Betrieb

Mission Emission

CO2-Emissionen lassen sich nie ganz vermeiden. Aber Gastronomen und Hoteliers, die  wissen, wie viel klimaschädliche Gase sie ausstoßen, können mit sinnvollen Maßnahmen gegensteuern. Denn immer mehr Gästen ist nachhaltiges Wirtschaften wichtig. FRISCH zeigt, wie Betriebe zu ihrem ganz individuellen CO2-Fußabdruck kommen.

Wer mit Johannes Lichtmanegger spricht, merkt sofort, wie überzeugt er von dem Weg ist, den er vor fast zehn Jahren mit seinem Berghotel Rehlegg in der bayerischen Ramsau eingeschlagen hat. „Auslöser war bei meinem Cousin Franz und mir ein Wirte-Seminar in München. Damals gab es am Rande der Veranstaltung einen Vortrag zur Turbo-Schweinemast. Wir waren davon geschockt und dachten: Das muss doch anders gehen! Aus diesem Tierwohl-Gedanken heraus wollten wir dann zuerst möglichst viel auf regionalen Einkauf umstellen“, erzählt er.

Heute bezieht der Vier-Sterne-Superior-Betrieb fast alles aus der Region – vom schwarzen Alpenschwein bis hin zum alpinen Steinschaf. „Im Zuge dessen haben wir uns natürlich auch die Transportwege angesehen. Ein Lamm aus Neuseeland legt Luftlinie rund 20.000 Kilometer zurück. Da liegt es nahe, sich auch zu fragen, was das für die CO2-Bilanz des Hotels bedeutet“, schildert er, wie es dazu kam, dass der Familienbetrieb schon seit 2015 klimaneutral wirtschaftet, also seinen kompletten CO2-Ausstoß kompensiert.

Doch wie kommt man überhaupt zu genauen Werten für den eigenen CO2-Ausstoß? Ist es möglich, das zumindest anfangs selbst zu berechnen? Das sei schwierig bis unmöglich, meint Lichtmanegger und empfiehlt, sich gleich die Unterstützung eines spezialisierten Partners zu holen. Das Berghotel Rehlegg arbeitet etwa mit dem deutschen Unternehmen

Viabono zusammen, einem der ersten Anbieter für CO2-Analysen im Sektor Gastronomie und Tourismus am deutschen Markt.

Vorteil Datenbank

„Wir haben schon vor 15 Jahren den ersten CO2-Fußabdruck ausgearbeitet“, erinnert sich Viabono Geschäftsführer Peter Schulze-Isfort. „Seitdem füttern wir unsere Datenbank mit Zahlen primär aus der Gastronomie und Hotellerie. Das sehe ich als einen unserer großen Vorteile. Denn so haben wir Vergleichswerte und können sagen, wie ein Betrieb in Relation zu anderen in seiner Region abschneidet.“ 

Viabono hat auf Basis von Datenbank und CO2-Berechnung mittlerweile auch ein ganzes Zertifizierungssystem entwickelt. Wer ohne große Investition testen möchte, wie aufwändig ein solcher Prozess ist, kann beispielsweise den „Quick Check Umwelt“ durchlaufen. Dabei erfassen Betriebe online ihre Verbräuche in den Bereichen Heizung, Strom, Mobilität, Waren, Wasser und Abfall. Für 99 Euro exkl. MWSt., erhalten sie danach eine PDF-Auswertung mit Feedback und Verbesserungsvorschlägen. Der Vorteil: Es müssen keine umfassenden Kriterien- bzw. Erhebungsbögen ausgefüllt und keine Belege eingereicht werden. Der Nachteil: Es handelt sich um eine nicht 100 % treffsichere IST-Analyse und es ist keine Zertifizierung inkludiert.

Umfangreiche Erhebung

Wer auf genauere Werte pocht und sich zusätzlich zertifizieren lassen möchte, muss sich deshalb einen Viabono-CO2-Fußabdruck aller Emissionen eines Jahres errechnen lassen und dafür Belege liefern. Die Kosten dafür betragen  490 Euro exkl. Ist der umfangreiche Erhebungsbogen gewissenhaft ausgefüllt, bekommt der Betrieb eine genaue Aufstellung der Emissionen pro Gast und Übernachtung. Außerdem wird der vollständige Emissionswert genannt und in die Bereiche „Mobilität“, „Gebäude“, „F & B“, „Print“, „Reinigung/Wäsche“ sowie „Sonstiges“ aufgeschlüsselt. Das ermöglicht es, Verbrauchsspitzen und so genannte „Hotspots“ sehr schnell zuordnen zu können. Schließlich gibt es eine Einstufung in eine von sechs Klimaeffizienzklassen von A bis F, die die Basis für die einzelnen Zertifizierungen ist. Betriebe, die Effizienzklasse A oder B erreichen, können beispielsweise „klimaneutrale“ oder „klimafreundliche“ Übernachtungen anbieten, je nachdem wie viel des überschüssigen CO2-Ausschusses noch zusätzlich „kompensiert“ wird. Doch dazu später mehr.

