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Miami Heat

Während überall anders das Wetter ungemütlich ist, startet Miami in die Sonnensaison. Resultat ist ein sehr spezieller Gastromarkt mit viel Party, Show und hohen Umsätzen. Besonders in den letzten drei Jahren hat das Gastro-Big-Shots aus ganz Amerika angezogen, die die Stadt mit irren Konzepten fluten.

25 Grad Außentemperatur. Dazu strahlender Sonnenschein, der sich glitzernd im tiefblauen Meer bricht und die straffen Körper am Miami Beach so wärmt, dass ein paar Quadratzentimeter Stoff als Bekleidung völlig genügen. Als Draufgabe nur vier Tage Regen im Monat und den lebensbejahenden Rhythmus der Karibik direkt vor der Haustür: So fühlt sich Winter in Miami an.

Das tropische Klima im äußersten Süden der USA mit seinen trockenen Monaten zwischen November und Mai ist einer der Hauptgründe, warum die Stadt eine der heißesten Partymetropolen der USA ist. Nur drei Flugstunden südlich der reichen Millionenstädte New York, Washington und Philadelphia lockt sie im tristen Winter beharrlich mit ihrem Versprechen auf laue Nächte, nackte Haut und kühle Drinks im Freien.

Ideale Bedingungen für eine Gastroszene auf Steroiden, wie Olee Fowler es keck formuliert: „Wir starten gerade in die Hochsaison, wenn jedes Jahr verlässlich Tonnen von Menschen auf der Flucht vor dem feuchtkalten Wetter an der Ostküste zu uns strömen“, erklärt die lokale Gastroexpertin des amerikanischen EATER-Magazins. Die erlebnishungrigen Inlandstouristen fluten dabei auf einen Markt, der in den letzten drei Jahren eine unglaubliche Entwicklung erlebt hat. Selten gab es in der wichtigsten Tourismus-Hochburg Floridas so viele Restaurant- und Cluberöffnungen.

Ron’s Booster

Das hängt interessanterweise mit dem erzkonservativen Gouverneur Ron DeSantis zusammen. Der entschloss sich 2021, einfach alle Covid-Beschränkungen im Bundesstaat aufzuheben. Pächter von Bars, Nachtclubs und Restaurants durften unter geringen Auflagen wieder aufsperren, während ihre Kollegen im Rest der USA im Lockdown schmorten. Dadurch setzte ein irrer Run auf Miami ein. Es waren kaum noch leistbare Hotelzimmer zu bekommen und die Restaurants und Bars platzten aus allen Nähten. Eine Situation, die auch den erfolgreichen Gastronomen im Rest der USA nicht entging, wie Fowler erzählt: „Viele konnten zu dieser Zeit in ihren Märkten kein Geld mehr verdienen. In Miami  gab es durch die Krise im Jahr davor gleichzeitig genug leerstehende Restaurants und hochqualifiziertes Personal. Außerdem sind die Pachten generell niedriger als in New York“, nennt sie die Gründe, warum auf einmal vor allem die New Yorker Big Shots mit ihren Konzepten in Miami landeten. Ein Beispiel ist die Major Food Group (MFG) um die beiden Köche Mario Carbone sowie Rich Torrisi und den New Yorker Investor Jeff Zalaznick. Anfang 2021 eröffneten sie einen Ableger des in ihrer Heimat seit Jahren erfolgreichen Nobelitalieners Carbone. Damals noch mit dem kompletten Küchenteam aus New York, weil es dort sowieso für Köche nichts zu tun gab.

Drei Jahre später befindet sich sogar das MFG-Hauptquartier in Miami und Zalaznick wie Carbone besitzen dort Luxushäuser am Meer. Einer von beiden sollte auch permanent vor Ort sein, denn ihr Portfolio zählt jetzt zehn Lokale in gefühlt jedem Viertel der Stadt vom Design District über Brickell bis South Beach oder Coconut Grove. „Die lokale Verwaltung hat den Genehmigungsprozess für neue Restaurants seit 2021 extrem beschleunigt. Das konnten wir nutzen, um uns Locations im ganzen Stadtgebiet zu sichern“, meint dazu Investor Zalaznick, dessen Familie dank Großvater und Immobilienmagnat Paul Milstein nicht nur Milliarden an Kapital zur Verfügung hat, sondern auch Kontakte zu einigen der einflussreichsten US-Immobilienentwicklern.

