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Mutterstadt

Südafrikaner nennen Kapstadt gerne ihre „Mother City“. Nicht nur deshalb, weil sich hier am Zusammenfluss von Südatlantik und Indischem Ozean die erste moderne Metropole des Kontinents entwickelte, Sondern auch, weil es wenige Städte gibt, die schöner in die Landschaft eingebettet sind und in denen man besser genießen kann.

Das hier muss man einfach lieben“, lacht Karen Dudley, während sie in die Frühlings-Sonne blinzelt. Dann erzählt sie, dass sie von ihrem kleinen Häuschen im hippen Stadtteil Woodstock aus in wenigen Minuten zum Meer auf der einen und in den Nationalpark rund um die schroffen Hänge des Tafelbergs auf der anderen Seite spazieren kann. Die in ganz Südafrika bekannte Fernsehköchin gehört zu denen, die zum Aufschwung des Industrieviertels neben dem Central Business District beigetragen haben. „Als wir hier vor mehr als zehn Jahren für The Kitchen einen völlig ausgebrannten Fischladen renovierten, kamen die Kapstädter nach Woodstock nur, um ihr Auto reparieren zu lassen oder Drogen zu kaufen“, grinst die 53-Jährige.

Ihre Catering-Firma und das Restaurant The Kitchen gehörten lange zu den Aushängeschildern des Viertels, das immer mehr Kreative und Künstler anzog. Selbst Michelle Obama schaute beim Staatsbesuch ihres Mannes vorbei und probierte eines von Dudleys vegetarischen „Love Sandwiches“. „Als wir 2009 eröffneten, gab es in Kapstadt nur eine Handvoll Fine-Dining-Restaurants, dafür aber sehr viele mittelmäßige Ketten-Läden. Ich habe bewiesen, dass Qualität und Kreativität  auch bei wesentlich günstigeren Preisen möglich sind“, sagt sie heute stolz. Sie beförderte damit in der afrikanischen Großstadt eine generelle Entwicklung in Richtung Top-Bioprodukte und kreative Kulinarik.

Kreativbude Keksfabrik

Ein Sinnbild dafür ist der Neighbourgoods Market in einer alten Keksfabrik, die von Dudleys Haus aus nur einen 20-minütigen Fußweg die Sir Lowry Road hinunter entfernt liegt. In der perfekt renovierten Backsteinhalle der „Old Biscuit Mill“ wuselt es auch heute. Essensstandln bieten alles von kreativen Salat-Bowls über koreanische Küche bis hin zu türkischem Döner, den ein Deutscher über die Budel reicht. Dazu gibt es ein unglaublich reichhaltiges Angebot an exotischen Früchten und Gewürzen aus Asien sowie die Bioprodukte von den Farmen aus den ländlichen Vororten Stellenbosch und Franschhoek. Ganz früh am Morgen trifft man hier ab und zu auch Luke Dale Roberts, den Star der südafrikanischen Küche. Mit dem Pot Luck Club betreibt er im obersten Stockwerk eines alten Silos direkt gegenüber vom Markt eines seiner Top-Restaurants. Dort lässt er aus einer offenen Küche fein ziselierte Miniteller schicken, die in entspannter Atmosphäre geteilt werden. Ein asiatisch beeinflusstes Beef Tartar mit Hoisin Dressing, Koriander-Pesto und Ponzu-Mayo etwa. Oder kurz gebratenen Thunfisch in Tom-Yum-Brühe, den der Service mit einem für die heimische Malay-Küche typischen Sambal aus Tamarinde, einer Erdnuss-Sauce (Satay) und Basilikum-Öl an den Tisch bringt. Wie kommt er auf sowas? „Essen spiegelt immer die Person, den Koch, wider“, meint der vor ein paar Jahren eingewanderte Brite: „ Ich bin ein Freigeist, ein Grenzgänger – und so sind auch meine Gerichte. Stillos und doch stilvoll.“

