX Steak and Grill und einige weitere Betriebe. Insgesamt summiert sich das auf über 20 einzelne Standorte.
Altendorfers Bruder Edi ist dank seines Beratungsunternehmens Netzwerk Gruppe ein ausgewiesener Kenner des heimischen Gastromarkts und selbst für viele Gastroprojekte verantwortlich. Er glaubt, dass auch hierzulande Auflagen und Teuerung den Großen in die Karten spielen. „Es kommt jetzt die Zeit der Systemgastronomie“, meint er: „Nur mit System und guter Organisation ist es aktuell überhaupt noch möglich, den Gästen konkurrenzfähige Preise anzubieten und gleichzeitig Gewinne zu erwirtschaften.“
Besteht also die Gefahr, dass große internationale Gastrogruppen bald zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für heimische Betriebe werden? „Nein, das sehe ich nicht“, meint Altendorfer: „Dafür haben wir mit unseren 14 Löhnen eine viel zu hohe Lohnkostenstruktur. Dadurch sind die kleineren Wirte wenigstens vor dieser Entwicklung geschützt.“ Auch die Verfügbarkeit von Venture Capital ändere daran wenig, meint der Gastroexperte. „Der österreichische Markt ist dafür zu klein. Es gibt lediglich ein paar Menschen aus anderen Branchen, die auch in die Gastronomie investieren, wie beispielsweise Herr Mateschitz. Das ist aber meist Liebhaberei.“
Zukunft mit System
Ähnlich sieht die Frage der Konkurrenz durch internationale Gastrogruppen Josef Donhauser. Zu seiner eigenen DoN group gehören nicht nur die Systemkonzepte Fat Monk - Deli Bowls und VAPIANOÖsterreich, das für seine hausgemachte frische Pasta bekannt ist,sowie mehrere Cafés und Restaurants. Sein Team kümmert sich außerdem um die Verpflegung in den Fernverkehrszügen der ÖBB und in den Lounges der Austrian Airlines sowie des Vienna International Airport. „Weltweit aktive Restaurantmarken werden wir in Österreich eher an Travelhubs wie Flughäfen oder Bahnhöfen sehen und nicht in den Einkaufsstraßen und Innenstädten“, glaubt er deshalb. Trotzdem gehöre den standardisierten Konzepten die Zukunft, weil die Qualitätsrisiken geringer seien und der Gast fast immer genau wisse, was er bekomme, ist er überzeugt. Die Individualgastro sieht Donhauser nicht nur deshalb unter Druck. Denn Auflagen und bürokratischer Aufwand seitens des Gesetzgebers würden von Jahr zu Jahr steigen: „Allergen- und Herkunftskennzeichnung, die Abfallverordnung oder neue arbeitsrechtliche Regeln. Diese wachsenden Herausforderungen zu erfüllen ist für Einzelbetriebe ohne entsprechende Organisation mit klarer Struktur und optimierten Prozessen zunehmend schwierig.“
Die Konsequenz: „Aus Gästesicht bedeutet das einen Verlust an Vielfalt und Individualität. Das Angebot wird wohl in den nächsten Jahren uniformer werden“, meint Donhauser, denn: „Der gastronomische Mittelbau wird kleiner. Entweder man bleibt als Gastrobetrieb ganz klein oder man versucht ganz groß zu werden. Dazwischen wird’s schwer.“
Diese Entwicklung macht auch Hannes Raschhofer Sorgen. Seine Soulkitchen Group ist in den letzten Jahren mit Erfolgskonzepten wie my Indigo, the naked indigo (von Sohn Niko) oder Glorious Bastards stetig gewachsen. Er meint zwar, dass am österreichischen Gastromarkt prinzipiell alle Spielarten der Gastronomie ihre Chancen nutzen könnten. Aber: „Als ich selbst begonnen habe, war der bürokratische Aufwand bei einer Lokaleröffnung noch überschaubar. Als wir zuletzt selbst wieder ein Lokal aufgesperrt haben, lag ein 20 Zentimeter hoher Stapel mit behördlichen Unterlagen vor mir. Ich weiß nicht, wie ein normaler Gastronom das noch schaffen soll.“
//Soulkitchen Group - Wachstum mit System Heiner Raschhofer ist mit seiner Soulkitchen Group längst über die Landesgrenzen hinaus gewachsen. Sechs Standorte von my Indigo gibt es mittlerweile in Deutschland. Möglich wird das, weil die Gruppe, die auch Glorious Bastards und the naked indigo betreibt, perfekt durchorganisiert ist. Es gibt eine zentrale eigene Produktionsküche, eine Academy für die Mitarbeiter und mit My Cockpit ein Programm, das alle Kennzahlen jederzeit verfügbar macht.