Die Gäste dürfen sich dank dieser neu entflammten tropischen Liebe des MFG-Trios über viele spannende Konzepte freuen. Neben dem Carbone, das auch hier von Größen aus Showbiz und Politik besucht wird, etwa das Principessa-Restaurant und das Sadelle’s im Boca Raton Resort. Oder den ZZ Club, ein Privatetablissement, für das jeden Tag Sushi direkt vom Toyosu-Markt in Tokio eingeflogen wird. Außerdem gibt es im HaSalon von Starkoch Eyal Shani eigens entwickelte israelisch-mediterrane Küche, im Bocce Club wird die kulinarische Grammatik Japans von Sushi über Wagyu bis Yakitori durchdekliniert und das Dirty French Steakhouse serviert einen wohl nur in den USA denkbaren Mix aus Steakhouse, dekadenter französischer Edelprodukt-Küche und für Europäer viel zu hart pumpender Musik. 

Die Freude an Glamour und Überfluss, der darin zum Ausdruck kommt, haben sich die beiden Köche im MFG-Management-Team dabei angeblich von ihren sizilianischen Großeltern abgeschaut. „Wir sagen ja zum Genuss, ja dazu, Spaß zu haben, und möchten für eine Gastronomie der Vielfalt und des Überflusses stehen“, fasst Mario Carbone den gemeinsamen Nenner ihres Gastroimperiums zusammen.

„DIE LOKALE VERWALTUNG HAT DEN GENEHMIGUNGSPROZESS FÜR RESTAURANTS EXTREM BESCHLEUNIGT.“ (JEFF ZALAZNICK, INVESTOR, MAJOR FOOD GROUP, NEW YORK & MIAMI)

Konzept Clubstaurant

Mindestens genauso wie die Nonna war aber wohl ein lokaler Kollege und Konkurrent Inspirationsquelle für die viel extrovertiertere Ausrichtung der MFG-Konzepte in Miami. Der mit seiner Mega-Disco LIV ursprünglich als Nachtclub-Besitzer erfolgreiche David Grutman ist mit den Konzepten seiner Groot Hospitality Group nämlich Vorreiter eines neuen Restauranttyps, der in Miami gerne „Clubstaurant“ genannt wird. Dabei trifft atemberaubendes Interieur auf eine Speisekarte voll relativ simpel zuzubereitender Nobelprodukte und eine Atmosphäre, die sich im Laufe des Abends sukzessive Richtung Club-Erlebnis morpht. Eines dieser Lokale ist Grutmans Papi Steak, das laut eigener Aussage mit nur 93 Sitzplätzen 23 Mio. Dollar Umsatz im Jahr erwirtschaftet. „Wir wollen uns damit ganz klar von den vielen anderen Steakhäusern in Miami Beach abheben. Beim Design habe ich deshalb keine Grenze gesetzt und ich glaube, das Resultat ist einer der bestgestalteten Gasträume in ganz Miami“, meint Grutman dazu selbstbewusst. Das namensgebende Steak ist eine 225 Dollar teure „Kreation“ von Grillexperte David „Papi“ Einhorn. Der sieht auch noch aus wie einer der Kokain-Dealer aus der 80er-Kultserie Miami Vice. Da passt ins Bild, dass Gäste für 1.000 Dollar bei ihm auch einen A5-Wagyu-Tomahawk in einem „Beefcase“ ordern können. Trauen sie sich das, ertönt eine Sirene inklusive kleiner Lichtshow, kubanische Tanzmusik plärrt durch den Raum und das komplette Serviceteam tänzelt einen Koffer an den Tisch. Wird er geöffnet, tritt aus dem gülden beleuchteten Inneren Rauch aus und gibt den Blick auf das auf Eis drapierte Fleisch frei. Völlig abgedreht.