Johannes Lichtmaneggers Berghotel Rehlegg ist sogar eines der ganz wenigen „Klima-Hotels“ in Deutschland. Das heißt, es hat die Klimaeffizienzklasse A erreicht und kompensiert sogar 10 % mehr CO2, als noch ausgestoßen wird. Dafür betreiben der Hotelier und sein Team aber auch einiges an Aufwand: „Am Anfang war die Erhebung der Daten brutal viel Arbeit“, erinnert er sich an die ersten Fußabdrücke. „Aber mit der Zeit spielt sich das ein. Dafür habe ich jetzt genaue Zahlen. Wir haben in den letzten Jahren unseren CO2-Ausstoß so durch die richtigen Maßnahmen um fast 60 % reduzieren können, den Energieverbrauch um 55 % und unseren Abfall um rund die Hälfte“, meint er stolz.

Potenzial Energiekosten

Und wie haben die Gäste darauf reagiert? „Die erste Zeit war zäh“, gibt der Hotelier ganz ehrlich zu. „Durch regionalen Wareneinkauf, Zertifizierung, Kompensation und Verbesserungsmaßnahmen hatten wir Mehrkosten im sechsstelligen Bereich jährlich, aber das Thema hat die Gäste noch nicht wirklich interessiert. Dank Greta Thunberg und der aktuellen Entwicklung ist das heute ganz anders. Klimaneutralität spielt jetzt eine viel größere Rolle und wir können deshalb auch die Preise durchsetzen, die wir brauchen.“  

Ein weiterer Faktor sei, dass Investitionen in einen geringeren CO2-Ausstoß fast immer weniger Energiekosten bedeuten würden. „Wir haben beispielsweise 2015 ein Blockheizkraftwerk errichten lassen, das seither ohne größere Wartungsmaßnahmen durchgehend läuft. Gerade für Ganzjahresbetriebe mit Wellnessbereich ist das ideal. Allein dadurch sparen wir uns etwa 70.000 Euro jährlich. Ab nächstem Jahr wollen wir zusätzlich ohne fremden Strom auskommen. Damit könnten wir uns zusätzlich von Preissteigerungen wie zuletzt abkoppeln.“

Klare Zuständigkeiten

Von Erfahrungen, wie sie Johannes Lichtmanegger in Bayern mit seinen Gästen gemacht hat, berichten auch Dieter Niewierra und Julia Kunz von ClimatePartner, einem großen Beratungsunternehmen aus München mit vielen Kunden in der Gastronomie und Hotellerie, die auch am österreichischen Markt sehr aktiv sind. „Mittlerweile sprechen die Gäste das Thema CO2-Ausstoß und Klima regelmäßig selbst in den Hotels an. Außerdem gibt es viele Betriebe, die durch die aktuelle Situation erstmals die Zeit hatten, sich über einen CO2-Fußabdruck Gedanken zu machen und die entsprechenden Daten zusammenzusammeln", so Niewerra. Auch er räumt ein, dass der Aufwand dafür nicht zu unterschätzen ist. Zwei bis drei Wochen brauche ein kleiner Betrieb, um die Daten zusammenzustellen, bei Ketten oder größeren Häusern könne es aber auch schon mal zwei bis drei Monaten dauern. „Wir raten Kunden in unserem Kick-off-Workshop, dass sie eine Person benennen sollen, die für das Thema verantwortlich ist und der alle anderen im Unternehmen zuarbeiten.“ Denn die Daten für die Berechnung kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen eines Betriebs. Die Profis von ClimatePartner teilen sie laut Vorgaben des „Greenhouse Gas Protocol“ in drei große Sektoren ein, sogenannte „Scopes“. Der erste Scope sind die Emissionen, die ein Betrieb direkt verursacht. Dazu zählt etwa, wenn noch eine Ölheizung betrieben wird oder ein Firmenfahrzeug Gäste vom Bahnhof abholt. Der zweite Bereich sind zugekaufte Emissionen, wie beispielsweise der Strom vom jeweiligen regionalen Anbieter. Der letzte Scope ist schließlich der komplexeste. Er umfasst alle vor- und nachgelagerten Prozesse des eigenen Wirtschaftens. Hier wird zum Beispiel erfasst, wie und wie viele Kilometer die Gäste ins Hotel an- und abreisen, welche Wege die Angestellten zur Arbeit nehmen oder welche Emissionen die Herstellung und der Transport von Produkten verursacht, die in der Küche verarbeitet werden. Für vieles davon gibt es mittlerweile Datenbanken wie „ecoinvent“, die entsprechende CO2-Standardwerte gegen Gebühr für die Berechnung zugänglich machen. „Bei den verwendeten Lebensmitteln macht das beispielsweise Sinn“, erklärt Julia Kunz, eine der Expertinnen speziell für die Gastronomie und Hotellerie bei ClimatePartner. „Natürlich machen wir trotzdem Plausibilitätsprüfungen und haben auch einen gewissen Sicherheitsaufschlag, den wir bei unseren Berechnungen berücksichtigen.“

