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Himmelstor

Wer über die Oakland Bay Bridge nach San Francisco fährt, darf sich auf ein Restaurantangebot freuen, das seinesgleichen sucht. Im Epizentrum der California Cuisine treffen Einwandererküchen auf Topköche und Traumprodukte aus dem Central Valley.

Wer zumindest die Chance wahren möchte, die Gastroszene dieser Stadt zu verstehen, sollte vielleicht hier beginnen: am etwas kitschig von zwei Löwen flankierten, dreifach grün bedachten „Dragon Gate“ Ecke Bush Street und Grant Avenue. Jenseits davon beginnt Chinatown. In diesem 24 Block großen Areal läuft die Kommunikation untereinander fast ausschließlich auf Kantonesisch. Denn mit insgesamt 150.000 chinesischstämmigen Städtern ist San Francisco die größte chinesische Metropole jenseits des Perlflusses. Fast allen diesen Einwanderern ist gemein, dass sie ihre Kultur und Kochkunst pflegen wie in der Heimat. In den Teehäusern werden die Dim Sum also stilecht im Wägelchen vorbeigerollt und nur zehn Minuten die Kearny Street hinauf steht mit Sam Woo´s das älteste Chinarestaurant Amerikas.

Diese Gastroinstitution gibt es schon seit 1911. Auch diese Zahl ein Hinweis darauf, wie wichtig die Rolle ist, die asiatische Küchen in San Francisco seit jeher spielen. Denn auch Japaner, Philippinos, Inder, Vietnamesen, Südkoreaner und Taiwanesen sind mit ihren Communitys fest in der US-Großstadt verwurzelt und haben ihre authentische Esskultur mit auf die Reise über den Stillen Ozean genommen. Wer in der Hafenmetropole am Pazifik geboren ist, wächst also mit Maki, Nigiri, Xiao Long Bao und Kimchi auf wie wir mit Pizza, Maultaschen und Sauerkraut.

Natürlich hat diese Geschichte unzählige spannende Lokale hervorgebracht, die die jeweilige Regionalküche weiterentwickeln. Mister Jiu´s am Waverly Place ist so eines. Es liegt nur fünf Minuten vom Sam Woo´s entfernt und wird vom chinesischstämmigen Amerikaner Brandon Jew betrieben. Das alte Backsteingebäude hat vorher 50 Jahre lang das Four Seas beherbergt, wo große chinesische Bankette und Hochzeiten stattfanden: „Mein Onkel hat hier geheiratet“, erklärt Jew, warum er heute in dem für ihn eigentlich viel zu großen Laden seine kulinarische Vision verwirklicht. Jews Biografie lässt erahnen, wie vorurteilsfrei sich in San Francisco die kulinarischen Ansätze selbst in scheinbar traditionellen Restaurants vermengen. Nach seinem Studium hat er sich in Bologna die „Cucina Italiana“ angeeignet, dann kochte er einige Zeit in Shanghai und schließlich holte er sich den letzten Schliff in einer Ikone der „California Cuisine“, dem Zuni Café an der Market Street. 

Peking Duck mit Fahrradpumpe

„Für mich sind die kantonesische Küche und die California Cuisine seelenverwandt. Es geht beiden darum, den Eigengeschmack der besten Zutaten so pur wie möglich herauszuarbeiten. Außerdem darf Essen nach Essen aussehen und muss kein abstraktes Kunstwerk werden“, meint er und ergänzt: „Meine kantonesischen Gerichte sollen die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft meines Kochens widerspiegeln. Ich möchte geschmackliche Erinnerungen wachrufen, mit besten regionalen Zutaten arbeiten, aber auch die modernsten Techniken in der traditionellen Küche anwenden.“ Bestes Beispiel dafür ist seine „Peking Duck“. Jew hebt sie mit ein paar Tricks auf ein ganz neues Niveau. Dafür bläst er mit einer Fahrradpumpe Luft unter die Haut, beträufelt sie mit Zucker und Sojasauce und trocknet sie schließlich zwei Tage mit einem Ventilator. Ein irrer Aufwand, der dem Lokal als erstem Chinarestaurant in San Francisco einen Stern eingebracht hat.

