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In Vitro Veritas
Liegen im künstlich gezeugten Tierfleisch Heil und Zukunft einer neuen Ernährungsgeneration und wird es von Relevanz für die Gastronomie sein? FRISCH hat recherchiert.
Noch bevor das Jahr zu Ende geht, werden In-vitro-Fleischprodukte in Restaurants in Asien und den USA angeboten, war Josh Tetrick, Mitgründer und CEO des US-Laborfleischherstellers Just Meat Anfang 2018 überzeugt. Mit dem Timing hat es nicht ganz geklappt – bis heute wurde weltweit kein einziges Stück Fleisch aus Laborzüchtung verkauft. Dennoch: Die Maschinen laufen heiß, wenn es darum geht, schon bald marktreife Fleischprodukte aus dem Labor zu präsentieren. Nicht nur bei Just Meat. Großes Marktpotenzial sehen darin potente Investoren wie etwa Bill und Melinda Gates ebenso wie globale Nahrungsmittel- und Agrarkonzerne. Sie pumpen Unsummen in Start-ups, um deren Produktentwicklung voranzutreiben und zu den Pionieren einer neuen Art von Lebensmittelherstellung zu gehören. Wie schnell In-vitro-Fleisch auf den Markt kommen kann, hängt nicht zuletzt von ihren finanziellen Gaben ab. Zwei jener Unternehmen, die bereits öffentlichkeitswirksam ein Stück Zuchtfleisch präsentieren konnten, sind Mosa Meat, ein Spin-off der Universität Maastricht, und das israelische Start-up Aleph Farms. Die Niederländer planen die Einführung eines „Premium-Produkts“ bereits 2021, die zellbasierten Steaks der Israelis soll es ab Ende 2022 geben. Freilich unter der Voraussetzung, dass bis dahin die Lebensmittelbehörden in den USA und der EU die Zulassung erteilt haben. Aleph Farms geht davon aus, mit ihren Steaks aus dem Inkubator künftig mehrere Milliarden US-Dollar zu verdienen. Dabei haben sie aber ebenso hehrere Ziele im Sinn: Das Unternehmen möchte im Zentrum eines „nachhaltigen globalen Nahrungsökosystems“ sein.
Fleisch aus dem Valley
Geht es nach dem deutschen Philosophen Richard David Precht, dann läutet In-vitro-Fleisch ein neues Zeit-alter der Ernährungswirtschaft ein. „Ein gewaltiger Durchbruch“ sei nahe, weissagte er 2017. In Zukunft werde Fleisch nicht mehr von deutschen Züchtern kommen, sondern aus dem Silicon Valley. Das hat zur Folge, dass Aufzucht, Mast, Zerlegung und Fleischverarbeitung sowie Futtermittelerzeugung im großen Stil mehr und mehr obsolet werden könnten. Egal, ob pflanzlich oder in vitro, wenn sich Fleischalternativen durchsetzen, dann „werden viele aus der Wertschöpfungskette herausfallen“, sagt Carsten Gerhardt, Partner und Landwirtschaftsexperte der internationalen Unternehmensberatung A.T. Kearney. Folgt man dem Philo-sophen Precht, so ist es genau das derzeitige System der Fleischerzeugung, das viel Raum für alternative Produkte schafft: „Es widerspricht der ökonomischen Vernunft, ein ganzes Schwein zu züchten, um einzelne Teile davon zu verwerten.“ Diese Meinung vertrat übrigens schon Winston Churchill in seinem Essay „Fifty Years Hence“: „Wir müssen die Absurdität beenden, ein ganzes Huhn heranzuziehen, um die Brust oder den Flügel zu essen, indem wir diese Teile einzeln züchten", orakelte der tierliebende britische Premierminister 1931. Seine Vision ist nun Wirklichkeit: Fleisch kann – wenn derzeit auch nur in kleinen Mengen – so gezüchtet werden, wie man es braucht und haben möchte.