Überhaupt scheint ein integraler Teil des Konzepts zu sein, dass selbst Kulinarik-Neulinge immer sofort erkennen können, dass etwas teuer ist. Der Rotwein hat ein Petrus-Etikett und natürlich gibt´s Imperial-Kaviar als Extrabeilage. „Du kannst einen Haufen Geld verlangen, wenn die Leute empfinden, dass sie einen entsprechenden Gegenwert dafür bekommen“, klärt Grutman auf: „Bei uns hat das viel mit einzigartigen Erlebnissen zu tun“, meint er. „Wir haben in unseren Läden eine Art DNA. Die Gerichte sind meist zum Teilen, weil das Energie und Gemeinschaftsgefühl , außerdem läuft immer Musik und wir versuchen, die Stimmung über den ganzen Abend hinweg aufzubauen. Wer zu uns kommt, weiß, dass er kein gesetztes Dinner erwarten darf“, grinst er.

Pflichtprogramm Insta

Auch für die Vermarktung spiele das eine große Rolle, so Grutman: „Es geht uns immer darum, dass diese Erlebnisse in die digitale Welt transferiert werden können“, erklärt er. Gäste-Videos vom „Beefcase“ findet man deshalb bei YouTube sofort und das Interieur wird auf Instagram abgefeiert: „In unserem Good Time Hotel haben wir eine komplette Bibliothek in Pink quasi nur für Instagram gebaut“, lacht der braungebrannte Unternehmer. Apropos: Das Hotel an der Washington Avenue in South Beach betreibt seine Groot Hospitality mit Pharell Williams und auch sonst ist Grutman mit vielen US-Stars auf Du und Du.

Selbst das ist jedoch ein Ergebnis harter Arbeit: „Ich habe früher immer die PR-Verantwortlichen und persönlichen Assistenten in meine Restaurants, Clubs und Hotels eingeladen. Bald kamen dann auch ihre Auftraggeber zu Besuch.“

Reich, schön, dekadent und Promi-schwer: So stereotyp es klingt, es ist dennoch ein wesentlicher Grund, warum die Restaurantszene in Miami aktuell so spannend ist. Kreditkarten brennen hier einfach heller als anderswo. Zu zeigen, dass man es hat und ausgeben kann, gehört zum guten Ton. Selbst Nischenthemen wie die edlen japanischen Omakase-Tresen können deshalb zu einem echten Trend mit zig verschiedenen Lokalen werden. Im Rahmen dieses Lokalkonzepts überraschen die Sushi-Meister üblicherweise nicht mehr als 15 Gäste mit ihren ultrasaisonalen Kreationen, die sie nur nach eigenem Gusto auswählen und zubereiten. Deshalb auch die Bezeichnung „Omakase“, was „Ich überlasse die Auswahl Ihnen“ bedeutet. Beispiele sind das Hiyakawa von Perez Miranda in Wynwood, wo ein 15-Gänge-Omakase-Dinner rund 250 Dollar pro Person kostet – ohne Getränke. Oder das Nossa Omakase, in dem ein Briefumschlag mit geheimem Passwort für den Eintritt 375 Euro pro Person wert ist. Ähnlich exklusiv geht es im Hiden von Seijun Okano zu, dessen acht Plätze sich hinter einer unscheinbaren Tür in einem Taco-Stand in Wynwood verstecken.

Exklusivität ist dabei nicht der einzige Grund für die hohen Preise. Fisch und Meeresfrüchte werden in den meisten Fällen direkt aus Japan eingeflogen und aufwändig selbst verarbeitet. Außerdem ist das Verhältnis von Gästen zu Köchen fast 1:1. Kulinarisch spielen die Kreationen der Meister sowieso in einer anderen Liga als ein Papi-Steak: Shigoku-Austern werden mit Ananas, Kaviar und grünem Tee kombiniert, der mit Tamarinden-Sudachi-Aromen verfeinert wurde. Oder japanische Jakobsmuscheln schonend in brauner Butter und Yuzu-Saft gegart, bevor sie auf ihr Reisbett wandern. Und im Mund schmelzende A5-Wagyu-Happen gibt es sowieso überall.

