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Langzeitaffäre

Gäste lieben Garnelen: Als Surf & Turf, edles Topping für Salate oder als roten Farbklecks in Nudel- oder Meeresfrüchte-Tellern. Doch wie jede Liebesbeziehung braucht auch diese ab und zu neuen Pep. FRISCH hat sich deshalb angesehen, wie man Black Tiger Prawns dort zubereitet, wo sie geerntet werden.

In Cá Mau prägt der Mekong Leben und Arbeit der Menschen. Im äußersten Süden Vietnams fungieren seine hundertfach untereinander verbundenen Seitenarme nicht nur als Transportnetz. Sie sind auch die Basis für den wichtigsten Wirtschaftsfaktor der Region: Black Tiger Prawns. Denn die wunderschönen Tiere mit dem namensgebenden orange-schwarzen Streifenmuster auf dem Rücken finden in den stetig von einem Gemisch aus Meer- und Flusswasser umspülten Mangrovenwäldern ideale Wachstumsbedingungen. Anders als in den Betonbasins industriell geprägter Monokulturen im Land legen die Garnelen im Mekong-Delta auf natürliche Weise Gewicht zu. Denn dort finden sie ausreichend kleine Krebse, Plankton und Wasserpflanzen, die sie fressen können. „Ihr Fleisch ist sehr kompakt, lässt beim Garen kaum Wasser und zeichnet sich durch eine ganz natürliche, fein-süßliche Note aus. Eigentlich braucht es für dieses Produkt gar keine komplexe Zubereitung. Dampfgaren reicht“, lacht Van Binh, der als Qualitätsmanager für KRÖSWANG die besten Exemplare für das exklusive Blue-Label-Sortiment auswählt.

Authentische Zubereitung

Natürlich kennt die vietnamesische Küche darüber hinaus eine Vielzahl an Zubereitungsarten und -methoden. „Gerade in den Küstengebieten des Landes sind Garnelen einer der häufigsten Eiweißlieferanten. Es gibt reichlich und sie lassen sich durch ihren einzigartigen Geschmack mit vielen Zutaten kombinieren“, erklärt Stefan Leistner, der mit Partnerin Simi den Blog asianstreetfood.com betreibt. Für ihn liegt ein wesentlicher Ansatz, um Garnelengerichten einen südostasiatischen Spin zu geben, in der Verwendung landestypischer Kräuter: „Shiso, Galgant, Thaibasilikum, Laksablätter oder vietnamesischer Koriander geben Regionalgerichten eine lebendige Leichtigkeit, die Gäste in Europa fast immer positiv überrascht“, unterstreicht er, wie wichtig dieses Element am Teller ist.

Auch mit dem kulinarischen Prinzip des Âm duong sollten sich Köche auseinandergesetzt haben, bevor sie mit eigenen Zugängen zu lokalen vietnamesischen Garnelengerichten experimentieren. Uns ist es als Yin und Yang geläufiger. Die Harmonie von Textur- und Geschmackskontrasten ist dabei zwar auch wichtig, in erster Linie bezieht es sich aber auf die „wärmenden“ und „kühlenden“ Eigenschaften der Zutaten. Dieser Vorstellung entsprechend ist ein vietnamesisches Gericht dann ausgeglichen und gesund für Körper und Seele, wenn die würzige Schärfe des „Yang“ durch das kühlende Süße und Saure des „Yin“ kontrastiert wird. Garnelen gelten im Rahmen dieses asiatischen Geschmackskompasses als „kühlend“ und werden daher gerne in würzigen Gerichten eingesetzt oder mit Chili und Ingwer kombiniert. Für westliche Esser eher ungewöhnlich ist in diesem Zusammenhang die beliebte Kombination mit Schweinefleisch, das als Yang-Zutat gilt. Sie ist das erste von fünf Flavor-Pairings, die anhand von einigen Gerichten illustrieren, wie Garnelen in der Küche Südvietnams verarbeitet werden.