„Echtes“ Fleisch aus dem Labor
Doch was genau ist dieses In-vitro-Fleisch, von dem sich viele eine Trendwende in der fleischlichen Versorgung der Menschheit versprechen? Es ist „echtes“ Fleisch, das nicht im Tier heranwächst, sondern im Labor. Die Schulmedizin kennt ein derartiges Verfahren übrigens schon seit langem und wendet es beispielsweise für die Züchtung menschlicher Hautzellen zu Transplantationszwecken an.
Die Basis für das Kunstfleisch stellen aus einem Lebendtier gewonnene Stammzellen aus dem Muskel- und Fettgewebe dar. Aus diesen entsteht im Labor mittels biotechnologischer Verfahren Zuchtfleisch. Die Stammzellen vermehren sich in einer Lösung aus Zucker, Aminosäuren, Mineralien, Vitaminen und einem Wachstumsserum und entwickeln sich darin zu Muskelzellen. Dies erfolgt automatisch, weil die Zellen vordeterminiert sind. Im Bio-Reaktor entwickeln sich die Muskelzellen unter speziellen Bedingungen zu Muskelfasern und bilden eine mehr oder weniger ähnliche Fleischstruktur aus. Um ihr Laborsteak dem echten Pendant in Geschmack, Textur, Aussehen und Form in nichts nachstehen zu lassen, entnehmen die Entwickler von Aleph Farms einer Kuh gleich vier verschiedene Zellarten: Stützzellen für die Gewebestatik, Fettzellen für den Geschmack, Muskelzellen für die Textur und Blutzellen für die Farbe. Bis das In-vitro-Steak fertig ist, dauert es rund drei Wochen. Wie sich das Steak schließlich formt, bleibt freilich ein Geheimnis. Dass bei Fleisch aus der Petrischale gerne von „Clean Meat“ gesprochen wird, ist derzeit allerdings eher einem geschickten Marketing zu verdanken als dem Produkt selbst. Ethisch umstritten ist insbesondere die Verwendung von fötalem Kälberserum – einem wichtigen Bestandteil im Nährmedium. Für dessen Gewinnung wird aus dem schlagenden Herzen eines ungeborenen Fötus Blut entnommen. Was den Tod von Mutter und Kind bedeutet. Um aber auch hier eine saubere Lösung zu finden, arbeiten Unternehmen wie Just meat oder Mosa Meat bereits an Alternativen auf Pflanzenbasis. Mark Post, wissenschaftlicher Leiter von Mosa Meat, betont, dass seinem Unternehmen das Serum nur noch als Referenz diene und bereits pflanzliche Proteine zum Einsatz kommen, um das Wachstum der Zellen anzuregen. „Die nächste Generation von Hamburgern wird ganz ohne Kälberserum entstehen“, ist er überzeugt.
Geht es um die Reinheit des Produktes an sich, dann kann Laborfleisch aber durchaus als „clean“ bezeichnet werden, denn um Tierfleisch zu erzeugen, werden Hormone und Antibiotika verwendet und im pflanzlichen Fleischersatz, der ein hochgradig verarbeitetes Lebensmittel ist, finden sich zahlreiche Zusatzstoffe wie Bindemittel, Gewürze und Aromen.