Bei solchen Voraussetzungen überrascht es nicht, dass Miami zusätzlich immer mehr Fine-Diner anzieht, die sich spendierfreudiges Gästepotenzial in den USA erschließen wollen. Rainer Becker ist mit einem seiner Zumas seit vielen Jahren ein Vorreiter dieser Bewegung. Auch Thomas Keller vom Per Se betreibt in Miami mit dem Surf Club sowie dem neu eröffneten Bouchon Bistro mittlerweile zwei Außenstellen – sogar Massimo Bottura sperrt demnächst ein Torno Subito auf. Schön, dass diese Welle vor einem Jahr auch einen jungen deutschen Sternekoch angeschwemmt hat. Tristan Brandt kennen viele in der Branche als Deutschlands jüngsten Zwei-Sterne-Koch im Opus V in Mannheim. Heute ist er längst Fine-Dining-Unternehmer mit großen Ambitionen. Das US-Debüt des 38-Jährigen ist jedenfalls geglückt. Nach nur einem Jahr bekam er für seinen Tambourine Room im geschichtsträchtigen Carillon Hotel vom Guide Michelin einen Stern verliehen – den einzig neuen in Miami im letzten Jahr. Auch ein Zeichen dafür, dass die Partystadt noch kein gutes Pflaster für wirklich kreative Hochküche im klassischen europäischen Sinn ist.

Kubanischer Hotspot

Dafür aber ein echter Hotspot für authentische, latino-kubanische Küche. An vielen Ecken kann man sich mit verdammt guten kubanischen Sandwiches versorgen, venezolanische Arepas auf die Hand bekommen oder dampfende kolumbianische Eintöpfe schlürfen. Die meisten Gastronomen, die solche Gerichte anbieten, kommen wegen der Konkurrenz durch große Gruppen aber nie an ein wirklich profitables Restaurant. Zu den wenigen Ausnahmen zählt Michael Beltran. In seinem Ariete vermählt er die Küche seiner kubanischen Eltern und Großeltern mit hipper New American Cuisine. Dieses Konzept war in den letzten Jahren so erfolgreich, dass auch er nun eine ganze Gruppe von Restaurants führt – darunter ein Diner und verschiedene Bars. Michelle Bernstein ist dieses Kunststück sogar noch früher gelungen. Sie ist das Gesicht der Latino-Küche im US-Fernsehen und betreibt in Miami Bars, einen Cateringservice und ein Restaurant in Little Havana. Auf die große Konkurrenz angesprochen meint sie nüchtern: „Wir können einfach nicht mit diesen Restaurant-Imperien mithalten. Die haben so viel Kapital, dass sie einfach ein atemberaubendes Restaurant nach dem anderen hinstellen. Die Gäste in Miami erwarten das mittlerweile.“

Zum Glück ziehen sie damit auch so viele Touristen an, dass ambitionierte, unabhängige Köche mit neuen Ideen immer noch ihre Nische finden können. Denn in der Gastro geht es schließlich um Geschmack, kulinarische Kreativität und Gastfreundschaft – nicht nur um Aussehen, astronomische Preise und hohen Instagram-Faktor.

PUTTERY

MINIGOLF MADNESS

Miami liebt „Eatertainment", also die Verbindung von Genuss und Unterhaltung. Das hat Golfprofi Rory McIlroy jetzt sogar auf die Idee gebracht, drei extravagante Minigolf-Bahnen in ein Restaurant mit mehreren Bars zu integrieren. Auf fast 1.700 Quadratmetern gibt es drei Neun-Loch-Kurse: eine Bibliothek, eine Hütte mit Schi- und Eisbärdeko und eine Dachterrasse mit Blick über Miami. Natürlich hat jede dieser Bahnen eine eigene Bar mit Bedienung. Im zugehörigen Restaurant können Gäste sich außerdem vor oder nach den Spielen Charcuterie Boards genauso servieren lassen wie Thunfisch- Tataki, Pizza, Double-Smash-Burger oder Vaca Frita, ein kubanisches Gericht aus gebratenem und zerkleinertem Flank-Steak. Dazu gibt es Craft-Cocktails, Wein oder Bier. Lustige Neuinterpretation eines alten Klassikers!

