Mit der Luft atmen wir nicht nur Sauerstoff, sondern auch jede Menge Duftmoleküle ein. Bei jedem Einatmen bekommt das Gehirn eine „Duft-Information“, sagt der renommierte Geruchsforscher Professor Hanns Hatt: „Unser Wohlbefinden wird enorm von Gerüchen beeinflusst“, ergänzt der Professor für Zellphysiologie an der Ruhr- Universität Bochum. Wie wichtig der Geruchssinn ist, zeigt sich auch daran, dass wir ohne ihn Essen nicht genießen können – man denke nur an Schnupfen. Die Nase isst also immer mit.
Von allen Sinneswahrnehmungen ist der Geruchssinn der stärkste Auslöser von Emotionen und Erinnerungen. Das Gehirn speichert olfaktorische Sinneseindrücke über Jahrzehnte hinweg. Eine Duftkombination wird Hatt zufolge mit der Emotion, die wir im Moment der Duftaufnahme hatten, und den Bildern, die wir in diesem Moment gesehen haben, zusammen abgespeichert. Wird die gleiche Kombination an Duftstoffen zu einem späteren Zeitpunkt wahrgenommen, können die zusammen abgespeicherten Erinnerungen und Emotionen wieder wachgerufen werden. Das geschieht in Sekundenschnelle und natürlich ganz unbewusst.
Je nachdem, ob die mit einem bestimmten Duft abgespeicherte Erinnerung positiver oder negativer Natur ist, gehen wir beim wiederholten Wahrnehmen mit einer Situation im Hier und Jetzt innerlich in Widerstand oder nicht. Im positiven Sinne lässt ein Duft Glücksgefühle entstehen, im äußerst negativen Fall warnt er sogar vor einer Gefahr. Dann erfüllt der Geruch ebenso einen überlebenswichtigen Zweck: Was faul riecht, bekommt dem Körper meist nicht gut.
Wenngleich die Bedeutung und Bewertung von Düften eine sehr individuelle Angelegenheit ist, gibt es Düfte, die bei der Mehrheit der Menschen für ähnlich positive Resonanz sorgen. Bekanntestes Beispiel: der Zimt-Duft, der bei vielen weihnachtliche Gefühle weckt. Da dem so ist, können Düfte ganz gezielt eingesetzt werden, um bestimmte Reaktionen beim Menschen hervorzurufen. Anders gesagt: Mit Düften lässt sich gut verführen. Mittlerweile gibt es einige Unternehmen, die sich genau darauf spezialisiert haben und unter dem Begriff Duftmarketing unter anderem in der Gastronomie und Hotellerie Luft veredeln.
In der Gastronomie wird Duftmarketing meist im Eingangsbereich angewendet, um die ankommenden Gäste bereits beim Eintreten in eine Art Wohlfühlatmosphäre zu hüllen. „Es ist doch schön, wenn man ein Lokal betritt und es riecht einfach fantastisch“, lacht Wolfgang Kronlachner, geschäftsführender Gesellschafter der Liebhaberei, der im Eingangsbereich seines Lokals „Golden Bamboo – einen belebenden Duft aus sprudelnder Satsuma und Limetten- Kopfnoten, gemischt mit köstlichem Apfel und gemahlen mit Bambusholznoten“ versprüht. Golden Bamboo gehöre zu den sogenannten „Willkommensdüften“, erklärt er: „Wenn man ihn riecht, fühlt man sich sofort wohl“, so der Liebhaberei-Chef, dessen Team schon öfters gefragt wurde, „was denn da so gut duftet“.
Erster Eindruck
„Der erste Eindruck ist entscheidend. Wenn bereits beim Betreten des Restaurants alles nach Fritteuse riecht, wird sich der Gast nicht wohl fühlen. Er will die zubereiteten Gerichte genießen und nicht das Gefühl haben, dafür selbst in der Küche gearbeitet zu haben“, sagt Peter Wieser, Geschäftsführer von Aromea Airdesign, das eine umfangreiche Duftkollektion aus 100 % naturbelassenen Duftessenzen und hochwertigen Ölen aus nachhaltiger Produktion bietet. Das Ziel seines Unternehmens: Den richtigen Duft an die richtige Stelle bringen und damit bestenfalls eine Atmosphäre schaffen, in der Gäste gerne Zeit verbringen und ebenso gerne konsumieren.
