Eine kurze Netzsuche zeigt es sofort: So genannte Concierge-Apps sind stark im Kommen. Das sind Dienstprogramme fürs Smartphone, die die Aufgaben traditioneller Empfangschefs übernehmen. Mit ihnen können Gäste digital einchecken, ihr Zimmer aufschließen oder beim Zimmerservice bestellen. Immer mehr Menschen schätzen an der neuen Hotel-App-Generation die gestiegene Unabhängigkeit und die große Zeitersparnis, die sie mit sich bringen. Außerdem ermöglichen sie vieles kontaktlos – aktuell ein nicht ganz unwichtiges Argument für die digitalen Helfer. Prof. Dr. Vanessa Borkmann, Leiterin des Innovationsnetzwerks „FutureHotel“ des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart, sieht dabei auch für die Hoteliers viele Vorteile: „Concierge-Apps werden in Hotellerie und Gastronomie immer wichtiger. Treiber dieser Entwicklung sind neben smarten Servicekonzepten, wie dem digitalen Self-Check-in auch neue Möglichkeiten, den Gast über die App auf Zusatzangebote und Upgrades hinzuweisen.“
Für Hoteliers wird Letzteres auch deshalb interessant, weil jüngste Marktstudien belegen, dass die Verbraucher immer mehr Geld in mobilen Anwendungen ausgeben und die Nachfrage stetig wächst. So wurde der globale Markt für eConcierge-Services 2018 auf 537,6 Mio. US-Dollar geschätzt und soll laut Grand View Research bis 2025 jährlich um über 5 % wachsen. In diesem Zusammenhang besonders beachtlich für die Tourismusbranche: eCommerce-Ausgaben zeigen im Reisebereich mit 37 Mrd. Euro gerade in Deutschland ein besonders hohes Umsatzvolumen.
Vollkontakt-Hotellerie
Hoteliers können von dieser Entwicklung via App profitieren. „Concierge-Apps helfen, über Distanz mit dem Gast in Kontakt zu bleiben. Durch sie ergeben sich viele Möglichkeiten für individualisierten und personalisierten Service“, weiß Prof. Borkmann. Etwa, wenn der Gast schon, während er noch unterwegs ist, am Smartphone einstellen kann, wie viel Grad warm sein Zimmer sein soll, wenn er die Tür aufsperrt. Oder wenn durch die Einbindung von Kooperationspartnern wie Restaurants, Blumengeschäften oder Theatern viele zusätzliche Leistungen direkt über die App buch- und verrechenbar werden. Das alles könnten in Zukunft wichtige Wettbewerbsfaktoren sein, meint Tourismus-Expertin Borkmann.
Mittlerweile gibt es zahlreiche Unternehmen am Markt, die unterschiedliche Formen von eConcierge-Anwendungen anbieten, die sich technisch unterscheiden und jeweils andere Schwerpunkte bei den Features setzen. Trotzdem sind manche Hoteliers noch zögerlich. Aus der Digitalisierungs-Studie „Hotellerie 4.1“, die 2019 von der Unternehmensberatung Roland Berger in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) veröffentlicht wurde, geht klar hervor, dass viele die Auswirkungen der Digitalisierung zwar als weitreichend empfinden, aber es offensichtlich noch einiges an Boden gutzumachen gilt. Ein Großteil der Befragten schätzte demnach das eigene digitale Angebot im Hinblick auf die Customer Journey als mäßig ein. Doch woher kommt das Zögern? „Viele Hoteliers haben Hardware-Investitionen getätigt, die sie so schnell nicht abschreiben können und wollen. Sie verbinden viel Mehraufwand mit der Entscheidung für eine App und haben Scheu vor der Digitalisierung. Dabei ist eine solche Anwendung als Tool schmerzfrei in jedes bestehende System integrierbar“, sagt Denis Severyuk, Vorstandsvorsitzender der HotelFriend AG. Für das Berliner Start-up läuft das Geschäft mit den Concierge-Apps derzeit auf Hochtouren: „Die Branche entwickelt sich sehr, sehr gut. In den letzten Jahren ging es mehr um Geschäftsfelderschließung und -optimierung. Jetzt geht es natürlich mehr um den Hygiene-Aspekt. Das hat den eConcierge-Markt in den letzten Monaten regelrecht potenziert“, so Severyuk