DANTE’S HIFI+

ANALOGES WUNDERLAND

Während in den Riesenclubs wie LIV, Club Space oder E11EVEN die Musikwellen fast ausschließlich aus Nullen und Einsen bestehen, wird im Dante´s Hifi+ im Hipsterbezirk Wynwood noch mit echten Vinylscheiben aufgelegt. Nicht etwa aus nostalgischen Gründen, sondern weil es auf der zigtausende Dollar teuren High-End-Anlage einfach besser klingt. Dazu gibt es Barsnacks, hervorragende Cocktails und edle Spirits in entspannter Atmosphäre. Unzählige Top- DJs wie House-Ikone Louie Vega oder Host Rich Medina haben hier schon gespielt. Das ursprünglich aus Japan stammende Konzept findet mit der Miami Soundbar oder dem Jolene Soundroom sogar schon viele Nachahmer in der Stadt. Interessant auch hier: Über Mitgliedschaften wird ein monatlicher Grundumsatz erwirtschaftet.

SUSHI BY SCRATCH

OMAKASE INNOVATORS

In Miami gibt es so viele Omakase-Tresen, dass viele Locals das japanische Konzept schon satt haben. Die von Phillip Frankland Lee und Margarita Kallas- Lee gegründete Kette Sushi by Scratch mit Ablegern von Dallas bis Beverly Hills geht deshalb neue Wege. An der Sushi-Bar in Coconut Grove werden drei Mal täglich 17 Gänge für nur zehn Gäste serviert, die mit traditionellem Sushi kaum noch etwas zu tun haben. Da wird zum Beispiel der rohe Hamachi in Sashimi-Qualität mit einem süßlichen Maispudding getoppt und mit Sauerteig- Brotkrumen bestreut. Oder flüssiges Knochenmark über Nigiri-Klassiker getröpfelt. 185 Dollar werden dafür pro Person fällig. Bei der Getränkebegleitung sollte man trotzdem nicht sparen. Denn die besteht aus einem wilden Mix aus Cocktails, Sake und Craftbeer.

Interview

„Was ich verdiene, gebe ich hier auch wieder aus.“

Tristan Brandt hat als deutscher Topkoch das Meisterstück vollbracht, mit seinem Tambourine Room direkt einen vollen Erfolg zu landen. FRISCH erzählt er, wie es dazu kam und warum er in Miami sein hart verdientes Geld sofort wieder in die Gastro investiert.

Sie haben nach nur sechs Monaten schon einen Stern erkocht. Gratulation! Hängt das auch mit der eher geringen Sternedichte in Miami zusammen?

Für meinen Küchenchef Timo Steubing und mich war das wirklich ein gelungener Auftakt! Damit waren wir 2023 das einzige neue Sternerestaurant in Miami. Der Guide Michelin hat erst vor zwei Jahren damit begonnen, Sterne in Florida zu verleihen. Ein deutliches Signal in Richtung Fine-Food-Szene: Die Inspektoren nehmen die Gastronomie wahr und sehen in ihr Potenzial für mehr Sternerestaurants, die hoffentlich künftig hier entstehen werden.

Wie würden Sie Ihre Küche im Tambourine Room charakterisieren?

Wir bieten maximal 18 Gästen moderne Küche auf französischer Basis mit asiatischen Einflüssen. Dabei setzen wir vor allem auf lokale und saisonale Produkte aus Südflorida. Ein Signature von mir muss aber immer dabei sein: Beispielsweise mein Rindertartar, versteckt unter einer Kaviarschicht, mit Kimizu, geschlagener Crème fraîche und knusprigen, hausgemachten Sauerteigchips. Wir arbeiten aber auch gerne mit den tollen Meeresfrüchten und tropischen Zutaten sowie exotischen Gewürzen, die hier direkt vor Ort wachsen, wie Kreuzkümmel oder Cayenne-Pfeffer.