Kostenfrage
Hemmschuh für die Massenproduktion sind bis dato die hohen Kosten. Die Herstellung der In-vitro-Produkte ist äußerst komplex und teuer, der Output noch gering und damit sind die Produkte ebenfalls noch zu teuer. Der weltweit erste In-vitro-Burger, der 2013 vom niederländischen Forscher Mark Post präsentiert wurde, hatte einen Preis von unglaublichen 250.000 Euro. Zwar ist der Preis für Kunstfleisch in der Zwi-schenzeit deutlich gesunken, dennoch handelt es sich im Vergleich zu konventionellem Fleisch noch um ein Luxusprodukt. Ein Chicken-Nugget von Just meat kostet aktuell immerhin noch zwischen 50 und 100 Dollar in der Produktion. Das circa zehn Zentimeter lange und an die 50 Gramm schwere Steak von Aleph Farms wurde Anfang 2019 mit 50 Dollar bepreist. Der Preis sei in diesem Entwicklungsstadium nicht übertrieben, meinte CEO Didier Toubia gegenüber dem Handelsblatt:
Sobald man in großem Stil produziere, werde sein Steak erschwinglich sein. „Bei einem Preis von 40 Dol-lar pro Kilo könnte Laborfleisch massentauglich werden“, meint Gerhardt von A.T. Kearney. Diese Schwelle könnte bereits 2030 erreicht sein, heißt es in einer 2019 präsentierten Unternehmensstudie zum Thema. Laura Gertenbach, Gründerin des deutschen Start-ups Innocent Meat, will sich beim Preis für Laborhackfleisch an den ca. zwei bis drei Euro für 500 g herkömmliches Hackfleisch orientieren. In der Anfangsphase werde Kunstfleisch als Premium-Produkt in den Markt einsteigen, glaubt Gerhardt – ähnlich dem Pflanzenburger namens „Impossible Burger“, der 2016 in den USA als Besonderheit in ausgewählte Restaurants eingeführt wurde und mittlerweile unter anderem auch bei Burger King erhältlich ist.
Saubere Alternative?
Zum Kreis der künftigen Abnehmer zählen Clean-Meat-Produzenten keineswegs Vegetarier oder Veganer. Allein die tierische Komponente im Produkt macht das unmöglich. Vielmehr geht es darum, Fleischesser umzustimmen und eine „saubere“ Alternative zur Massentierhaltung und zu ihren umwelt- und tierschädigenden Auswirkungen zu bieten. Wenn Fleischesser zu Fleischersatz greifen, würden sie eher zu kultiviertem Fleisch als zu pflanzlichen Produkten greifen, meint Gerhardt von A.T. Kearney: „Das ist viel näher an echtem Fleisch. Wer überhaupt kein Fleisch ist, wird auch kein kultiviertes Fleisch essen. Menschen, die Fleischersatz kaufen, mögen die Textur und den Geschmack von Fleisch, haben aber ein Problem mit den negativen Auswirkungen auf das Tierwohl und die Umwelt.“
Die traditionelle Landwirtschaft zu verdrängen, ist keinesfalls ein Bestreben. Auch der deutsche Koch und Wagyu-Rinder-Züchter Ludwig Maurer sieht In-vitro-Fleisch nicht als Alternative zu Fleisch, sondern als eine Möglichkeit, Massentierhaltung und damit Tierleid zu vermeiden: „Wenn Fleisch richtig erzeugt wird, in bäuerlicher Landwirtschaft, ohne Profit im Sinn, sondern mit einem ethisch korrekten Umgang mit den Tieren, dann hat es seine Berechtigung.“ Eine Tierzucht und -haltung auf ökologischer Basis erfordere allerdings „eine Rückbesinnung aufs Normale“: „Dann gibt´s halt nicht mehr jeden Tag ein Fleisch auf dem Teller. Die Lösung liegt für mich in einer Reduktion des Fleischkonsums und darin, dass Fleisch wieder einen anderen Stellenwert bekommt.“ Im Zuge dessen sei es auch erforderlich, dass Fleisch wieder teurer werde: „Das ist ja nicht normal, wenn das vegane Hackfleisch dreimal teurer ist als das tierische Hackfleisch vom gleichen Hersteller“, mokiert sich der Befürworter der ökologischen Landwirtschaft, dem es darum geht, „das Tier zu nutzen, aber nicht auszunutzen“. In-vitro-Fleisch erteilt er jedenfalls eine klare Absage: „Bei mir wird es das nie geben.“ Verteufeln möchte er das Kulturfleisch aber nicht: „In gewissen Bereichen wie beispielsweise in der Gemeinschaftsverpflegung kann es bestimmt einen Nutzen haben“, sagt Mauerer.