„DIE LOKALEN KRÄUTER GEBEN DEN GERICHTEN EINE LEBENDIGE LEICHTIGKEIT.“ (STEFAN LEISTNER, FOODBLOGGER & AUTOR, WWW.ASIANSTREETFOOD.COM)

Mì-Quang-Suppe

Eigentlich geben die gelben Quang-Nudeln aus der gleichnamigen Provinz diesem Gericht seinen Namen. Viel interessanter ist hier allerdings das Aufeinandertreffen von Schweinefleisch und Garnelen. Die Vietnamesen lieben den nussigen und subtil süßen Geschmack des vorher ewig simmernden Schweinebauchs in dieser Suppe, der ein samtiges, leicht fettiges Mundgefühl hinterlässt. Die Garnelen fügen dem fertigen Gericht dann eine leicht salzige Meeresfrische hinzu, die verhindert, dass es zu mächtig wird. Gewürzt wird mit Fischsauce, schwarzem Pfeffer, Schalotten und Knoblauch. Außerdem wird Kurkuma beigemengt, das für die gelbliche Farbe verantwortlich ist und einen erdigen, leicht bitteren Geschmack beisteuert, der die Süße der Garnelen und des Schweinefleisches abrundet. Dazu gibt es typischerweise Erdnüsse und geröstete Sesamreis-Cracker für den Crunch.

Bánh Mì Chiên Tôm

Diese moderne Bánh-Mì-Variante ist einfach umzusetzen und eine überraschende Interpretation des asisatischen Snack-Klassikers mit Garnelen. Die Black Tiger Prawns werden dabei ausgelöst durch einen Backteig aus Reismehl, Stärke, Gewürzen, Ei und Wasser gezogen und anschließend frittiert. Wer kein Bánh Mì selbst herstellen möchte, kann sie anschließend auch in einem Baguette servieren. Noch besser ist, die rohen Garnelen auf Bánh-Mì- oder Baguettescheiben zu legen, beides im Teig zu wenden und dann zu frittieren. Zu diesem knusprigen armen Ritter Asia-Style passt ein Dip aus Fischsauce, braunem Zucker, Limettensaft, Knoblauch und Chili, der die Garnelen-Brot-Textur um einen süß-sauren Kick ergänzt.

Tôm Chiên Com

Frittierte Garnele mit grünem Reis ist ein Gericht, das man selbst auf den lokalen Streetfood-Märkten nicht immer findet. Denn grüner Reis ist eine saisonale Spezialität, für die die Reiskörner noch unreif aus den Rispen gedrückt und dann in der Sonne getrocknet werden. In gut sortierten Asialäden kann man sie auch hierzulande kaufen. Für Tôm Chiên Com wird nur der Bauchpanzer der Garnele geschält, Kopf und Schwanz werden mitgekocht. Das Garnelenfleisch wird dann in Fischsauce und schwarzem Pfeffer mariniert, anschließend in Mehl, Ei sowie grünem Reis gewendet und in Pflanzenfett frittiert. Köstlich. Dazu passt eine leichte Orangensauce, die aus Orangensaft, Fischsauce, 1 TL Zucker und Pfeffer besteht. Der Puffreismantel kreiert ein spannendes, verspieltes Mundgefühl und macht diese Kombination zu einer ausgewogenen Mischung aus knuspriger Textur, herzhaftem Umami und fruchtig-süßem Akzent durch die Sauce.

Pho Xáo Trâu & Bánh canh cua

Während Garnelen im Puffreismantel eine seltene Spezialität sind, ist die traditionelle Pho-Suppe in Vietnam allgegenwärtig. Die Variante mit Garnelen und anderen Meeresfrüchten wie Mies- und Jakobsmuschelfleisch findet man besonders häufig in den Küstengebieten des Landes. Die Meeresfrüchte werden dafür in Rinder- oder Hühnerbrühe gemeinsam mit Reisnudeln gegart. Gewürzt wird mit Fenchel- und Koriandersamen, Fischsauce, Frühlingszwiebeln, Limetten, roten frischen Chilischoten, vietnamesischem Basilikum und Mungbohnenkeimen. Jeder Löffel fühlt sich an wie eine herzliche Umami-Umarmung. Das zarte Garnelenfleisch, gepaart mit den herzhaften Muscheln, bringt eine erdige Tiefe und eine leichte Süße mit sich, die perfekt mit den milden Reisnudeln harmonieren.