Best of Sushi

Ähnlich ambitioniert geht es auch im Omakase zu, einer der zahllosen Sushi-Bars in San Francisco. Übersetzt heißt der Begriff: „Ich überlasse die Auswahl Ihnen.“ Japaner meinen damit, dass ein Sushi-Meister seine innovativsten und besten Happen individuell für den Gast zusammenstellt. Die Zubereitung erinnert dabei in ihrer Wertschätzung dem Grundprodukt gegenüber, ihrer cleanen Präzision und der Dramaturgie der einzelnen Gänge fast an eine künstlerische Darbietung. Die Grundprodukte dafür lassen

Meister Jackson Yu und sein Team von den weltberühmten Fischhändlern in Sakasyu einfliegen. Das strenge Auswahlverfahren dieser Experten stellt sicher, dass die

Qualitäten denen zuhause in nichts nachstehen. Ein Menü aus Appetizer, Sashimis, dem Eierstich Chawanmushi und Nigiris kostet deshalb mindestens 195 Dollar pro Langnase – ohne Service-Charge und Sake-Begleitung.

So abgehoben und teuer kann Einwandererküche in San Francisco also auch werden. Muss sie aber nicht und bleibt doch ähnlich spannend. Das beweist das Prubechu im an sich von hervorragenden Taquerias geprägten, mexikanisch dominierten Mission District. Dort serviert Koch Shawn Naputi traditionelle „Chamorro Cuisine“. Das sind die traditionellen Gerichte des philippinischen Volksstamms der Chamorros, die in Guam und den nördlichen Marianeninseln im Westpazifik leben. Geprägt ist ihre Küche von den Einflüssen der vielen Eroberer, Händler und Besucher, die die Inselgruppe über die Jahrhunderte hatte. Die an Tacos erinnernden Titiyas etwa sind Fladenbrote aus Kokosmehl. Sie werden gerne mit Garnelen „Kelaguen“, Kokosnüssen, Schalotten und scharfen Pfefferschoten belegt. „Kelaguen“ steht dabei für eine Zubereitungsart, bei der ähnlich wie bei Ceviche Zitronensaft einen Garprozess auslöst. Auch Rindfleisch wird als „Tinaktak“ gerne in Kokosnuss-Scheiben geschmort und dann mit hausgemachten Eiernudeln, Champignons, Cherrytomaten und grünen Bohnen serviert.

Kleine Restaurants wie das Prubechu stehen für die schier grenzenlose kulinarische Vielfalt, die die Immigrants der Stadt schenken. Doch die Konkurrenz durch Restaurantgruppen sowie steigende Mieten und viele Auflagen sorgen in San Francisco auch für stetigen Wandel und riesigen ökonomischen Druck, dem kleine Lokale nicht immer standhalten können.

Erfolgsidee Food-Incubator

Das musste wegen der aktuellen Gesundheitskrise auch das Besharam von Heena Patel erfahren. 2019 gewann sie mit ihrer rein vegetarischen indischen Küche sogar den „Eater Award“ als bestes neues Restaurant der Stadt. „Ich habe keine richtige Ausbildung als Köchin“, erzählt sie: „Deshalb war es eine riesige Ehre für mich, auf diese großartige Weise anerkannt zu werden. Ich habe geheult, als ich es erfahren habe“, erinnert sie sich. Um solche Reaktionen zu verstehen, muss man die Geschichte Patels erzählen. Sie wuchs in einem westindischen Dorf auf und betrieb mit ihrem Mann in San Francisco viele Jahre einen winzigen Blumenladen. Das Kochen lief nur nebenbei. Das änderte erst ein einzigartiges Start-up-Programm.

Der Food-Incubator La Cocina formierte sich im ärmlichen Mission District, wo viele Frauen mit sehr geringen Einkommen auskommen müssen. Viele davon verdienen sich nebenher Geld mit kleinen Essensständen oder illegalen Restaurants. La Cocina nutzt dieses riesige kreative Potenzial. Einerseits, um den Frauen eine unternehmerische Perspektive zu eröffnen. Andererseits, um die Restaurantszene der Stadt mit Küchen aus der ganzen Welt zu bereichern. Köchinnen mit Businessplan können sich um die Aufnahme in dem Programm bewerben und lernen dort die Grundlagen des Restaurantgeschäfts. Sie können ihre Kreationen außerdem in einer professionellen Großküche entwickeln und nach Abschluss des Kurses Kontakte ins Restaurantgeschäft knüpfen. Heena Patel ist eine der Erfolgsgeschichten, die dieses System hervorgebracht hat. Nach ihrem Abschluss verschaffte ihr Daniel Patterson von der Alta Group ihr erstes Restaurant. Danach konnte sie sogar eine eigene Finanzierung aufstellen und betreibt das Lokal nun mit ihrem Mann selbst. Überleben kann sie aktuell allerdings nur dank finanzieller Unterstützung von La Cocina. „Wir hatten gerade angefangen, mit dem Lokal Geld zu verdienen, und dann kam Covid. Ich musste alle Mitarbeiter entlassen und arbeite jetzt wieder nur mit meinem Mann.“ Dass sie trotzdem Licht am Ende des Tunnels sieht, liegt auch an der überwiegend liberal-progressiven Weltanschauung in der Stadt, die es Initiativen wie La Cocina ermöglicht, immer wieder Spenden zu lukrieren.