Schrumpfende Marktanteile
Eine Studie von A.T. Kearney kommt zum Schluss, dass die Massentierhaltung in naher Zukunft sogar schrumpft, auch wenn der Fleischmarkt global insgesamt weiterhin wachsen wird. Es verändern sich lediglich die Marktanteile: Die neuen Fleischalternativen und kultiviertes Fleisch graben gewöhnlichem Fleisch zunehmend den Rang ab. „Bereits 2040 werden nur 40 % der konsumierten Fleischprodukte von Tieren stammen“, so Gerhardt. Um sich auf dem neu entstehenden Absatzmarkt auch ein Stück vom Kuchen zu sichern und für die Zukunft vorzubauen, investieren vermehrt auch fleischverarbeitende Betriebe in die In-vitro-Pioniere. Das deutsche Start-up Innocent Meat arbeitet in Zusammenarbeit mit Experten aus der Zelltherapie und Automatisierungstechnik an einer Technologie, die Lebensmittelherstellern ermöglichen soll, automatisiert In-vitro-Hackfleisch im eigenen Produktionsbetrieb zu erzeugen. Gründerin Laura Gertenbach: „Wir möchten Unternehmen eine All-in-one-Lösung aus Bio-Komponenten, Soft- und Hardware bieten.“
Akzeptanz fraglich
Wie es um die Akzeptanz des kultivierten Fleischs beim Endkunden tatsächlich bestellt ist, kann derzeit nur gemutmaßt werden. Ob es der Konsument annimmt, werde am Ende Frage eines „geschickten Marketings“ sein, meint Gerhardt von A.T. Kearney: „Wenn man sich die Fleischskandale der letzten Jahre ansieht, einschließlich der aktuellen COVID-19-Fälle, dann spricht einiges für kultiviertes Fleisch.“ Andererseits hätte Corona noch stärker gezeigt, wie wichtig den Menschen Regionalität, Nachhaltigkeit und bewusster Genuss seien, sagt Christof Widakovich, Geschäftsführer und kulinarischer Patron des Restaurants Schlossberg sowie Mitentwickler der El Gaucho-Restaurants: „Man will wissen, woher seine Produkte stammen – quasi vom Produzenten bis zum Teller im Wirtshaus. Man will emotional und mit ruhigem Gewissen genießen können und als „Fleischesser“ vor seinem inneren Auge ein glückliches Tier sehen, das sein Leben genossen hat. Die Vorstellung, dass das Schnitzerl am Teller aus dem Reagenzglas kommt, ist emotionslos. Es wurde quasi leblos gezüchtet – für mich persönlich keine gute Vorstellung, da höre ich noch eher sofort auf, Fleisch zu essen.“ Das Thema komplett verneinen wolle er dennoch nicht: „Es gibt für alles eine Zielgruppe. Das Qualitätsdenken ist nicht in allen Kulturkreisen so verankert, wie bei uns, speziell im europäischen Raum.“ Dennoch glaubt auch Widakovich, dass es In-vitro-Fleisch irgendwann einmal ganz normal am Markt geben wird: „Es wird sicher nicht mit dem klassischen ‚Genussprodukt Fleisch‘, so wie wir es kennen, konkurrenzfähig sein.“ Dass es in der Gastronomie eine große Rolle spielen werde, kann er sich persönlich aber nicht vorstellen: „Eher sehe ich es in Notfall- und Krisensituationen beziehungsweise -regionen, wo man einfach nicht die Möglichkeiten zur herkömmlichen Landwirtschaft und artgerechten Haltung hat, oder zu Überlebenszwecken. Dann ist das aber natürlich auch eine Preisfrage.“
Der Tatsache, dass sich In-vitro-Fleisch mit natürlichem Fleisch wird messen müssen, sind sich auch die Hersteller bewusst. Nicht umsonst holen sie sich viele Chefköche ins Boot. Der US-Hersteller Impossible Foods beispielsweise hatte sich für den Launch seines Pflanzenburgers ganz bewusst Chefköche hochpreisiger, auf Fleisch spezialisierter Restaurants gesucht. Quasi als Beweis, dass der Impossible Burger geschmacklich den Vergleich mit seinem fleischlichen Pendant nicht zu scheuen braucht. „Wir gehen davon aus, dass kultiviertes Fleisch eine ähnliche Route einschlagen wird“, so der Experte von A.T. Kearney. Für den CEO von Aleph Farms ist dieser Weg bereits fix vorgesehen: Restaurants zuerst, dann der Handel. Für den Anfang lässt das Unternehmen schon mal Amir Ilan, Küchenchef im israelischen Restaurant Paris Texas, die verschiedensten Zubereitungsarten für ihr Zuchtfleisch durchexerzieren.
