Branche

GEBT'S UNS HEISS KALT

Klimawandel, Rauchverbot und dann Corona: Die Außengastronomie hat sich in den letzten zehn Jahren als wichtiges Standbein für die Branche voll etabliert – auch im Winter. Doch jetzt ist die Diskussion um Heizstrahler und Co. wieder voll entbrannt. Zu Recht? FRISCH hat ein Stimmungsbild eingefangen.

„DIE AUSSENFLÄCHEN SIND UNSER ZENTRALES ASSET, WEIL WIR KEINE ANRAINER HABEN“ (Andreas Wiesmüller, Geschäftsführer, Heuer am Karlsplatz, Wien)

Genaue Zahlen gibt es leider nicht. Die Statistikabteilung der österreichischen Wirtschaftskammer winkt genauso ab wie die Kollegen vom Statistischen Bundesamt oder vom Gastro-Fachverband DEHOGA in Deutschland: Wie stark der Markt im Bereich Außengastronomie in den letzten Jahren gewachsen ist und wie viel Anteil er am Umsatz im Winter hat, sei bisher noch nicht erhoben worden, meint etwa DEHOGA-Statistik-Referent Matthias Meier: „Wäre an sich eine gute Idee, das mal abzufragen“, sagt er: „Dass immer mehr Gäste gerne draußen Platz nehmen, sieht man ja. Der Trend ist eindeutig.“ Von dieser Entwicklung hat auch das Grazer Unternehmen Lipowec profitiert, das neben Sonnen- und Wetterschutz die Infrarot-Heizsysteme des Branchenvorreiters Tansun im Programm hat und viele Gastroprojekte im ganzen Land ausstattet. „Den Trend, ganzjährig draußen Plätze anzubieten, beobachten wir schon seit einigen Jahren“, bestätigt Sales-Mitarbeiter Hilmar Flammer. „Spätestens seit dem absoluten Rauchverbot ist das Interesse dann nochmals stark gestiegen.“ Während der Pandemie habe es sogar noch Förderungen für die Strahler gegeben, um die sicherere Alternative Außengastronomie auch in der kälteren Jahreszeit zu ermöglichen, so Flammer. 20.000 bis ca. 40.000 Euro müssen Gastroprofis durchschnittlich in die Hand nehmen, um ihre Terrassen und Schanigärten so mit Wärmetechnik auszustatten, dass sie an nicht allzu kalten Tagen auch im Winter genutzt werden können. „Unsere Kunden verraten uns natürlich keine genauen Zahlen. Aber ich habe schon den Eindruck, dass sich diese Investition bisher bezahlt gemacht hat“, glaubt der Heizstrahler-Händler. Vor allem in großen Städten wie Wien, Graz oder Linz wäre die Zahl der Sitzplätze in den Lokalen begrenzt. Terrassen und Schanigärten könnten diesbezüglich Abhilfe schaffen, so Flammer.

„WÜRDEN WIR DIE STRAHLER ABDREHEN, HÄTTEN WIR DRAUSSEN KEINE GÄSTE MEHR“ (Isabella Funk, Geschäftsführerin, Chattanooga & Stadtbräu, Wien)

Standortvorteil Garten

Ein Garten und eine riesige Terrasse mitten in der Stadt: Das ist auch einer der entscheidenden Standortvorteile des Heuer am Karlsplatz, das Gastronom Andreas Wiesmüller betreibt. „Die Außenflächen sind unser zentrales Asset, weil wir hier keine Anrainer haben und sie bis 2 Uhr nachts bespielen können“, erklärt er die spezielle Situation: „Bei gutem Wetter können wir beispielsweise gegen 22 Uhr fast immer mit einem neuen Gästeschwung rechnen, weil andere Innenstadt-Betriebe ihre Außenbereiche dann zusperren müssen.“ Außenflächen nutzen zu können sei in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, bestätigt auch Wiesmüller: „Wer im Sommer keinen Schanigarten hat, wird regelrecht aus dem Geschäft gedrängt. Außerdem waren sie auch während der Pandemie sehr wichtig, weil die Leute sich draußen einfach sicherer fühlten.“

Deshalb wird auch das Heuer am Karlsplatz jetzt im Winter seine großen Terrassen nicht ganz zusperren: „Wir haben in eine zeltartige Struktur und Pflanzen investiert und werden auf wärmende Decken setzen. Außerdem gibt´s natürlich Punsch.“ Heizstrahler werden also keine eingesetzt? „Wir haben zwar welche, werden sie dieses Jahr aber nicht einschalten, um unseren Anspruch auf den Energiekostenzuschuss nicht zu verlieren“, erklärt der Top-Gastronom.