Faktor Butter

Und welche Lebensmittel verursachen am meisten CO2-Emissionen? „Ganz klar die Butter!“, nennt Julia Kunz ein Produkt, das wohl die wenigsten erwartet hätten. Das habe vor allem damit zu tun, dass bei der Haltung der Kühe und der Produktion selbst bereits viel CO2 ausgestoßen werde. Darüber hinaus müsse die fertige Butter über den gesamten Nutzungszyklus hinweg ununterbrochen gekühlt werden, erklärt sie. Bei Restaurants und Gasthäusern sieht sie deshalb viele Möglichkeiten, den eigenen CO2-Fußabdruck zu reduzieren – nicht nur bei den klaren Emissions-Spitzenreitern Wärme und Elektrizität. Auch wer mehr pflanzliche Produkte in der Küche verwendet und den Anteil der tierischen Nahrungsmittel reduziert, tut etwas für die Umwelt. Geflügel und Schwein haben dabei einen viel kleineren CO2-Fußabdruck als Rind. Auch Sahne, Käse und Butter schlagen mit höheren Werten zu Buche als Joghurt und Frischkäse. Daneben sind für Restaurants auch die Abfallvermeidung, der Wasserverbrauch und die Menge und Art der verwendeten Reinigungsmittel relevant.

Wer wissen möchte, wie viel CO2 sich im Restaurant-Kontext vermeiden lässt, wenn man das alles berücksichtigt und verbessert, sollte sich eine Studie ansehen, die die Vereinigung Slow Food in Italien gemacht hat. Darin wird ein fiktives, konventionell arbeitendes Lokal mit dem Restaurant Les Résistants in Paris verglichen, das extrem viel Wert auf regionale Produkte aus ganz Frankreich und nachhaltiges Wirtschaften legt (siehe Kasten). Das Ergebnis: Das nachhaltige Restaurant stößt um 230 Tonnen CO2 im Jahr weniger aus als das Vergleichslokal – und das ohne auf Rindfleisch, Butter und Fisch zu verzichten.

Orientierung im Labelwald

Über 60 Tonnen CO2 fallen freilich selbst im Les Résistants als Emissionen jährlich an. Denn kein Betrieb kann CO2-Ausstoß ganz vermeiden. Wer sich also „klimaneutral“ oder „klimapositiv“ nennen möchte, muss diese Mengen „kompensieren“. Dafür werden Klimaschutzprojekte überall auf der Welt mit Geld unterstützt. Die „Klima-Hotels“ zahlen etwa rund 8,50 Euro pro Tonne CO2 für ein Aufforstungsprojekt in Panama, durch das CO2 wieder aus der Atmosphäre gebunden werden soll. Man kann aber auch Initiativen in Österreich und Deutschland unterstützen. Viabono betreibt etwa zusätzlich ein Projekt in Mecklenburg und Johannes Lichtmanegger hat mit Gleichgesinnten positerra.org gegründet, ein eigenes Projekt zum Humusaufbau und zur Bodenverbesserung in Bayern. Die Kosten pro Tonne CO2 sind in Deutschland oder Österreich zwar in der Regel um ein Vielfaches höher, dafür bleibt das Geld aber auch im Land (siehe Interview).

Ob es die Umweltzeichen, die für eine gute CO2-Bilanz und Kompensationszahlungen verliehen werden, wert sind, muss am Ende jeder für sich selbst entscheiden. Um 20 % sei die Nachfrage nach nachhaltigem Tourismus in den letzten Jahren gestiegen, meint etwa Peter Schulze-Isfort von Viabono. Also würde das Bemühen um ein Label für Klimaneutralität durchaus Sinn machen? Für Christine Schwarzenbacher vom Hotel Arlbergerhof VITAL am Kärntner Weißensee ist das nicht ganz so eindeutig. Auch sie ist zwar seit letztem Jahr mit ihrem Betrieb Mitglied beim Zertifizierungssystem Slow Food. Die Menge an unterschiedlichen Labels sieht sie aber trotzdem kritisch. „Es gibt einfach zu viele. Die Menschen kennen sich da nicht mehr aus. Wir erklären unseren Gästen lieber selbst, warum es bei uns im Winter keine frischen Erdbeeren gibt, und agieren mit Hausverstand. Wir verarbeiten nur ganze Tiere, legen viel für den Winter ein und verarbeiten in der Küche möglichst viele Abfälle. Aus Rhabarber-Schalen wird bei uns zum Beispiel Sirup. Das verstehen die Gäste sofort.“ Auch ein guter Zugang.