Weniger Umweltbelastung
An Vorteilen, die bei der Vermarktung ins Treffen geführt werden können, mangelt es jedenfalls nicht: Abgesehen vom vermiedenen Tierleid und der weit geringeren Umweltbelastung wächst Fleisch aus dem Bioreaktor auch ohne Hormon- und Antibiotika-Beigabe heran. Die Herstellung ist deutlich zielgerichteter auf das Endprodukt Fleisch ausgelegt, der damit verbundene Energieaufwand daher auch geringer. A.T. Kearney rechnet vor, dass die Produktion von 1 kg Fleisch ca. 7 kg Getreide benötigt. Kultiviertes Fleisch könnte die Flächen- und Düngeproblematik deutlich reduzieren. Ob sich der Konsument davon beeindrucken lässt, bleibt abzuwarten. „Für den Verbraucher spielen Umwelt und Tierwohl am Supermarkt- regal eine untergeordnete Rolle. Er denkt erst einmal an sich und seinen Genuss“, meint Michael Siegrist, der an der ETH Zürich das Verhalten von Konsumenten erforscht. Geht es um die Einführung neuer LeDass Fleisch eines Tages komplett verschwinden könnte, ist zum jetzigen Zeitpunkt betrachtet unwahr-scheinlich. „Fleisch verkörpert Wohlstand und Macht, deshalb fällt es den Menschen extrem schwer, darauf zu verzichten“, meint dazu der Ernährungspsychologe Christoph Klotter. Christof Widakovich, der laut Eigenaussage In-vitro-Fleisch „recht skeptisch“ gegenübersteht, führt einen anderen Grund ins Treffen: „Lebensmittel generell sind in meinen Augen etwas sehr Kostbares, das man pflegen muss und mit dem man sorgsam umgehen sollte. Als Koch und Jäger ist Fleisch für mich eines der wertvollsten Güter. Es steht auf natürliche Weise in seinem natürlichen Kreislauf seit Ewigkeiten auf unserem Speiseplan.“ Auch wenn es dem Küchendirektor der El Gaucho-Restaurants zufolge hinsichtlich ökologischem Fußabdruck „definitiv Handlungsbedarf“ in Sachen Fleischerzeugung gäbe, bezweifelt er, dass in vitro gezüchtetes Fleisch der richtige Weg ist: „Meiner Meinung nach sollte ein solches Produkt nicht künstlich hergestellt und der natürliche Kreislauf nicht aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Für mich ist das eine sehr gefährliche Thematik. Man produziert etwas, das einfach nicht in der Natur vorhanden ist. Überspitzt gesagt, ist es ein Eingriff in unsere über Jahre geprägte Evolution. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es im Hinblick auf die Qualität dem herkömmlichen, auf natürliche Weise gezüchteten Fleisch das Wasser reichen können wird.“ Lebensmittel, seien viele Konsumenten erst einmal skeptisch. Gertenbach von Innocent Meat hingegen ist überzeugt: „Die heranwachsende Generation versteht die Notwendigkeit von In-vitro-Fleisch.“
Fleischmagie
So funktioniert die Fleischproduktion in der Petrischale
1. Entnahme von Muskelstammzellen durch Muskelbiopsie.
2. Kultivierung der Zellen in einem Nährmedium. Die Zellen vermehren sich (Proliferation).
3. Die Stammzellen durchlaufen die sogenannte Myogenese (Muskelentwicklung). Dieser Prozess findet in einem Bioreaktor statt. In diesem werden die Zellen mit Nährmedium versorgt und unter idealen Bedingungen gehalten.