Eine weitere beliebte Pho mit Garnelen ist außerdem Bánh Canh Cua, eine Krabben-Tapioka-Nudel-Suppe, die bevorzugt im Süden Vietnams gegessen wird. Die dicken Tapioka-Nudeln werden in einer samtigen, herzhaften, leicht süßlichen Krabbenbrühe mit einer Mischung aus Garnelen und Krabbenfleisch zubereitet. Frische Kräuter und Gemüse wirken zusätzlich belebend, während gekochte Wachteleier für einen extratwist sorgen.

Tôm Rang

Die Geschmackswelt vietnamesischer Phos ist heute vielen Gästen geläufig. Besonders die Kombination mit Black Tiger Prawns wird fast jeden überzeugen. Wesentlich ungewöhnlicher ist dagegen das Pairing mit Karamellsauce. Was zuerst seltsam klingt, funktioniert geschmacklich hervorragend. Für Tôm Rang, übersetzt die „pfannenberührten Garnelen“, werden saftige Garnelen in Karamellsauce gebraten und mit grobem, schwarzem Pfeffer und frischem Koriander bestreut. Wichtig ist dabei, dass der Pfeffer nur grob gemörsert und nicht gemahlen verwendet wird. Die fertig gegarten Tôm- Rang-Garnelen werden dann meist mit Reis oder gedämpftem Gemüse serviert.

Dieses schnelle Gericht wird in der Regel im Wok zubereitet und bildet Synergien zwischen der intensiven Süße des Karamells und den herrlichen Umami-Noten der Garnele. Außerdem gewinnt es durch die Verbindung von der Schärfe des Pfeffers mit dem bitter-süßen Aroma des Karamells und der Frische des Korianders an Komplexität. Im Ergebnis ergibt das eine harmonische Verschmelzung von süß, salzig, würzig und frisch, die die Geschmacksknospen auf eine aufregende Reise mitnimmt.

Fünf Gerichte, fünf südostasiatische Geschmackswelten: Black Tiger Prawns gehören zur Gattung jener raren Premiumzutaten, die sich in der Küche extrem vielfältig einsetzen lassen. Nur ein wenig Mut und neu entflammte Liebe zum Produkt müssen Köche dafür mitbringen.

 

Thai-Basilikum

Anwendung
Wird oft frisch über Gerichte gestreut oder in Suppen und Wok-Gerichten verwendet. Die Dosierung von Thai-Basilikum ist wichtig, damit der Geschmack nicht das Gericht dominiert.

Geschmacksprofil
Das Kraut hat geschmacklich nichts mit dem europäischen Basilikum zu tun – es schmeckt nach Lakritze oder Anis, nur die Form der Blätter ähnelt dem europäischen Basilikum.

Tamarinde

Anwendung
Tamarinde wird als Zutat für Saucen, insbesondere für die berühmte süß-saure Tamarindensauce, verwendet. Diese Sauce verleiht Gerichten einen komplexen, fruchtigen Geschmack und eine leicht säuerliche Note.

Geschmacksprofil
Tamarinde bietet einen unverkennbar süß-sauren Geschmack, der in der vietnamesischen Küche sowohl für herzhafte als auch süße Gerichte geschätzt wird.

Nuoc Mam Dip

Anwendung
Wird oft zu Frühlingsrollen oder als Dressing für Salate gereicht. Die Hauptzutat ist Fischsauce, die mit Zucker, Limettensaft, Knoblauch und Chilis angerührt wird.

Geschmacksprofil
Salzig und leicht süßlich; hat eine tiefe, komplexe Würze. Dieser Dip ist ein Geschmacksverstärker, der viele vietnamesische Gerichte zu einem unvergesslichen kulinarischen Erlebnis macht.

Kurkuma

Anwendung
Wird oft für Currys und Eintöpfe verwendet, um den Gerichten eine lebendige gelbe Farbe zu verleihen.

Geschmacksprofil
Erdiger und leicht bitterer Geschmack. In der vietnamesischen Küche wird Kurkuma als Gewürz geschätzt, das den Gerichten eine tiefe, warme Note verleiht.