Beginning of Bio

Eine der Wurzeln dieser Haltung liegt in der Counterculture-Vergangenheit der 60er und 70er, als Jimmy Hendrix und Janis Joplin Haight-Ashbury zum Sehnsuchtsort der Hippies machten und mit Allen Ginsburg und Timothy Leary Poesie auf LSD-Erfahrungen traf. Auch kulinarisch hat diese Zeit die Identität der Westküste geprägt. Denn die Hippies träumten auch vom Leben im Einklang mit der Natur. So ist es kaum verwunderlich, dass Alice Waters 1972 mit dem Chez Panisse in Berkley auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht den Grundstein für die „California Cuisine“ legte. Sie war damals mit ihrem Restaurant eine der Ersten, die die konsequente Verwendung von frischen und gesunden Agrarprodukten forderten, die aus der Region stammen – einer der Grundpfeiler des „Californian Way of Cooking“.

Zum Glück ist gerade Kalifornien mit seinem mediterranen Klima mit einem Reichtum an landwirtschaftlichen Erzeugnissen gesegnet, der seinesgleichen sucht. Im Central Valley wächst direkt vor den Toren San Franciscos die Hälfte von allem, was in den USA an Gemüse, Obst und Nüssen erzeugt wird,  darunter Spargel, Avocados und Weintrauben sowie Mandeln oder Pistazien. Dazu kommt der Fischreichtum des Pazifiks. Zusammen mit den Einflüssen der Immigranten-Küchen entstand so mit der „California Cuisine“ eine der ersten genuin amerikanischen kulinarischen Stile, der voll auf Obst und Gemüse, viel Fisch und sanfte Garmethoden setzt.

Contemporary American

Heute hat sich dieser Begriff bereits überlebt und in den Restaurantkritiken des San Francisco Chronicle liest man eher von „New American“ oder „Contemporary American“, wenn ein Lokaltyp gemeint ist, der mit regionalen Zutaten einen Kochstil pflegt, der sich kulinarisch der ganzen Welt öffnet. Das State Bird Provisions von Stuart Brioza und seiner Partnerin Nicole Krasinski ist so ein Restaurant. Dort werden die Gerichte wie in den Teehäusern der Stadt auf kleinen Wägelchen durch die engen Korridore zwischen den Tisch geschoben. Auf jedem ist ein kleines Schild mit dem jeweiligen Preis. Die Gäste bestellen also nicht, sondern nehmen sich einfach, was ihnen gerade gefällt. „Wir wollten ein lebhaftes Restaurant, wo man mit den Gästen in direktem Kontakt steht, erklärt Brioza das Konzept: „Deshalb kommt man auch direkt durch die Küche herein und kann uns bei der Zubereitung zusehen. Außerdem sieht man immer, was der Nachbartisch gerade vom Wagen nimmt. Dadurch entsteht eine ganz spezielle, kommunikative Atmosphäre.“ Berühmt ist das State Bird Provisions etwa für seine in Buttermilch eingelegte Wachtel, die anschließend frittiert wird und in asiatischer süß-saurer Sauce mit eingelegten Zwiebeln und dünn darüber gehobeltem Rettich an den Tisch kommt.

Natürlich ist das State Bird wegen solcher Gerichte jeden Abend voll mit smarten Menschen aus Kaliforniens prosperierender IT-Branche im Silicon Valley. Die großen Gewinne dieses krisenfesten Wirtschaftszweigs erklären sicher auch, dass es hier, nur wenige Kilometer entfernt von Cupertino, so viele Sternerestaurants gibt. Mit dem Atelier Crenn, dem Quince und dem Benu sind es aktuell drei Dreisterner und dazu unglaubliche sieben Restaurants mit zwei Sternen. Für eine Stadt, die weit unter einer Million Einwohner zählt, ist das mehr als beachtlich. Auch in diesem Segment dominiert etwa im vom Südkoreaner Corey Lee geführten Benu der kulturelle Crossover und der Fokus auf die frischesten einheimischen Produkte. Schließlich hat Lee jahrelang für Thomas Keller die Küche in der berühmten French Laundry geschmissen. Mit welcher Präzision er auch im Benu zu Werke geht, zeigt etwa sein Miesmuschelgang. Dafür füllt er die herrlich glänzenden, eingelegten Muscheln mit Glasnudeln und bunten Gemüsestreifen. Ein Fest für Auge und Gaumen. Aber ganz ehrlich: Die weniger durchgestylten, herzlichen und echten Nachbarschaftsrestaurants sind in dieser kulinarischen Megastadt mindestens genauso spannend. 