4. Ca. 20.000 dieser Muskelfasern wurden bei der Herstellung des ersten In-Vitro-Burgers verwendet.
5. Der erste so hergestellte IN-Vitro-Burgerpaddy kostete noch 250.000 Dollar. Schon 2030 soll ein ganzes Kilo In-Vitro-Fleisch nur noch 40 Dollar kosten. Dann Könnte es auch Massen-tauglich werden.
„Es ist eine ethische Entscheidung.“
Didier Toubia, Mitbegründer und CEO des israelischen Start-ups Aleph Farms, will in spätestens drei Jahren Steaks aus Zellkulturen auf den Markt bringen. FRISCH hat nachgefragt.
Was spricht für In-vitro-Fleisch?
Hochrechnungen gehen von einem Anstieg der Weltbevölkerung auf zehn Milliarden Menschen bis 2050 aus, daher müssen wir aktiv nach Lösungen suchen, für einen sauberen Planeten, auf dem es jedem gut geht, zu sorgen. Aleph Farms ebnet als Pionier im Bereich von kultiviertem Fleisch den Weg dafür. Unsere dünngeschnittenen Steaks haben den gleichen Geschmack, die gleiche Textur und Nährstoffqualität wie konventionelle Steaks und gedeihen ohne Tierleid und mit weit weniger Auswirkungen auf die Umwelt. Das gibt die Möglichkeit, auch weiterhin sein geliebtes Steak zu essen im Bewusstsein, damit auch eine ethische Entscheidung zu treffen, für die Umwelt und einen gesunden Planeten für zukünftige Generationen. COVID-19 ist die jüngste Mahnung für das Joch der Massentierhaltung in Sachen Ernährungssicherheit, Lebensmittelsicherheit und Klimawandel. Der steigende Appetit auf Fleisch fördert die Kosteneffizienz und vermindert die Qualität und Sicherheit sowie Hygiene in den Betrieben und bei den Mitarbeitern. Die automatisierte und digitale Produktion von kultiviertem Fleisch braucht keine Antibiotika, erfolgt ohne Schlachtung und Kontakt zwischen Arbeitern und Gewebe von Lebendtieren – was das Risiko einer Keimresistenz sowie von Lebensmittelkrankheiten und Krankheiten bei Mitarbeitern der Tierfleischindustrie vermeidet.
Außerdem verfolgt Aleph Farms das Ziel, bis 2020 kohlenstoffneutral zu sein. Wir prognostizieren, bis 2023 Wasser in der Menge eines Drittels des jährlichen Wasserverbrauchs der Schweiz und bis 2050 Landverbrauch in der Größe von Spanien einzusparen. Das ermöglicht uns, lokal zu produzieren, selbst dort, wo nur limitierte und schlechte Ressourcen vorhanden sind. Zudem erlaubt uns die Produktion in kurzen Zyklen von drei Wochen eine Real-Time-Anpassung und eine Flexibilität zwischen Angebot und Nachfrage während globaler Zusammenbrüche.
Wann wird es möglich sein, In-vitro-Fleisch in größeren Mengen zu produzieren? In den Medien wurde ein Markteintritt von Aleph Farms im Jahr 2022 angekündigt …
Unsere Pläne sind nach wie vor die gleichen: Wir planen, die Entwicklung des ersten kommerziellen Pro-dukts Ende 2020 abzuschließen. 2021 stellen wir das Produkt auf eine Massenproduktion um und bauen unsere erste BioFarm. Diese soll bis Ende 2022 einsatzbereit sein. Je nach Fertigstellung erfolgt der kom-merzielle Launch Ende 2022 beziehungsweise Anfang 2023. Wir sind mit verschiedenen strategischen Part-nern in Gesprächen, da sich Kulturfleisch im Landwirtschaftssektor immer mehr als eine Erweiterung in der Produktion von Fleisch herauskristallisiert. Fixe Partner sind bereits die Migros-Sparte M-Industrie sowie der US-Agrarkonzern Cargill.