 

„Innovationen werden immer nachgefragt.“

Theresa Haid ist Geschäftsführerin von Vitalpin. FRISCH erklärt sie, warum sie in klimaneutralem Wirtschaften eines der wichtigen Zukunftsthemen des Tourismus in den Alpen sieht.

Was ist Vitalpin eigentlich, Frau Haid?

Wir sind ein alpenweiter Zusammenschluss von Tourismusunternehmen, der helfen möchte, den Tourismus in der Alpenregion zukunftstauglich aufzustellen. Klimaschutz gehört für uns als zentrales Element dazu, weil für uns die beiden Themen Hand in Hand gehen. Dafür wollen wir auch mehr Bewusstsein in der Branche schaffen.

Gelingt Ihnen das?

Momentan gibt es natürlich viele drängende Probleme. Aber interessanterweise kommen gerade jetzt viele Betriebe auf uns zu, weil sie sowieso Veränderungsprozesse anstoßen müssen und auch ein wenig mehr Zeit haben, sich zum Beispiel ihre Energieverbräuche und ihren CO2-Ausstoß anzusehen.

Wie können Sie dabei unterstützen?

Wir bieten Klimaschutz-Pakete an. Das beginnt bei der Status-quo-Analyse der CO2-Emissionen, geht über eine Analyse von Verbesserungspotenzialen auf Basis dieser Daten und endet bei der Unterstützung von konkreten Maßnahmen bei der Umsetzung.

Was kostet das bei Vitalpin?

Ein Hotel bis 50 Betten zahlt als Vitalpin-Mitglied etwa 350 Euro für einen CO2-Fußabdruck. Auch für ein normal großes Restaurant kostet es in etwa so viel. Wir wollen hier ein so einfaches und günstiges Angebot wie möglich machen und die Angst vor der Komplexität des Themas nehmen. Deswegen nutzen wir auch ein Online-Tool von ClimatePartner.

Wo sehen Sie die größten Einsparungspotenziale?

Natürlich ist die Einsparung von Energie immer der wichtigste und ökonomisch sinnvollste Ansatzpunkt. Aber gerade in der Gastronomie ist die Vermeidung von Abfall auch ein sehr großer Hebel. Manche Betriebe können durch Anstrengungen in diesem Bereich ihren CO2-Fußabdruck um bis zu 20 % reduzieren. 

Kann man mit solchen Maßnahmen überhaupt Gäste gewinnen?

Innovationen werden immer nachgefragt und verkaufen sich auch. Ich muss nur richtig kommunizieren. Ein Label alleine reicht nicht, man muss die eigene Nachhaltigkeitsstrategie auch für den Gast erlebbar machen. Etwa indem man Gästen regionale Lebensmittel durch Wanderungen näherbringt oder persönlich und charmant darüber aufklärt, warum es im Winter kein frisches Obst beim Frühstück gibt, sondern nur eingelegtes.

Emissionen lassen sich nicht ganz verhindern. Sie haben deshalb ein spezielles Kompensationsprojekt ins Leben gerufen. Warum?

Bisher ist es oft noch schwer, CO2-Emissionen durch die Investition in regionale Kompensationsmaßnahmen auszugleichen, die das Klima direkt im Alpenraum schützen. Mit „Vitalpin KlimaInvestment“ wollen wir das ändern. Dabei können Initiativen aus den Alpen ihre Klimaschutzprojekte einreichen. Eine Jury entscheidet darüber und die Projekte werden dann mit Geld aus dem Klimaschutztopf unserer Partnerunternehmen gefördert. Wir hatten schon beim ersten Mal 40 Einreichungen. Eines der nominierten Projekte ist beispielsweise das Restaurant Guat’z Essen aus dem Zillertal, das mit Produkten aus der eigenen Permakultur für sein vegetarisches Menü arbeitet. Solchen Best-Practice-Beispielen wollen wir mit unserer Initiative eine breitere Bühne geben. 

 

Theresa Haid

Vollbluttouristikerin, stolze Mutter und heimatverbundene Zillertalerin: Theresa Haid ist als Geschäftsführerin sowohl der strategische als auch der kreative Kopf hinter Vitalpin. Der Verein versteht sich als Sprachrohr des Tourismus, der im Dialog mit der Branche, NGOs und der Politik zukunftsweisende Tourismuskonzepte mitgestalten möchte.

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