Negative Geruchsemotionen
Die Gastronomie und Hotellerie ist geradezu prädestiniert dafür, denn Aromea zufolge hängt das Wohlfühlen eng mit einer gut riechenden Umgebung zusammen. Da negative Emotionen beim Riechen eines unangenehmen Dufts wesentlich intensiver sind als positive beim Riechen eines angenehmen Dufts, spricht vieles für das Duftmarketing. Abgestandene Luft, der Geruch nach Fett, Müll, Schweiß oder Rauch – womöglich noch zu einem Duftcocktail vermengt – können schon beim Öffnen einer Eingangstüre den Appetit verderben, an der Sauberkeit und Qualität der Küche zweifeln lassen und schlimmstenfalls dazu führen, dass der Gast erst gar nicht das Lokal betritt. Der Duft nach ofenfrischer Pizza hingegen lässt bei vielen das Wasser im Mund zusammenlaufen, noch ohne einen Blick auf die Menükarte geworfen zu haben. Vielleicht ruft er sogar Erinnerungen an einen Urlaub in Bella Italia wach.
Genau derartige, im Duftgedächtnis gespeicherte, allgemeine Erinnerungen abzurufen ist das Spezialgebiet von Duftmarketing-Experten wie Aromea. „Wir fangen typische Kopfbilder in verschiedensten Aromen ein, bereitet daraus hochwertige Raumdüfte und verweben diese über seine Duftlösungen mit der direkten Umgebung“, so Geschäftsführer Peter Wieser. Persönliche Duftvorlieben des Gastronomen haben hier nichts verloren: „Der Duft soll nicht in erster Linie dem Chef gefallen, sondern muss zum jeweiligen Haus passen“, betont er. Wie aber kommt man zum passenden Duft? „Ich schaue mir den optischen Auftritt des Unternehmens und das Ambiente der Räumlichkeiten an, dann schlage ich drei bis fünf Duftkompositionen vor und argumentiere, warum ich genau diese gewählt habe. Der Kunde muss natürlich auch wissen, was er mit seinem Unternehmen vermitteln will. Auch das soll sich im Duft widerspiegeln. Der Duft kann ebenso produktunterstützend sein“, erklärt der Aromea-Geschäftsführer und liefert gleich ein Beispiel dazu: „Bei einem Asiaten würde ich beispielsweise auf Düfte mit Lemongrass und Ginger setzen.“ Beides allgemein bekannte und olfaktorisch abgespeicherte Gewürze aus der asiatischen Küche.
Fein vernebelt
Die Veredelung der Luft erfolgt wahlweise mittels natürlicher, rein synthetischer und naturidenter Duftstoffe. Wieser: „Wir verwenden alle drei Varianten und je nach Duftrichtung gibt es unterschiedliche Mischungen dazu.“ Die Anwendung ist hypoallergen. Das hänge mit der patentierten Technologie und der geringen Dosierung zusammen. Das von Aromea verwendete Nano-System vernebelt den Duft derart fein, dass ein „trockener Nebel“ entsteht.
Der Vorteil rein synthetischer gegenüber natürlicher Duftstoffe ist dabei, dass damit ein wesentlich breiteres Spektrum an Düften hergestellt werden kann. Auch der ökologische Aspekt spielt eine wichtige Rolle. Wieser: „Für einen Liter Rosenöl brauche ich fünf Tonnen Rosenblüten. So gesehen ist die rein natürliche Variante eigentlich gar nicht vertretbar.“ Notwendig ist sie ebensowenig: Die Moleküle einer Pflanze können in ihrer Zusammensetzung kopiert und synthetisch hergestellt werden. Das Ergebnis sind naturidente, nachhaltig hergestellte, bezahlbare, stets in gleicher Qualität und Menge verfügbare Duftstoffe, die olfaktorisch ihrem natürlichen Pendant in nichts nachstehen.
Zum Verströmen der Düfte bieten Hersteller verschiedene Systeme. Zur Auswahl stehen Duftsäulen sowie kompakte Beduftungsgeräte zum Einbau in Lüftungen und Lichtschienen sowie für die Wandmontage. Der Vorteil professioneller Systeme: Durch die Möglichkeit der elektronischen Steuerung können sie an individuelle Bedürfnisse in Bezug auf Einsatzzeit und -dauer sowie Intensität optimal angepasst werden. Bei Einsatz vieler Geräte bieten Hersteller mittlerweile auch eigene Apps an, mit denen die Beduftung via Tablet oder Smartphone verwaltet und überwacht werden kann.