Wie viel wird Ihr Produkt kosten? Mit welchem Preis möchten Sie in den Markt einsteigen?
Im April dieses Jahres haben wir das Design unserer Pilot-BioFarm abgeschlossen und wir haben bereits einen Meilenstein in der Kostenreduktion mit unserer einzigartigen Technologieplattform erreicht. Wie bei jedem neuen Lebensmittelprodukt, das auf den Markt kommt, werden unsere Produkte am Anfang ein wenig teurer sein als geschlachtetes Fleisch. Mit dem Bau von großflächigen BioFarmen wird der Preis zurückgehen und innerhalb weniger Jahre beim Preis mit geschlachtetem Fleisch gleichauf liegen.
An welche Zielgruppe richtet sich Aleph Farms und wo werden ihre Produkte zuallerst erhältlich sein?
Unsere Zielgruppe sind Fleischesser, die 95 % der Gesellschaft ausmachen, sowie konventionelle Fleischunternehmen. Kultiviertes Fleisch ist keine Alternative zu Fleisch, aber eine bessere Alternative zum industriellen Fleischherstellungsprozess.
Unterstützt von Cargill und Migros, die kultiviertes Fleisch als eine Line Extension betrachten, und durch globale Partnerschaften mit Viehfarmern, Küchenchefs und Technologieprovidern führen wir eine neue Kategorie von Fleischprodukten an, die laut A.T. Kearney bis 2040 einen 35 % Anteil am 1,8 Billionen US-Dollar schweren Fleischmarkt haben wird.
Wir beabsichtigen unsere Produkte in limitierter Form zuerst in der Gastronomie und Hotellerie zu launchen. Wir arbeiten mit Küchenchefs als Partner, um eine einzigartige kulinarische Signatur zu entwickeln. Wir glauben, dass uns die Interaktion zwischen Konsumenten, Koch und unserem Produkt in Form von Speisenangeboten ermöglicht, mehr konstruktives Feedback zu erhalten.
Produzieren Sie nur Steaks oder auch andere Fleischprodukte?
Um den stärksten Eindruck in Bezug auf die nachhaltige Entwicklung unserer Welt zu erreichen, werden wir zuerst Fleisch produzieren, mit dem die Konsumenten vertraut sind. Wir sehen die Wichtigkeit im Erbe, Qualitätsfleisch zu essen und den Aspekt der kulturellen Erfahrung von Fleisch widerzuspiegeln. Der erste Typ von Fleisch, den wir kultivieren, ist Beefsteak da es in vielen Kulturen das qualitativ höchstwertige Fleisch ist und die Zucht von Rind einen signifikant höheren ökologischen Fußabdruck hat als andere Fleischarten. Aleph Farms’ technologische Plattform ist allerdings auch für andere Fleischarten geeignet.
Wann rechnen Sie mit einer Lebensmittelzulassung?
Wir gehen abhängig vom jeweiligen Land von einer behördlichen Genehmigung in Bezug auf die Sicherheit und Qualität von Produkten und Betriebsstätten im Laufe des Jahres 2022 aus. Es ist ein Lernprozess sowohl für die Produzenten von kultiviertem Fleisch als auch für die jeweiligen Aufsichtsbehörden.
Zum Unternehmen
Aleph Farms prägt die Zukunft der Nahrungsmittelerzeugung durch die Herstellung von kultiviertem Fleisch, das konventionellem Fleisch stark ähnelt. Um Fleisch aus Zellkulturen herzustellen, werden einer lebenden Kuh Zellen entnommen, die dann außerhalb des Tierkörpers vermehrt werden. Dies geschieht ohne Antibiotikagabe, Kontaminierung und Tierhaltung und schont die Ressourcen. Aleph wurde vom globalen Nahrungsmittelhersteller Strauss Group und von Technion, der Technischen Universität Israels, gegründet.