Das Carillon ist sehr renommiert und gibt nicht jedem die Möglichkeit, ein Restaurant zu eröffnen. Wie ist es Ihnen gelungen?

Der Tambourine Room by Tristan Brandt gehört zu einer amerikanischen Unternehmensgruppe, für die ich bereits vorher tätig war. Ich habe für diese Gruppe in der Schweiz in einem ihrer Tophotels bereits ein Restaurant eröffnet, das ebenfalls auch innerhalb eines Jahres einen Stern verliehen bekam.

Interessant. Wie läuft eine solche Kooperation zwischen ausländischem Topkoch und Hotel organisatorisch und wirtschaftlich?

Ich bin selbstständiger, kulinarischer Unternehmer. Zwischen mir und dem Hotel besteht ein Beratervertrag. Inhaber des Restaurants ist das Hotel, ich kümmere mich um das Konzept, die Rekrutierung des Küchenchefs und des Teams, entwickle die Karte, unterstütze das Team und stehe für Fragen jederzeit zur Verfügung.
Ich bin mindestens einmal pro Monat für mehrere Tage vor Ort und kümmere mich darum, dass meine Handschrift optimal vom Küchenchef umgesetzt wird. Dazu entwickeln wir gemeinsam das neue Menü und erarbeiten Lösungen für aktuelle Herausforderungen.

Da hilft es sicher, dass Sie in Miami ein deutsches Kernteam haben. War es schwer, Arbeitsgenehmigungen zu bekommen?

Visa zu erhalten, das war in der Tat eine große Herausforderung, aber auch sehr lehrreich. Gemeinsam mit der Unterstützung von Experten, meinem Team und dem Hotel haben wir es dann aber geschafft.

Kann sich ihr Team das Leben in Miami überhaupt leisten?

Die Lebenshaltungskosten in Miami sind extrem hoch. Es gibt keine soziale Absicherung, wie wir sie in Deutschland kennen. Mein Team hat aber das große Glück, mit dem Carillon Miami Wellness Resort einen Arbeitgeber an der Seite zu haben, der sie adäquat bezahlt, sodass sie sich das Leben in Miami leisten können. An dieser Stelle sei auch nochmal angemerkt: Hier in den USA arbeiten zu können, das ist wirklich eine unbezahlbare „Once-in-a-Lifetime-Experience“!

Wie geht es Ihnen diesbezüglich selbst? Sie entwickeln ununterbrochen Gastrokonzepte. Was reizt Sie persönlich an der Gastroszene in Miami?

Miami ist unglaublich inspirierend: Ich erlebe hier eine Vielzahl an spannenden Konzepten, die ich so in Europa noch nicht gesehen habe. Besonders der außergewöhnliche Ladenbau, aber auch die Präsentation von Speisen und Getränken haben es mir angetan. Das, was ich in den USA verdiene, gebe ich für die Gastronomie dort wieder aus. Das ist eine unbezahlbare Weiterbildungsmaßnahme für mich.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Tristan Brandt

Brandt ist ehemals jüngster Zwei-Sterne-Koch Deutschlands, kulinarischer Berater und Unternehmer für Gourmet-Erlebnis-Konzepte. Unter dem Dach „by Tristan Brandt“ übernimmt der heute 38-Jährige Patronschaften für Restaurants, unterstützt Nachwuchstalente und organisiert Gourmet-Festivals. Schon ab 2013 prägte er die kulinarische Linie des berühmten OPUS V in Mannheim. Heute ist er neben dem Tambourine Room für die Restaurants 959 & Pino’s Bar in Heidelberg, epoca by Tristan Brandt im Fünf-Sterne-Superior-Hotel Waldhaus in Flims sowie Riva by Tristan Brandt in Pforzheim verantwortlich.

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