Perillablätter

Anwendung
Werden z. B. in Summerrolls eingerollt. Sie finden jedoch nicht nur in der Küche ihre Anwendung, sondern werden auch in der Heilkunde bei Erkältungen angewendet, da sie schleimlösend, hustenstillend und entkrampfend wirken.

Geschmacksprofil
Perillablätter erinnern geschmacklich an eine Kombination aus Minze und Basilikum, mit einer dezenten Anisnote.

Interview

„Selbst in der Schale steckt viel Aroma.“

Stefan Leistner, Mitbegründer des Foodblogs „asiastreetfood“ über die Rolle der Garnelen in der vietnamesischen Küche.

 

Welchen Stellenwert hat die Garnele in der vietnamesischen Küche?

Vietnam hat über 3.000 km Küste, deshalb spielt die Garnele eine große Rolle als Eiweißlieferant. Sie wird auf verschiedene Arten eingesetzt. Als frisches Produkt, das gekocht oder gebraten wird, fermentiert und als Garnelenpaste, ein Würzmittel, das aus stark fermentierten Garnelen hergestellt wird.

Wie schmeckt diese Paste?

Sie ist sehr intensiv, auch im Geruch, und für uns eher gewöhnungsbedürftig. Aber sie zeigt gut, wie wichtig die Garnele in der vietnamesischen Küche ist. Wenn man über die sogenannten „wet markets“ in Vietnam geht, findet man eine irrsinnige Auswahl an verschiedensten Garnelenarten, die sich vor allem anhand ihrer Schalendicke unterscheiden. Dünnschalige Garnelen werden häufig komplett gegessen, in Suppen oder Salaten, während die dickschaligen Garnelen eher zum Grillen oder Kochen verwendet werden. Die Black-
Tiger-Garnele gehört zu den dickschaligen Sorten und ist im Vergleich teurer durch ihre Größe und ihre hervorragende Fleischqualität.

Wie werden Garnelen in Vietnam am häufigsten zubereitet?

Die weitverbreitetste Art, wie man Garnelen auf Streetfood Markets findet, ist aufgespießt oder auf dem Grill. Ganz simpel – sie werden in ein Grillgitter gespannt und auf einem Holzkohlegrill gebraten und dann geschält. Meistens sind sie mariniert mit Fischsauce, feingeschnittenen Schalotten und schwarzem Pfeffer, das ist der Klassiker.
Garnelen vom Holzgrill werden gerne in eine Mischung aus schwarzem Pfeffer, Salz und Limette gedippt. Am Tisch stehen in dem Fall dann kleine Schälchen mit der Salz-Pfeffer-Mischung und einem Limettenschnitz, um sich selbst den „Dip“ zusammenzurühren. Die Schalen der Garnelen werden außerdem als Aromageberin eingesetzt. Kopf und Panzer werden ausgekocht und als Brühe in anderen Gerichten weiterverwendet. Jedes Teil der Garnele findet so seine Verwendung in der vietnamesischen Küche.

Haben Sie noch einen Geheimtipp für die Zubereitung?

Ich würde immer rohe und nie vorgegarte Garnelen kaufen – für uns in Europa heißt das daher tiefgefrorene Produkte. Wenn man sie kochen will, dann hier mein Tipp: Wasser kurz aufkochen lassen, dann die Garnelen (ungeschält) hineingeben und den Topf sofort von der Hitze nehmen. Daraufhin die Garnele noch zwei Minuten garen lassen und aus dem Wasser nehmen. Wenn sich im Wasser kleine weiße Flocken um die Garnelen bilden, bedeutet das, dass das Eiweiß ausläuft. Dann ist die Garnele bereits zu lange im Wasser gewesen.

Herr Leistner, vielen Dank für das Gespräch!

 

Simi & Stefan
Leistner

Die Foodblogger und Kochbuchautoren Simi und Stefan Leistner sind erfahrene Traveller, die ihre Reisen durch Asien auf dem Blog asiastreetfood.com
dokumentieren. Zu ihren Buchtiteln zählen „Asia Street Food“ und „Asia Street Bowl“.

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