Bei Erin Wade in Oakland gibt es ausschließlich Makkaroni, dafür aber Varianten wie jene mit einem Viertelpfund Krebsen oder eine andere mit Havarti-Käse. Insgesamt dreizehn Sorten des US-Klassikers Mac & Cheese stehen auf der Karte ihres Homeroom. Wade hat ihrer liebsten Teigware schon vor Jahren ein ganzes Restaurant gewidmet und ist damit eine der Vorreiterinnen des Trends zu Monokonzepten. Gäste, die die Röhrennudeln nicht leiden können, gehen bei ihr einfach leer aus. Diese radikale Positionierung hört sich nach gastronomischem Wagnis an. Und trotzdem gibt es immer mehr Konzepte, die ausschließlich ein Produkt oder eine Zutat zum Star ihrer Gastroidee machen. Warum ist das so? Nun, nur ein Produkt anzubieten, hat sich über Jahrzehnte als wirtschaftlich interessanter Ansatz erwiesen. Die vielen Pizzerias und Würstelstände beweisen es. Neu ist die Radikalität, mit der die Spezialisierung in den letzten Jahren auf die Spitze getrieben wird. Sei es durch den Fokus auf exklusive, teure oder gehypte Produkte, eine besonders kreative Umsetzung oder ein sehr eingeschränktes, aber klar fokussiertes Speisenangebot.
Hervorstechen aus der Masse
Grundsätzlich ist die Mono-Idee auf jedes Produkt anwendbar. Besonders gerne wird sie derzeit noch mit hochwertigem Fleisch umgesetzt. Beispiele gibt es viele: etwa das Flat Iron in London, das sich auf einen Cut spezialisiert, den es erst seit Kurzem gibt, oder die The Meatball Shops in New York und Paris, die ausschließlich delikate Fleischbällchen anbieten.
Diese Gastrounternehmen wurden alle in Märkten gegründet, die hochkompetitiv sind. Aufzufallen, einzigartig zu sein und mit einer klaren Botschaft auf Gästefang zu gehen, ist dort überlebenswichtig. Mit einer radikalen Spezialisierung gelingt das sehr gut. „In Amsterdam gibt es mehrere hundert Restaurants, da muss man auffallen“, findet auch John van den Broek von The Garlic Queen, der sich Knoblauch als eher ungewöhnliches Mono-Thema gewählt hat. Sein Signature Dish ist der Garlic Baker, ein ganzer Knoblauch aus dem Ofen, serviert mit Olivenöl und Brot. Er stellt aus dem Lauchgewürz aber auch Likör her, braut Bier und selbst Knoblauch-Desserts finden sich auf der Karte. So schafft er es, unter tausenden Mitbewerbern bei potenziellen Gästen für etwas zu stehen, das sich leicht zuordnen und im kulinarischen Gedächtnis abspeichern lässt. Wem der Sinn mal wieder nach Knoblauch steht, weil Frau und/oder Freundin auf Urlaub sind, hat The Garlic Queen garantiert auf seiner Liste. Und genauso ist es mit Steaks, Sandwiches, Sardinen, Austern, Bockwurst oder Kaviar. Nur die Qualität und Umsetzung muss außergewöhnlich gut sein, damit Gastrokritiker aufmerksam werden und die Gäste immer wieder kommen.
Verschiedenste Variationen dieses einen kulinarischen Wiedererkennungsfaktors anzubieten, macht den Mono-Trend dabei erst richtig spannend. Während es sich ein gewöhnliches Restaurant kaum leisten kann, eine breite Palette an Varianten von ein und demselben Produkt anzubieten, eröffnet ein Mono-Konzept dahingehend ungeahnte Möglichkeiten. Die Bar Jamón y Champan in Madrid hat beispielsweise unzählige verschiedene Baguettes mit Schinken der besten Produzenten Spaniens im Angebot und serviert dazu Champagner. In der Londoner Variante dieser Idee, dem Bubbledog, wird das edle Getränk zu verschiedensten Hotdogs angeboten. Darunter Kreationen wie der Lucky Dawg, ein von der chinesischen Küche inspirierter Hotdog mit „Lu Rou“ – taiwanesischem Faschierten vom Schweinebauch, Shiitake-Pilzen, japanischem saurem Rettich und Koriander. Dazu gibt es 40 Sorten offenen Winzer-Sprudel zum Durchkosten. Sowas bleibt bei jedem Gast im Gedächtnis hängen, selbst wenn er nur darüber liest. Und genau das braucht es, um als Mono-Produkt-Restaurant erfolgreich zu sein. Kurz: Je fokussierter das Angebot, desto spezieller und qualitativ hochwertiger müssen die Gerichte sein.
„Nicht nur die Küche, auch Präsentation, Marketing und Service sollten ebenso durchdacht und qualitativ brilliant sein, sonst geht die Rechnung nicht auf“, ergänzt diesen Gedanken Daniel Dayan, einer der Gründer des Pomze in Paris, und unterstreicht dann: „Die ganze Belegschaft muss die Idee wirklich leben!“ In seinem Restaurant bildet der Apfel die geschmackliche Klammer einer ganzen Menükarte: Egal, ob Fisch, Geflügel oder Fleisch – im Pomze leistet der Apfel zu jedem Gericht einen geschmacklichen Beitrag. Das Rinderfilet kommt mit einer Sauce aus Pommeau, einem Digestif aus der Normandie, der aus frisch gepresstem Apfelsaft und jungem Calvados hergestellt wird, auf den Tisch. Die Garnelen werden mit Calvados flambiert. Zu jedem Gericht bietet das Pomze außerdem einen passenden französischen Cider.