1,3 Mrd. Euro sind von der Regierung dafür reserviert. Aber nur für jene Betriebe, die ab 22 Uhr auf Außenbeleuchtung verzichten, keine Heizstrahler einschalten und ab einer bestimmten Größe ein Energieaudit durchlaufen. Vieles ist bei dem Prozess bisher noch unklar: „Wir konnten uns nur voranmelden. Ich weiß also noch nicht, wann und wie viel wir wirklich bekommen“, meint Wiesmüller: „Aber Sie kennen sicher die Zahlen: 77 % der Österreicherinnen und Österreicher sagen, sie würden bei der Gastronomie sparen, wenn sie weniger Geld zur Verfügung haben. Deswegen ist unser betrieblicher Ausblick auf das nächste Jahr alles andere als rosig. Bei vielen Gästen werden die höheren Energiekosten außerdem erst zeitverzögert ankommen.“

 

Förderung oder Strahler?

Anders schätzt die Lage Wiesmüllers Kollegin Isabella Funk vom Chattanooga und vom Stadtbräu am Wiener Graben ein. „Wenn wir die Wärmestrahler abdrehen würden, hätten wir draußen keine Gäste mehr. Die Leute setzen sich explizit darunter“, schildert sie ihre Beobachtungen. Decken allein würden nicht reichen. „Die meisten wollen Decken und Heizstrahler“, meint sie. Auf den Energiekostenzuschuss verzichtet sie deshalb bewusst: „Als Unternehmerinnen sind wir alle Optionen durchgegangen und ich persönlich verstehe auch, dass es vielleicht ökologischer wäre, die Strahler abzudrehen. Aber hier geht es nicht um meine persönlichen Befindlichkeiten, sondern um unser Überleben. Denn natürlich bringen uns die Strahler im Winter wirtschaftlich etwas, sonst würden wir sie ja nicht nutzen.“

Wie wichtig die neuen Umsatzmöglichkeiten durch beheizte Außenflächen gerade für die Stadtgastronomie geworden sind, zeigt beispielhaft das Lucullus im dritten Bezirk. Der riesige Gastgarten an der Neulinggasse ist liebevoll dekoriert und seit Ende November Schauplatz eines kleinen, aber feinen Pop-up-Wintermarkts. 25 wöchentlich wechselnde Aussteller bieten von Schmuck über Design bis Keramik einen weiteren guten Grund, beim Lucullus reinzuschneien. Dazu gibt´s Punsch, Glühgin, kulinarische Köstlichkeiten aus der Küche sowie jede Woche Livemusik. 

„WIR BRAUCHEN DIE STRAHLER NICHT UNBEDINGT, DESHALB HABEN WIR HEUER AUCH KEINE GEKAUFT.“ (Karin Huber, Geschäftsführerin, Hotel Almschlössl, Obertauern)

Interview

„Die Branche war zu oft Spielball der Politik.“

Mario Pulker, Spartenobmann des Fachverbands für Gastronomie, gibt sich bezüglich Heizstrahler-Thematik betont entspannt. Im Interview erklärt er, warum er darin reine Symbolpolitik sieht und auf die Eigenverantwortung der Gastronomen baut.

Wie wichtig ist die Außengastronomie für die Branche, Herr Pulker?

Wir haben dazu leider keine konkreten Zahlen, weil es für uns keine Möglichkeit gibt, sie zu erheben. Aber aus Umfragen wissen wir, dass ein großer Teil des Umsatzes unserer Mitglieder draußen erwirtschaftet wird, vor allem im Sommer.

Ist das nur in der städtischen Gastro so?