Letzteres könnte man auch über Kapstadts Küche sagen. Denn durch die frühe Kolonialisierung und die vielen Einwanderer sind die kulinarischen Einflüsse hier so vielfältig, dass der Überblick schnell verloren geht. Die Holländer, die Afrikas südlichste Metropole als Handelsposten 1653 gründeten, hinterließen genauso ihre Spuren wie die Briten, die sie im 19. Jahrhundert eroberten oder die Franzosen, die den Weinbau ins Land brachten. Dazu kommen die Einflüsse der Essgewohnheiten afrikanischer Stämme wie der Xhosa, die immer schon in den Gebieten rund ums Kap wohnten, sowie die asiatischen Gewürze, Zutaten und Kochtechniken, die die sogenannten Kap-Malay schon in der Frühphase der Kolonie aus Indonesien mitbrachten. Für Luke Dale Roberts sind das gute Voraussetzungen, um eine eigenständige Spitzengastronomie aufzubauen: „Spätestens in zehn bis 15 Jahren wird Südafrika in einem Atemzug mit den führenden Genussnationen Frankreich, Amerika und Japan genannt werden“, glaubt er: „Dieser Wandel ist besonders bei den Produzenten spürbar. Es gibt immer mehr kleine regionale Hersteller, die ausgezeichnete Qualität liefern. Angefangen bei Gemüse über Fleisch bis hin zu Käse. Das ist eine Basis, die in den Küchen Raum für Kreativität und Innovation schafft.“

Dieser typisch südafrikanische Optimismus hat durch die aktuelle Entwicklung allerdings einen gehörigen Dämpfer bekommen. Durch Lockdowns und das zeitweilige Verbot, Alkohol auszuschenken, haben viele Gastronomen extrem gelitten. Etwa 3.000 Lokale mussten angeblich schließen, darunter auch Roberts berühmte Test Kitchen und Dudleys  vegetarisches Kultrestaurant. Die sieht darin allerdings nicht nur Negatives: „Ich glaube, dass viele Gastronomen sich jetzt endlich trauen, einen fairen Preis für ihr Angebot zu verlangen. Das war vorher nicht unbedingt so. Ich selbst brauchte mindestens 150 oder 200 Cover am Tag, um wirtschaftlich zu arbeiten.“

 

Direktflug in den Sommer

Solche Gästefrequenzen wieder zu erreichen, bleibt aktuell schwierig, weil trotz stetiger Lockerung der Maßnahmen noch vergleichsweise wenige Touristen Kapstadt-Tickets buchen. Vor 2020 stürmten die Stadt besonders ab November Gäste aus aller Welt, um hier eine Auszeit vom Winter auf der Nordhalbkugel zu nehmen und per Direktflieger in den südafrikanischen Sommer zu segeln. Davon profitierte auch Harald Bresselschmidt, der mit seinem Aubergine seit 20 Jahren im Zentrum eines der ersten Fine-Dining-Restaurants der Stadt führt. „Wir hatten die letzten Jahre eine sehr dynamische Entwicklung bei den Gästezahlen“, erzählt der Deutsche, der auf einem Bauernhof in der Eifel groß geworden ist. „Kapstadt ist unglaublich schön. Das Meer lädt zum Schwimmen und Surfen ein, die Berge zum Wandern und die Weinbaugebiete zum Genießen“, schwärmt er von seiner neuen Heimat. Die Fußball-WM 2010 habe viel dazu beigetragen, dass sich diese Vorzüge auch in Europa herumgesprochen haben. Außerdem hätten in den letzten Jahren viele Großkonzerne begonnen, ihre Incentive-Reisen für Top-Mitarbeiter in Kapstadt zu organisieren, so Bresselschmidt. „Wir werden sicher zwei oder drei Jahre brauchen, bis es wird wie vorher. Aber die Gäste werden kommen, da bin ich sicher“, ist er zuversichtlich.

Dabei kommt der Gastroszene in Kapstadt zugute, dass sich viele Topküchen auch in schwachen Zeiten auf die Unterstützung der großen Weingüter verlassen können. Ein Beispiel dafür ist das La Colombe, wo derzeit der junge Executive Chef James Gaag die Löffel schwingt. Das Restaurant des Silvermist Estate liegt inmitten biodynamisch bewirtschafteter Weinberge malerisch auf einem Hügel über dem noblen Viertel Constantia. Von hier schweift der Blick beim Dinner über die False Bay und die Felsen des Tafelbergs. Es ist kaum zu glauben, dass man sich noch mitten in der Millionenstadt befindet. Die Teller, die Gaag schickt, können trotzdem locker mit der Szenerie mithalten. Das Stubenküken mit Tiger-Garnelen und Miso-Mais etwa oder „Snoek Malay Style“,  ein innovativ gewürztes Gericht mit Hechtmakrele (Afrikaans: Snoek), einem seltenen Speisefisch, der in den Gewässern vor Kapstadt häufig vorkommt. Gaag zeigt mit diesen Gerichten auch, dass er dem Druck standhalten kann, den jeder Küchenchef im La Colombe aushalten muss. Denn seine Vorgänger haben allesamt die kulinarische Entwicklung Südafrikas geprägt. Der bereits genannte Luke Dale Roberts war hier ebenso Küchenchef wie der Franzose Frank Dangereux, der mittlerweile mit seiner Food Barn im Noordhoek Farm Village Erfolge feiert. 