3 KONZEPTE

1 – Liholiho Yacht Club

Aloha, Frisco! 

Im Liholiho Yacht Club feiern junge Start-up-Unternehmer ihren erfolgreichen Facebook-Pitch für eine App, die das Wassermanagement von Zimmerpflanzen im Metaverse managt. Das Lokal ist luftig, pastellig-bunt und punktet im Service mit Aloha-Vibe. Denn Chefkoch Ravi Kapur lässt dort die mächtig aufgemotzte Küche seiner Verwandten auf Hawaii servieren. Thunfisch-Poke etwa, das auf einem frittierten Algenblatt serviert und mit Radieschen-Stückchen, allerlei Kräutern und Sesamöl angerichtet wird. Der Frisco-Freigeist gebietet natürlich auch hier Ausflüge in die weitere Geschmackswelt Asiens. Bei der marinierten Rindszunge mit Gurke und Kimchi im fluffigen Mohnbun etwa. Gewürzt ist das alles ohne jegliche Rücksicht auf zarte Zungen. Denn übersetzt heißt „liho liho“ schließlich „feurig“.

 

2 – Wildseed

Veggie-Veteran

Mit dem Wildseed versucht die Back of the House-

Gruppe von Unternehmer Adriano Paganini den wachsenden Trend zu veganen Restaurants zu nutzen. Interessant ist die Bereitschaft von Chefkoch Blair Warsham, Substitutsprodukte einzusetzen. So findet sich Impossible Meat in seiner Bolognese für die Rigatoni und natürlich gibt es auch einen Impossible Burger. Besser schmeckt allerdings die selbst entwickelte Wildseed-Variante mit Patty aus Pilzen und Spinat. Überzeugend sind auch die internationalen Gerichte wie Buchweizen-Soba in einer vietnamesischen Pho-Brühe und peruanische Hodo-Soya-Tofu-Spießchen. Dazu kreiert Lauren Fitzgerald Cocktails aus frisch gepressten Säften, Kräutern, hausgemachten Tinkturen und Shrubs oder serviert Bioweine.

 

3 – State Bird Provisions

Wagerl-Wahnsinn

Seit 2013 gehört das Lokal von Stuart Brioza und seiner Partnerin Nicole Krasinski zu einem der spannendsten kulinarischen Erlebnisse, das man in der Stadt am Pazifik finden kann. Auf den kleinen Tellern, die auf typischen Dim-Sum-Wagerln durch die Gegend gekarrt werden, vermengen die beiden Referenzen an rund 80 unterschiedliche Küchenstile zu Großartigem. Während also auf dem einen Wägelchen mit Beurre Noisette gewürzte Mandelküchlein vorbeigeschoben werden, auf denen eine Nocke Entenleber-Mousse schwebt, probiert der Nachbartisch noch die Hog-Island-Austern mit Kohlrabi-Sauerkraut und Sesamsamen. Die unvergleichliche Qualität dieser Gerichte verleitet natürlich dazu, viel zu viel zu probieren. Die meisten Gäste gehen deshalb mit einer Rechnung nach Hause, die sich gewaschen hat. Macht nichts. Nächstes Mal stehen sie wieder in der langen Schlange vor der Tür. 

Interview

„Gesundheit wird ein längerfristiger Trend.“

Der Italiener Adriano Paganini ist über ein Engagement in London nach San Francisco gekommen. Dort führt der erfolgreiche Gastronom heute Back of the House, eine der angesehensten Restaurant-Gruppen der Stadt. FRISCH verrät er, was die Gastroszene in San Francisco so besonders macht.

Wie viele Gastroprofis in San Francisco sind Sie Einwanderer, Herr Paganini. Heute betreiben Sie mit Back of the House 11 Restaurants und eine Burgerkette. Wie wird man in einem so harten Restaurantmarkt ohne Netzwerk erfolgreich?

Es ist lange her, dass ich hergekommen bin, ich hatte also viel Zeit. (Lacht) Ein Erfolgsgeheimnis gibt es leider nicht. Wie überall gelingt so etwas nur mit sehr viel harter Arbeit, etwas Glück und der Fähigkeit zu verstehen, was die Gäste gerade wollen. Ich habe deshalb immer versucht, Trends aufzugreifen, bevor alle ihnen hinterherlaufen. Damit war ich bisher immer erfolgreich.