Punktuelle Akzente
Die Systeme zur Luftveredelung dienen je nach Einsatzgebiet nicht nur zum Verströmen angenehmer Gerüche, sondern auch dazu, unangenehme Gerüche zu überlagern und neutralisieren. Während in Hotels ein Duft durchaus ein wenig mehr hervorstechen darf wie beispielsweise im Wellnessbereich, steht im Restaurant und hier vor allem im Bereich von offenen Küchen die Funktionalität, also das Neutralisieren unangenehmer Gerüche, im Vordergrund. Je nach Restauranttyp ist eine Beduftung daher mehr oder wenig nützlich. Ein italienisches Restaurant wird auf eine Luftveredelung womöglich verzichten können, für ein Restaurant mit Schauküche, in der Burger gebruzelt werden, ist sie unverzichtbar. „Unsere Schauküche ist zwar ein echter Blickfang und die Gäste sind begeistert – aber die Gerüche ... Man will ja einen schönen Abend genießen und nicht danach alles waschen müssen, weil man nach einer Zwiebel-Pommes- Mischung riecht“, sagt LeBurger- Geschäftsführer Lukas Tauber, der auf „Orient Express“, eine Duftmischung mit Grapefruit, Basmati-Reis und Safran, setzt. Dabei geht es Tauber nicht um den Einfluss auf den Geschmack der Burger an sich: „Das komplette Ambiente spielt eine große Rolle. Nur wenn ich mich wohl fühle, kann ich auch in Ruhe das Geschmackserlebnis genießen.“
Genau für jene Zwecke dienen die kleinen, kompakten Geräte, die sich mittels Adapter perfekt in Lichtschienen verbauen lassen. Das Gerät kann in das Beleuchtungssystem über der Schauküche integriert und damit direkt über der Störquelle angebracht werden. Der Vorteil der Nanotechnologie kommt auch hier zum Tragen: Statt eines punktuellen Duftkegels, aus dem Tröpfchen auf den Boden fallen, wird der Duft in der Luft vernebelt. Die duftenden Moleküle spalten die Molekularverbindung der Fremdgerüche im Raum auf und machen sie geruchsneutral. Wieser von Aromea: „Der Fremdgeruch wird nicht überdeckt, sondern bekämpft.“
Dabei steht der eingesetzte Duft nicht im Vordergrund: „Man würde ihn erst dann merken, wenn man die Beduftung ausschaltet“, erklärt der Duftexperte und ergänzt: „Unsere Duftmischungen verfolgen mit Hilfe unterschiedlicher Duftkomponenten zwei Ziele: die Neutralisation schlechter Gerüche und die Luftveredelung.“ Bei den neutralisierenden Komponenten handle es sich um eine patentierte, chemische Verbindung, die stinkende Moleküle von Fett, Schweiß, Alkohol oder Rauch umformt. Sie beruhe auf natürlichen chemischen Reaktionen, sagt Wieser. Die luftveredelnden Noten sind klassische Duftnoten wie beispielsweise Holz, fruchtig oder frisch. Als Beispiel nennt er die Mischung „Cucumber Mint“, die neben den neutralisierenden Komponenten Gurke, Minze, Melone, Jasmin sowie Seerosen beinhaltet.
Den Geschmack von Gerichten zu beeinflussen, sollte tunlichst vermieden werden, weshalb von einer Luftveredelung im Essbereich abzuraten ist. „Der Genuss darf natürlich keinesfalls beeinflusst werden“, so Melanie Rebernak von El Gaucho am Rochusmarkt in Wien: „Man nimmt den Duft bei uns nur im Eingangsbereich und dann vielleicht noch ein paar Minuten lang wahr. Was aber natürlich sehr wichtig ist, wenn man unser Lokal betritt – und verlässt. Wenn man später sein Steak genießt, darf der Raumduft ganz natürlich und neutral sein. Es ist aber immer angenehm, einen duftenden Raum zu betreten.“
Duft als Merkmal
Bei der Dosierung ist laut den Experten darauf zu achten, unterhalb der Wahrnehmungsschwelle zu bleiben. Besser ein neutraler Geruch als ein Duft, der nach mehrmaligen Besuchen auf die Nerven geht. Olfaktorisch auffällig, aber nicht aufdringlich zu sein, erfordert Fingerspitzengefühl. „Es ist wichtig, dass man mit Geräten oder Düften die Gäste nicht stört“, sagt Franz-Josef Perauer, Geschäftsführer vom Vier-Sterne-Superior- Designhotel Zillertalerhof, wo die Lobby und Gänge beduftet werden: „Das Tolle an den Düften ist, dass sie sehr subtil wirken. Also, du hast nicht das Gefühl, dass dich ein Duft-Walzer überrollt und du ihn nach zwei Tagen schon nicht mehr riechen kannst.“ Ein zu aufdringlicher oder penetranter Duft kann schnell das Gegenteil der erwünschten Wirkung erzielen.