„NEBEN ALLEN SYSTEMEN IST HERZLICHES GASTGEBERTUM IMMER NOCH DAS WICHTIGSTE.“
(HEINER RASCHHOFER, GRÜNDER, SOULKITCHEN GROUP, SALZBURG)
Interview
„Partnermodelle sind im Kommen.“
Gastroexperte Edi Altendorfer erklärt FRISCH, warum das wirtschaftliche Umfeld die heimische Systemgastro begünstigt und Köche auch hierzulande vermehrt Geschäftspartner werden.
Wie schätzen Sie die Rolle von Gastrogruppen für den österreichischen Markt aktuell ein, Herr Altendorfer?
Nur mit System und guter Organisation ist es heute noch möglich, konkurrenzfähige Preise anzubieten und dabei etwas zu verdienen. Ich denke deshalb, dass jetzt die große Zeit der Systemgastronomie kommt.
Werden dadurch verstärkt internationale Gastrogruppen auf den österreichischen Markt drängen?
Das glaube ich nicht. Durch die 14 Löhne haben wir eine zu hohe Lohnkostenstruktur, um interessant zu sein. Für die kleineren Wirte ist das eine Art Schutz. Außerdem sind bei uns der Handel und die Bäckereien gastronomisch stark engagiert. Beide kommen mit viel weniger Mitarbeitern aus als ein Gastrobetrieb. Auch das ist ein Faktor.
Wird es also mehr heimische Gastrogruppen geben?
Es gibt jedenfalls interessante Entwicklungen in diese Richtung. Jack the Ripperl zum Beispiel, ein Franchise-Ansatz mit einem österreichischen Konzept. Aber auch die traditionell gewachsenen Gruppen wie Figlmüller oder Plachutta werden neue Standorte eröffnen, wenn es für sie passt. Solche Traditionsbetriebe agieren diesbezüglich allerdings viel konservativer.
Heißt das im Umkehrschluss, dass die Einzelbetriebe immer mehr unter Druck geraten?
Die Einzelkämpfer wird es in Österreich immer geben. Wer einen Betrieb in guter Lage mit stimmigem Konzept hat, braucht sich keine Sorgen machen. Ein Problem sehe ich eher am Land. Geschäft macht man dort nur noch am Freitag, Samstag und Sonntag. Den Rest der Woche kann eigentlich geschlossen bleiben. So ein Betrieb funktioniert nur noch mit einem Betreiber-Paar und zwei Geringfügigen. Die Jungen wollen sich das nicht mehr antun und somit wird diese Art Gastronomie zum Auslaufmodell.
Wenn immer mehr dieser Betriebe schließen, besteht die Gefahr, dass der gesamte Gastromarkt uniformer wird. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund Gruppenstrukturen mit mehreren völlig verschiedenen Restaurantansätzen?
Wirtschaftlich betrachtet ist es immer besser, ein einziges Konzept zu haben, das dann multipliziert wird. Das vereinfacht den zentralen Einkauf, die Abläufe in der Buchhaltung und die Einschulung der Mitarbeiter. Bei verschiedenen Betrieben gibt es einfach weniger Synergien.
Trotzdem haben sich vor allem in den USA auch einige Gruppen entwickelt, die Köche dabei unterstützen, ihre Restaurant-Ideen zu verwirklichen. Ist ein solcher Ansatz auch in Österreich denkbar?
Es ist vielleicht noch nicht so stark ausgeprägt wie in den Fällen, die Sie genannt haben. Aber solche Partnermodelle sind auch in Österreich immer mehr im Kommen. Ich habe zum Beispiel den Koch in einem meiner Betriebe beteiligt. Mein Bruder macht es ähnlich. Wichtig ist dabei, dass der erste Betrieb ganz einem Gastronomen gehört. Ab dem zweiten kann er dann auch andere beteiligen. Wichtigster Vorteil ist, dass die Motivation steigt, wenn man am Gewinn beteiligt ist. Außerdem sinkt die Bereitschaft, den Job zu wechseln. Gerade heute, wo gute Köche Mangelware sind, ist das ein ganz wesentlicher Vorteil.
Herr Altendorfer, vielen Dank für das Gespräch!
Eduard Altendorfer
Eduard Altendorfer ist gerichtlich beeideter Sachverständiger für Gastronomie und Hotellerie, Eigentümer der Food & Beverage Academy und der Beratungsfirma Netzwerk Gruppe, Miteigentümer vom Hotel am Domplatz, pauls küche.bar.greisslerei, Stadtliebe Gastro GmbH und Mitbetreiber des Spinnerei Design Hotels.