Ein Beispiel dafür ist das Wildseed, ein rein vegetarisches Restaurant, das in San Francisco extrem beliebt ist. Funktioniert dieses Konzept ihrer Ansicht nach nur in liberalen US-Großstädten oder werden vegetarische und vegane Restaurants die gesamten USA erobern?

Ich traue dem Konzept ein Riesenpotenzial zu. Vegetarische und vegane Küche hat in den USA als Trend aus Kalifornien begonnen, mittlerweile verbreitet sich das Konzept aber überall. Mit dem Wildseed hatten wir das Glück, schon früh ein authentisches vegan-vegetarisches Konzept auf die Beine zu stellen. Wir entwickeln daraus gerade eine Fine-Casual-Version, von der wir glauben, dass sie auch außerhalb der Bay Area erfolgreich sein kann. Denn egal ob sich die Gäste aus gesundheitlichen, ökologischen oder Tierschutzgründen gegen Fleisch entscheiden, der Bedarf wird in den USA weiter wachsen. 

Sie haben trotzdem auch eine „Better Burger“-Kette im Portfolio. Wird es in diesem Segment dafür Einbußen geben? Die Amerikaner lieben doch eigentlich Fleisch und Burger …

Ja, natürlich. Der Better-Burger-Trend ist immer noch stark. Aber dadurch wächst auch die Konkurrenz. Jeder versucht momentan mit einem qualitativ hochwertigen Fast-Food-Produkt erfolgreich zu sein. Aber auch hier haben wir den Vorteil, dass wir mit Super Duper Burgers ein solches Konzept schon seit 2010 betreiben und eine entsprechende Bekanntheit und Marktdurchdringung haben.

Markt ist ein gutes Stichwort. Wie würden Sie die Gastroszene in San Francisco charakterisieren? Wo liegen die Besonderheiten?

Zuallererst ist er geprägt von riesiger Konkurrenz. Es gibt dutzende neue unabhängige Restaurants jedes Jahr, deren Betreiber extrem gut ausgebildet, qualifiziert und kreativ sind. Trotzdem bestehen viele in diesem Markt nicht langfristig, weil ihnen die Erfahrung fehlt, um wirklich alle Aspekte zu erkennen, die ein Restaurantkonzept erfolgreich machen. Manches, wie etwa die langfristige Personalplanung, scheint dabei anfangs unwichtig, entscheidet dann aber doch über Erfolg oder Misserfolg.

Sie haben mit Back of House ein interessantes System entwickelt, wie junge Köche sich mit ihren Konzepten innerhalb der Gruppe verwirklichen können. Wie funktioniert es? 

Wenn wir sehen, dass ein Koch talentiert ist, kann er mit seinem spezifischen Background ein neues Restaurantkonzept mitgestalten und wird zum Partner, der das Restaurant führt. Wir helfen ihm im Hintergrund beim Einkauf, bei der Buchhaltung und beim Management. Dinge, die Köche meist eher ungern machen. Bei unseren Restaurants El Techo de Lolinda, Flores und Lolinda haben wir mit Alejandro Morgan beispielsweise jemanden, der lateinamerikanische Küche wirklich lebt. Viele unserer Mitarbeiter haben so ihre Karriere begründet.

Sie haben mit dem Taylor's Son gerade wieder ein neues Restaurant eröffnet. Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen im Restaurantgeschäft in der Bay Area? 

 Momentan ist es leider ein Alptraum, hier ein Restaurant zu eröffnen. Es wird immer teurer, weil die Materialpreise steigen und sich die Lieferungen für die Einrichtung ständig verschieben. Außerdem sind die Vorschriften auf lokaler und regionaler Ebene sehr streng. Ist man endlich fertig, fehlt qualifiziertes Personal. Mittlerweile muss man froh sein, wenn man überhaupt welches findet. So den Gästen ein qualitativ hochwertiges Angebot zu machen, wird dadurch immer schwerer.

Das hat unter anderem mit der Krise der letzten zwei Jahre zu tun. Wie geht es weiter, wenn alles vorbei ist?

Schwer zu sagen. Aber ich glaube, dass es zumindest kurzfristig gesehen teurer wird, essen zu gehen. Außerdem wird das Thema Gesundheit in der Gastro ein großer Trend werden und auch längerfristig bleiben. Davon bin ich überzeugt.

Herr Paganini, vielen Dank für das Gespräch! 

 

Adriano Paganini

Adriano Paganini nennen seine Kollegen gerne den „Anti-Snob“ der Gastroszene. Mit viel harter Arbeit hat es der Sohn eines italienischen Schneiders mit seiner Back of the House-Gruppe zu elf Restaurants und einer eigenen Burger-

Kette gebracht.

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