weiter. HotelFriend bietet seit etwa 3,5 Jahren neben anderen Produkten eine mobile Concierge-App-Lösung an, die nicht nur für Gäste neue Möglichkeiten eröffnet. Denis Severyuk sieht vor allem im Marketingbereich, in der Planung und Steuerung von Geschäftsprozessen und Personal sowie in der Kostenreduktion wesentliche Vorteile: „Der Hotelbetreiber kann mit der App seine Kunden direkt ansprechen. Zum Beispiel per Push-Nachrichten Werbeaktionen fahren, wie für die „Happy Hour“ oder den gerade freigewordenen Massage-Slot. Die App ist ein tolles Marketingtool, mit dem er eine Umsatzsteigerung generieren und seine Kapazitäten voll ausschöpfen kann.“
Vorteil Big Data
Ein weiterer wichtiger Aspekt der App: Hotelbetreiber erhalten Einblicke in die Vorlieben ihrer Gäste, können die gesammelten Daten auswerten und später für Marketingzwecke und zur Prozessoptimierung im Betrieb einsetzen. „Analysefeatures sind bei unseren Kunden derzeit sehr stark gefragt. Sie können dadurch in Echtzeit sehen, wie Angebote und Services beim Gast ankommen. Tendenzen lassen sich besser erkennen, wie zum Beispiel welche Speisen bei bestimmten Personengruppen wie Familien bestellt werden. Das macht den Wareneinkauf effizienter und gibt für die Zukunft bessere Planungssicherheit. Wenn man die App als Gradmesser verwendet, ist es für den Hotelier jedes Mal wieder spannend, welche Einsichten am Ende dabei rauskommen. Zum Beispiel auch, dass die Fußmassage unter der Woche besser läuft als am Wochenende“, meint Severyuk.
Über Echtzeitbestellungen und den digitalen Check-in kann dann auch das Personal zielgerichteter eingesetzt und Prozesse besser geplant werden. Im Housekeeping zum Beispiel kann die Zimmerreinigung beschleunigt werden, lästige Verwaltungsarbeit an der Rezeption fällt weg und intelligente Chatbots können immer wieder gestellte Fragen automatisch beantworten. „Mit der HotelFriend-App verbinden wir ein Gastronomie- mit einem Hotelleriesystem. Aber wie und mit welchen Features die Anwendung genutzt wird, ist von Haus zu Haus unterschiedlich und richtet sich nach den jeweiligen Bedürfnissen der Kunden. Aus unserer globalen Bibliothek mit etwa 2.500 Services und zahlreichen Features kann sich der Betreiber die App individuell selbst zusammenstellen“, erklärt der HotelFriend-Chef. „Durch die Anwendung reduzieren sich letztendlich auch die Kosten, weil Hardware wie das Personal-Walkie-Talkie, das 80er-Jahre-Telefon auf dem Zimmer oder eine teuere IT-Infrastruktur nicht mehr gebraucht werden“, so Severyuk weiter.
Individuelle Lösungen
Große Hotelketten wie Marriott, Hilton und AccorHotels arbeiten dagegen bereits seit einiger Zeit erfolgreich mit ihren eigenen, maßgeschneiderten eConcierge-Lösungen. Marriott International zum Beispiel verfügt über eine mobile App, die an das hauseigene „Bonvoy“-Kundenbindungsprogramm andockt. Die Anwendung umfasst natürlich die Such- und Buchungsfunktionen, den Self-Check-in, Serviceanfragen in Echtzeit und Messaging-Dienste. Gäste können mit der App unter anderem auch frische Handtücher, Shampoo und Rasiersets anfordern und erhalten personalisierte Empfehlungen für Spa-Anwendungen, lokale Attraktionen, Restaurants sowie für bevorstehende Hotelveranstaltungen. Für „Bonvoy“-App-Nutzer passt sich die Anwendung dabei dynamisch an, um so das Gästeerlebnis während der gesamten Reise zu personalisieren. Die App zeigt etwa jeweils zum richtigen Zeitpunkt Inhalte und Funktionen an, die darauf basieren, welche Dienste ein Gast just in diesem Moment am wahrscheinlichsten benötigt. „Mit der innovativen Navigation der App fällt es unseren Gästen noch einfacher, ihren Aufenthalt mit mobilen Anfragen anzupassen“, so Neal Jones, Marriott Chef Sales & Marketing Officer für Europa.