Dieser klare kulinarische Fokus liefert nicht nur eine interessante Geschichte für Gäste und Medien, er bringt außerdem betriebswirtschaftliche Vorteile. Die Fokussierung auf ein Produkt ermöglicht Gastronomen eine Standardisierung in der Betriebsführung. Prozesse, Zubereitung, Abläufe, Personalmanagement sowie der Wareneinkauf sind überschaubar und leichter planbar – selbst wenn ein Produkt auf unterschiedliche Arten dekliniert wird. Generell gilt aber: Je standardisierter, desto wirtschaftlicher. Und letztlich reduzieren sich dadurch auch die Kosten. Definitiv ein unschlagbares Argument für Gastronomen. Die Standardisierung hat überdies einen weiteren Nutzen: Das Konzept lässt sich relativ einfach multiplizieren. So haben es das Flatiron oder Burger & Lobster von London aus schon zu mehreren Standorten gebracht – sogar weltweit. Dass das auch in Österreich funktioniert, beweist in Wien gerade die Swing Kitchen mit ihrem Vegan-Burger-Ansatz. In deren Filialen sieht man auch, wie wichtig die Positionierung über Design und Außenauftritt ist. Denn bei Monokonzepten geht es immer um eine klar umrissene Zielgruppe, die mit Logo, Inneneinrichtung und gutem Marketing passgenau und über die richtigen Kanäle angesprochen werden muss. Für sie muss auf einen Blick klar sein, worum es geht. Außerdem muss die Leidenschaft spürbar werden, die hinter der gastronomischen Idee steckt.
Leidenschaft und Fokussierung
Das gelingt am besten über die Gastronomenpersönlichkeit, die hinter einem Konzept steht. Ein Beispiel dafür ist Antoine Westermann mit seinem hochgelobten Restaurant Le Coq Rico in New York. Der Sternekoch begeistert sich schon ewig für verantwortungsvoll gezüchtetes Geflügel. Für sein eigenes Lokal bereiste er deshalb vor der Eröffnung mehr als ein Jahr den Nordosten Amerikas, um Geflügelzüchter zu besuchen und sich mit ihrer Zuchtphilosophie auseinanderzusetzen. Sein Fazit: „Für mich ist Geflügel eine Welt für sich. Der Geschmack und die Textur des Fleisches wechseln abhängig von der Region, dem Züchter, dem Alter des Tieres und der Art der Haltung.“ Also kommen in seiner Küche ausschließlich reinrassige und lokal gezüchtete Tiere auf den Teller. Selbst Leber, Herz und Hals werden kulinarisch anspruchsvoll verarbeitet und Popcorn knallt bei ihm in hausgemachtem Entenfett. Durch Westermanns Begeisterung und hohen Qualitätsanspruch wird sein Lokal so zur unverwechselbaren Marke in einem Gastromarkt mit unzähligen Konkurrenten. Das unterstützt der findige Gastronom mit Leidenschaft für „wilde und noble Vögel“ in der Inneneinrichtung seines Restaurants. Dort hängen Federn von der Decke und auch die riesigen, sichtbar platzierten Grillöfen, in denen die aufgespießten Hühner braten, unterstreichen das Konzept eindrucksvoll. So spinnt sich ein roter Faden durch alle wesentlichen Bereiche seines gastronomischen Betriebs.
Ablaufdatum vorprogrammiert?
Aber selbst wenn die Reduktion auf ein Produkt viele Vorteile hat, sie birgt auch Risiken. Die Zielgruppe ist sehr schmal und Gastronomen schließen automatisch all jene aus, deren Leibgericht gerade nicht das zum Küchenstar gewählte Produkt ist. Und selbst wenn die Idee den Zeitgeist zu hundert Prozent trifft, irgendwann wird sich der Massengeschmack auch wieder ändern. Immer das Gleiche vom Selben angeboten zu bekommen, wird schließlich bald zu mono-ton.
Ist der Sättigungsgrad erreicht und der Hype vorbei, bedeutet es meist nichts Gutes, wenn sich das gesamte Geschäftsmodell um genau ein Produkt dreht. Wer also an ein Mono-Produkt-Konzept denkt, ist gut beraten, die „Idee auf Herz und Nieren zu überprüfen“, so Unternehmensberater Erik Alexander Leonavicius (siehe Interview). Zuerst ein klares Konzept erstellen und dann die passende Immobilie finden, rät deshalb Burger & Lobster-Inhaber George Bukhov: „Es ist ein großer Fehler, es umgekehrt zu machen.“
Beispiele wie die beiden Pariser Restaurants Oh My Coque, bei dem es Bio-Eier in verschiedensten Varianten gab, oder das Mozzachic, wo Mozzarella die Hauptrolle spielte, fanden dauerhaft keine Klientel. Auch das Madd in London konnte sich mit seinem auf Mango-Desserts spezialisierten Angebot nicht behaupten. Bei Burger & Lobster hingegen verhielt es sich genau umgekehrt. „Burger & Lobster zu gründen war ein totales Experiment“, verrät Gründer George Bukhov. Doch das Experiment hat sich ausgezahlt: 2011 mit einem Restaurant in London gestartet, gibt es heute in sieben Städten weltweit ein Outlet. Warum die Expansion funktioniert hat, ist für Bukhovs Geschäftspartner David Strauss einfach erklärt: „Es ist ein internationales Konzept. Weil es so simpel ist, kann es in verschiedenen Städten ausgerollt werden.“
In jedem Fall sollte der Schritt gut überlegt sein. Nicht jeder Gast wird der Idee folgen, aber mit Sicherheit sind Monokonzepte mehr als ein kurzlebiger Trend. Sie sind eine Möglichkeit, sich in der hart umgekämpften Gastroszene mit klarem USP von der Masse abzuheben.