Nein, das gilt meines Erachtens auch fürs Land. Seit dem Rauchverbot und Corona ist die Möglichkeit, draußen zu konsumieren, zu einer Art Marke unserer Branche geworden. Die Menschen erwarten sich das und nutzen die Außenbereiche sehr gerne.

Auch im Winter?

Ich habe mein Büro im ersten Bezirk und wenn ich mich dort umsehe, ist in den Schanigärten auch aktuell alles voll. Besonders in Wien gibt es viele Betriebe, die innen nur einen kleinen Raum haben. Deren Hauptfläche ist eigentlich der Schanigarten.

Glauben Sie, dieses Geschäft bricht ein, wenn man auf Wärmestrahler verzichtet, wie aktuell gefordert?

Dazu kann ich nur von den Erfahrungen eines großen Wiener Gastronomiebetriebs berichten, dessen Betreiber ich kürzlich getroffen habe. Der hat seine Strahler probehalber für einen Tag ausgeschaltet. Das Resultat war, dass sein Lokal nicht nur außen, sondern auch im Innenbereich leer blieb.

Für viele Wirte und Hoteliers ist dieses Beispiel aktuell besonders relevant. Wer einen Energiekostenzuschuss vom Staat möchte, verpflichtet sich dafür, keine Heizstrahler zu betreiben. Kann sich das lohnen?

Das ist momentan schwer zu sagen, weil die Richtlinie noch auf sich warten lässt. Ein Hotelier aus Salzburg hat mir aber erzählt, dass er seinen Steuerberater auf Basis der schon feststehenden Rahmenbedingungen hat ausrechnen lassen, was er bekommen würde. Dabei sind 2.000 Euro herausgekommen. Ich glaube also, dass die Zuwendungen bei diesem ersten Zuschuss für unsere Branche schmal ausfallen werden.

Warum wird die Diskussion dann erneut so heiß geführt?

Damit wird reine Symbolpolitik betrieben, die völlig an der Realität vorbeigeht. Alle politischen Parteien haben bisher versucht, mit uns ihr Auskommen zu finden. Nur die aktuelle Umwelt- und Energieministerin nicht. Nachdem das Verbot der Heizstrahler verfassungsrechtlich gescheitert ist, versucht man es jetzt über den Energiekostenzuschuss. Aber der Zuschuss ist so gering, dass die Wirte sehr wahrscheinlich ihre Heizstrahler in dieser Saison nicht abschalten werden. Denn der damit generierte Umsatz ist sicher höher.

Würde das Abschalten überhaupt etwas bringen?

Jedenfalls nicht sehr viel. Wir haben das durchgerechnet: Die Tourismusbranche inklusive Gastronomie, Hotellerie und Seilbahnen hat einen Anteil von nur 1,7 % am gesamten Energieverbrauch Österreichs. Darüber hinaus haben Hotellerie und Gastronomie in den letzten Jahren massiv in erneuerbare Energien investiert und Einsparungspotenzial bei ihrem Energieverbrauch gehoben. Eigentlich bräuchten wir die ganze Diskussion gar nicht mehr führen.

Erinnert Sie das auch an den Umgang mit dem Rauchverbot?

Etwas schon. Auch damals haben viele investiert und dann kam doch das strikte Rauchverbot. Das hängt nicht wenigen unserer Mitglieder heute noch nach. Unsere Branche ist in den letzten Jahren schon viel zu oft zum Spielball der Politik geworden.

Was raten Sie den Gastronomen?

Eigenverantwortung zu übernehmen. Jeder Einzelne kann selbst am besten einschätzen, wie viel Umsatz er verlieren würde, wenn er seine Heizstrahler nicht einschaltet. Denn eines ist ganz klar: Es ist erlaubt Heizstrahler zu betreiben. Nur wer um den Energiekostenzuschuss angesucht hat, muss ihn zurückzahlen, wenn er doch Heizstrahler betreibt.

Herr Pulker, vielen Dank für das Gespräch!

 

Mario Pulker

Mario Pulker ist Obmann des Fachverbands Gastronomie in der Wirtschaftskammer Österreich und selbst Gastronom sowie Hotelier. Der Fachverband vertritt rund 60.000 Gastronomiebetriebe mit über 140.000 Beschäftigten.

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