Do it yourself
Doch nicht nur für die Big Player der Branche sind eConcierge-Lösungen interessant, auch kleinere Betriebe können von ihnen profitieren. „KMU werden Apps aus wirtschaftlichen Gründen und aufgrund der erforderlichen technischen Gegebenheiten nicht eigenständig entwickeln können. Sie benötigen Angebote, die sich in ihre digitalen Ökosysteme integrieren lassen“, sagt Prof. Dr. Vanessa Borkmann. Dafür gibt es mittlerweile einige Baukasten-Systeme auf dem Markt, für die die Kosten überschaubar bleiben und die sich auch an den eigenen Markenauftritt anpassen lassen. Appyourself etwa, eine Anwendung, die selbst über eine Web-Plattform individuell erstellt und gemanagt werden kann. Vorteil: Die App ist geräteunabhängig, läuft übers Web und muss nicht downgeloaded werden. Auch die Preise sind vergleichsweise günstig. Das Basispaket kostet 34 Euro pro Monat. Dafür müssen Hoteliers allerdings auch selbst eingreifen und Gäste weniger Rechenpower in Kauf nehmen. Zum Vergleich: Die HotelFriend-All-in-one-Lösung kostet ab 8 Euro monatlich pro Zimmer. Kunden haben bei dieser teureren Abo-Lösung Zugang zum cloudbasierten System und können es zum Beispiel selbst über das eigene Telefon ansteuern und auch Mitarbeiter einbinden.
Ein großer Vorteil ist dabei auch, dass man als Kunde meist auf die langjährige Erfahrung der App-Anbieter zurückgreifen kann: „Unsere Kunden profitieren enorm von der Community bzw. dem Know-how der anderen Hoteliers und unserer Programmierer. Da wir mit vielen Betrieben zusammenarbeiten, haben wir im Laufe der Zeit sehr viele Erfahrungen sammeln können“, wirbt HotelFriend-CEO Denis Severyuk für dieses Modell. Eine betreute Lösung von der Stange kann aber auch Nachteile haben: Kunden können die Software nicht so stark personalisieren und die Features der Anwendung sind vorgegeben. Außerdem ist meist ein Datenverarbeitungsvertrag mit dem Anbieter erforderlich, der über einen längeren Zeitraum bindet. Anschauen sollten sich Hoteliers die verschiedenen Lösungen auf jeden Fall, meint Prof. Dr. Borkmann vom Fraunhofer IAO: „Zu erwarten ist, dass sich die einschlägigen Apps in Hotellerie und Gastronomie immer weiter in die Lebenswirklichkeit der Gäste hinein entwickeln und immer mehr Services anbieten, die auch außerhalb des Hotels in Anspruch genommen werden. Im Trend liegt etwa die Anbindung von Mobilitätsdienstleistungen (Buchung und Bezahlung), das Ticketing und die Zugangsregelung (Online-Buchung von Tickets und Zeitslots für Erlebnisse, z. B. Sauna-Aufenthalte). Eine wichtige Veränderung ist auch der Trend zum bargeld- und kontaktlosen Bezahlen mit dem Smartphone. Biometrische Authentifizierung könnte dann als ein weiteres Merkmal in der Zukunft folgen.“ Klingt so, als ob Concierge-Apps gekommen sind, um zu bleiben.