Der Raum kann alles“, sagt Architektin Anna Popelka, die mit ihrem Büro PPAG architects für die preisgekrönte Neugestaltung des Steirerecks verantwortlich zeichnet. Die individuellen architektonischen Gegebenheiten eines Restaurants definieren dabei den natürlichen Rahmen. „Bei einem Neubau ist der Gestaltungsspielraum nahezu unbegrenzt, während ich bei einem Altbau die vorhandene Bausubstanz miteinbeziehen muss. Raumkonzept und Mobiliar müssen darauf abgestimmt werden“, konstatiert Matthias Windhorst vom Architekturbüro Geising & Böker.
ZUGÄNGE: VOM EINGANG ZU DEN TOILETTEN
Das beginnt beim Eingang. Für Architektin Popelka ist „der Weg vom Eingang zum Tisch, unfreiwillig oder nicht, eine Art Bühne“. Eingangsbereiche sollten daher räumlich großzügig, hell beleuchtet und mit einladendem Interieur bestückt sein. „Der sofortige Blickkontakt mit dem Personal ist für den Gast essenziell. Optische Barrieren gilt es zu vermeiden“, sagt Johannes Tretter, Innenarchitekt beim oberösterreichischen Gastro-Einrichtungsspezialisten id-werkstatt. Grundsätzlich eignet sich die Bar vorzüglich als Empfangsbereich, sofern sie nicht zu hoch gerät. Sie sollte in jedem Fall zwei Zugänge haben, um unerwünschte Staus des Service-Personals zu vermeiden.
Mit einer Bar lässt sich auch der Eingang zur Küche elegant kaschieren. Andere Möglichkeiten sind Pendeltüren, automatische Glastüren oder ein Personalraum zwischen Küche und Wirtsstube. „In jedem Fall sollten Einblicke auf die Spüle oder den Küchenboden dezidiert vermieden werden“, so Tretter. Ähnlich verhält es sich mit dem Zugang zu den Toiletten. Einerseits müssen sie auffindbar sein. Andererseits gilt es besonders das stille Örtchen vom Rest des Restaurants zu separieren. PPAG architects haben das Problem im „Steirereck" mit kulinarisch befüllten Vitrinen gelöst, gemäß der Devise „Ablenkung ist die beste Medizin“.
DAS GESCHÄFTSMODELL
Abhängig ist jedes Einrichtungskonzept naturgemäß vom zugrundeliegenden Geschäftsmodell. Jeder Gastronom versucht dabei zwei Faktoren in eine wirtschaftliche Balance zu bringen: den Umsatz pro Gast und die Dauer seines Aufenthalts. „Im Fine-Dining-Bereich wird ein Tisch daher nur ein bis zwei Mal pro Abend vergeben. Bei einem Burger-Lokal haben Sie eine Drehung der Tische von drei, vier oder fünf Mal“, erklärt Johannes Tretter. Im noblen Steirereck werden die Tische zum „Zuhause für einen Abend“. Die exklusivsten von ihnen befinden sich in eigenen Pavillons mit viel Platz und bester Aussicht. Andreas Flatscher bespielt die 62 Sitzplätze seines 87 m2 großen Bistrots dagegen mehrmals pro Abend, vorwiegend mit zwei Sitzbänken um einen Tisch. Anzahl und Größe der Tische sowie das Raumkonzept unterscheiden sich je nach Geschäftsmodell somit fundamental. Eine genaue Standortanalyse samt Zielgruppendefinition sollte dem Interieur daher stets vorangehen.
DIE RICHTIGE BESTUHLUNG ALS SCHLÜSSEL
Bei der Gestaltung des Gastraums kommt es also vor allem auf eines an: die richtige Bestuhlung. „Mit der richtigen Auswahl und Anordnung der Sitzmöbel steht oder fällt der wirtschaftliche Erfolg eines Restaurants“, erklärt Stephani Robson von der School of Hotel Administration an der renommierten Cornell University im US-Bundesstaat New York. Dabei lassen sich einige allgemein gültige Regeln identifizieren: In einem Lokal präferieren die Gäste aus evolutionsbiologischen Gründen intuitiv immer die Plätze, die sich am Rande des Gastraums befinden, z. B. an der Wand oder einer Säule. Freistehende Tische in der Mitte des Raums werden dagegen kaum geschätzt. Wohlbefinden definiert sich also nicht zuletzt über die gute alte Sitzbank.
TISCH- UND GRUPPENGRÖSSE ALS ERFOLGSFAKTOREN
Zwei Faktoren beeinflussen laut Stephani Robson ein erfolgreiches Sitzplatzkonzept am meisten: die Größe der Tische und die Anzahl der Gäste, die daran Platz nehmen. Als Faustregel gilt: Je größer die Gruppe, desto länger wird der Tisch besetzt bleiben. Größere Gruppen geben pro Kopf tendenziell weniger aus als zwei Personen, die zudem früher wieder gehen und weniger Service-Aufwand benötigen. Zweiertische weisen grundsätzlich eine höhere Frequenz und einen höheren Umsatz pro Gast auf. Sinnvoll ist es daher, möglichst viele Zweiertische aufzustellen, die bei Bedarf auch zu einer größeren Tafel kombiniert werden können. Am besten eignen sich dafür eckige Tische.
UMSATZBRINGER BAR
Nicht unterschätzt werden sollte auch das ökonomische Potenzial der Bar. „Wie unsere Daten zeigen, bleiben Gäste, die an der Bar essen, nicht nur am kürzesten, sondern bringen pro Minute auch am meisten Umsatz“, erklärt Stephani Robson. Eine ansprechende Gestaltung der Bar zahlt sich also aus. Komfortable Barhocker mit Rückenlehnen, die sich bewegen und genügend Beinfreiheit lassen, sowie Garderobehaken unter der Bar zählen zu den absoluten Must-haves. Nicht von ungefähr bildet die Bar in vielen Lokalen das eigentliche Zentrum.
ALLE WEGE FÜHREN ZUR KÜCHE
Um Sitzbereiche, Bar und Küche möglichst effizient miteinander zu vernetzen, bedarf es einer ausgeklügelten, aber einfachen Wegeführung. Entscheidend ist für Gastro-Planer Johannes Tretter dabei „eine klare Hauptverbindungsachse zwischen Küche und Tischen“. Die Architekten-Bibel „Bauentwurfslehre“ von Ernst Neufert legt dafür einen Abstand von 135–150 cm fest. „Natürlich muss auch jeder Tisch fürs Service gut sichtbar und erreichbar sein“, sagt Architektin Anna Popelka. Podeste zum Schaffen von Zonen empfehlen sich deshalb. Allerdings sollten die erhöhten Bereiche mit möglichst wenigen Stufen den Boden überragen. Eines gilt es bei der Wegeführung laut Johannes Tretter aber immer zu bedenken: „Wenn die Ausgänge von Küche und WC direkt nebeneinander liegen, nützt Ihnen das beste Einrichtungskonzept nichts.“