 

Überall Europäer

Dadurch wird dem außenstehenden Betrachter erst bewusst, dass die gehobene Foodszene der wichtigsten afrikanischen Gastrometropole fast ausschließlich in europäischer oder europäisch-stämmiger Hand ist. Denn neben Roberts und Dangereux expandiert auch der Ire Liam Tomlin gerade mit seinem Gastroimperium. Begonnen hat er 2009 frisch aus Sydney kommend als Berater für die Singita-Buschhotels. Dann eröffnete er sein Chef's Warehouse in der pulsierenden Bree Street mit einem für Südafrika innovativen Tapas-for-Tow-Konzept und seitdem kennt er nur noch die Überholspur. Mit seinen Konzepten kooperiert er mittlerweile natürlich auch mit den Weinproduzenten. Etwa für das Maison im Weindörfchen Franschhoek knapp vor den Toren der Stadt oder das Beau Constantia. Er hat aber auch urbanere Neuinterpretationen im Portfolio. Das Thali ist einer der spannendsten Inder in einer Stadt, die eine riesige indische Einwanderer-Community beherbergt. Und mit dem kürzlich eröffneten Local hat sich der Multigastronom ein Konzept mitten im Central Business District ausgedacht, das Shoppen und kulinarische Genüsse kombiniert. Tomlin betreibt dort etwa mit dem Caffe Milano eine Pasticceria & Bar, mit dem Mazza ein Tapas-Restaurant wie im Mittleren Osten und mit dem Yaki ein Izakaya-Konzept, das ganz auf Yakitori-Spießchen setzt.

 

Back to Africa

Interessant und erfolgreich ist das alles. Aber wo bleiben die genuin afrikanischen Gastronomen und ihre kulinarischen Ansätze? Noch findet man sie selten oder nur folkloristisch aufbereitet wie im The Africa Café, das speziell für Touristen eine 14-gängige Reise durch den Kontinent anbietet. Wer etwas Mut aufbringt, kann allerdings hoffentlich bald wieder im Township Gugulethu, etwa 15 Kilometer von der Innenstadt entfernt, bei Metzger Mzoli Ngcawuzele eine echt südafrikanische Grillerei genießen – ein sogenanntes „Braai“. Dafür suchen sich die Gäste an der Fleischtheke die besten Cuts oder die typisch lang aufgerollte „Boerewors“ aus und lassen sie von Mzolis in der Gluthitze schwitzenden Jungs im Hinterzimmer direkt auf riesige Holzfeuergrills werfen. Serviert wird dann mit der typisch südafrikanische „Braai“-Sauce auf Tomatenbasis und „Ugali“ oder „Pap“ als Beilage. Das ist ein Getreidebrei aus Maismehl, der zu relativ fester Konsistenz gekocht wird und dann wie ein Kloß auf den Teller kommt. Gegessen wird schließlich, wie bei uns zur Kirchweih, in Festzelten, in denen ein DJ höllenlaut die südafrikanische House-Spielart Kwaito aus den Boxen pumpt. Anders. Aber geil.