Ein als angenehm wahrgenommener Duft hingegen schafft nicht nur ein angenehmes Ambiente, das zum Wohlgefühl beiträgt, es erhöht bestenfalls ebenso die Verweildauer der Gäste und schafft eine emotionale Verbindung zum Lokal. Kenan Koc, Geschäftsführer des veganen Fast-Vood-Restaurants Space Burger, glaubt, dass ein Duft ebenso den Umsatz in seinem Lokal steigern kann: „Düfte sind sicherlich ein sehr starkes Instrument. Sie fungieren unterschwellig und beeinflussen mit Sicherheit die Gemütsstimmung der Menschen. Wir wollen damit erreichen, dass sich die Gäste wohl fühlen und wiederkommen.“
Duften als Markenzeichen
Derart eingesetzt können Düfte auch Teil der Corporate Identity sein: Die Markenwerte werden damit auf einer zusätzlichen Ebene vermittelt und die Gäste können das jeweilige Unternehmen auch olfaktorisch erfahren. „Bei unseren fünf Standorten setzen wir auf gewisse Einrichtungsmerkmale, die unsere El Gaucho-Erfahrung authentisch machen. Beispielsweise die offene Showküche oder unsere gläsernen Wein-Vitrinen. Merkmale, die man wiedererkennt. Nun haben wir auch einen Duft zu einem unserer Merkmale gemacht“, erzählt Melanie Rebernak von El Gaucho, wo „Velvet Wood“, ein Duft mit Sandelholz und Zedernholz, für eine mysteriöse, mondäne Stimmung sorgt: „Bei uns nimmt der Duft mit den holzigen, modernen und geheimnisvollen Noten sowohl unser Interieur als auch unsere Philosophie in die Gesamterfahrung mit auf.“ Bei Space Burger hingegen ist es der Duft „Fruit Seduction“, der laut Geschäftsführer Koc, die Philosophie des Unternehmens – Gesundheit und Nachhaltigkeit – widerspiegelt. Koc zufolge soll der Duft auch in allen neu eröffneten Filialen zum Einsatz kommen und so Teil der Corporate Identity werden.
Ist ein Duft stimmig und weckt er Assoziationen, die zur eigenen Positionierung passen, kann er die eigene Marke positiv beeinflussen. Kann er mit intensiven emotionalen Ereignissen verknüpft werden, hat er eine besonders emotionale Wirksamkeit. Wer dabei nicht auf eine vorgefertigte Duftkomposition setzen möchte, kann sich von den Duftexperten ebenso seinen persönlichen „Corporate Scent“ komponieren lassen und sich somit auch olfaktorisch vom Mitbewerb abheben. Bei der Entwicklung des „Corporate Scent“ werden die unterschiedlichsten Faktoren wie unter anderem Ort und Lage des Hauses, Region, Charakter des Hauses oder auch das Speisenangebot und die Zielgruppe berücksichtigt. Aus all den äußeren Eindrücken und immateriellen Aspekten entwickelt der Parfümeur schließlich eine maßgeschneiderte und individuelle Duftkomposition.
Egal, welcher Duft es am Ende wird: Die inneren Bilder, die mit dem Duft erzeugt werden sollen, sollten jedenfalls zum Gesamtbild des Unternehmens passen und diesem gerecht werden. Bei mieser Stimmung im Team, lauter Musik, die aus Lautsprechern hallt, oder unappetitlichem Ambiente funktioniert selbst die beste Duftmischung nicht. Im besten Fall wird der Duft in das Musik- und Lichtkonzept integriert, um ein stimmiges, sinnliches Gesamterlebnis zu erzeugen.