Trotzdem können solche Lokale natürlich kaum zu einer Weiterentwicklung lokaler afrikanischer Küchenstilistik beitragen. In dieser Hinsicht ruht derzeit viel Hoffnung auf Abigail Mbalos Schultern. Die Zahntechnikerin ist erst durch ihre Teilname beim „MasterChef South Africa“-Bewerb im Fernsehen zu der Überzeugung gelangt, dass sie ihre berufliche Zukunft doch in der Gastronomie suchen möchte. Sie versuchte sich erst an einem Foodtruck und konnte dann mit den Erlösen ihr Restaurant 4Roomed eKasi Culture im Township Khayelitsha eröffnen. Dort versucht sie nun die Küche der Townships und der südafrikanischen Xhosa-Kultur mit neuen Kochmethoden und anderer Präsentation auf das nächste Level zu heben. Der allgegenwärtige Pap wird bei ihr beispielsweise in einer verfeinerten Form mit Butternusskürbis, etwas Muskatnuss und Trüffelöl serviert. Und als Dessert gibt es den „Milk Man“, einen fermentierten Kuhmilchkäse (Amasi), in den Mbalo Zitronenverbene spritzt und den sie schließlich mit frischen Früchten und kleinen Äpfeln aus Toffee serviert – eine Reminiszenz an eine sehr einfache Süßigkeit ihrer Kindheit.

Es ist beeindruckend, dass Mbalo für dieses Konzept bewusst in ihrem Township geblieben ist. Sie ist überzeugt, dass sich die ökonomische Situation in den Armenvierteln nie bessert, wenn die gut ausgebildeten Menschen wegziehen, sobald sie Erfolg haben. Sie möchte mit ihrer Geschäftsidee deshalb auch ein Vorbild für die Community sein und Nachahmer inspirieren. Bleibt zu hoffen, dass auch Restaurantkonzepte wie ihres das vorübergehende Ausbleiben der Touristen überleben. Aber es gibt Hoffnung: In Kapstadt beginnt gerade die Sommersaison. Gute Voraussetzungen für einen Neustart. 

3 Konzepte - Kapstadts Kreative

1 – ËLGR

Ein Schwede in Afrika 

Was macht ein Schwede am südlichsten Zipfel Afrikas? Ziemlich gut kochen natürlich. Jesper Nilsson kam mit seinen Eltern als Jugendlicher nach Südafrika und hat sich nach einer Ausbildung am Institute of Culinary Arts in Stellenbosch durch die Top-Küchen der Stadt gearbeitet. Mit dem eigenen Restaurant versucht er nun seine Herkunft in ein kulinarisches Konzept zu gießen, das nordische Reduktion aufs Wesentliche und südafrikanisches Multikulti vereint. Also sieht sein Lokal innen aus, als ob es auch in Stockholm, Malmö oder Kopenhagen stehen könnte. Und natürlich fokussiert er sich auf seinen Tellern voll auf nur wenige Bioprodukte, die er in bester Qualität von den Farmern in Franschhoek und Stellenbosch ernten lässt. Konterkariert wird das allerdings von einer ziemlich mutigen Offenheit gegenüber Einflüssen aus aller Welt. So ist sein Laden auch für neapolitanische Pizza bekannt. Echt.

 

2 – The Neighbourgoods Market

Schlemmen in der Keksfabrik

Wer in Kapstadt möglichst viele verschiedene Küchen durchprobieren möchte, sollte die „Old Biscuit Mill“ im Stadtviertel Woodstook ansteuern. Dort hat sich in einer alten Industrieanlage ein Markt für Essen, Design und Lebensmittel etabliert, der jeden Samstag Kreative, Touristen und Einheimische in Scharen anzieht. Unbedingt probieren sollte man die Korean Kitchen, Annie's Cape Malay Cuisine und Edo, ein Konzept, bei dem in einen mexikanischen Burrito Nori-Blätter mit in Rote-Rüben-Saft getränktem Sushi-Reis, verschiedene Biogemüse sowie Rind, Huhn oder  frischer Yellowfin-

Thunfisch eingerollt werden. Klingt seltsam, schmeckt aber überraschend gut. Gleich gegenüber befindet sich in einem alten Silo übrigens mit dem Pot Luck Club eines der besten Restaurants der Stadt.

 

3 – Tjing Tjing

Japanischer Freudentempel

Das Tjing Tjing ist nicht ein einziges Lokal, sondern gleich vier, die jeweils ein Stockwerk eines Hauses in der Longmarket Street im Central Business District einnehmen. Die Idee dazu hatten drei Südafrikanerinnen, die sich in die Ess- und Designkultur Tokios verliebt haben. Im Erdgeschoss fühlt man sich deshalb wie in den Fast Casual Restaurants in Tokios hippem Modebezirk Shinjuku mit ihren Ramen- und Yakitori-Gerichten. Im ersten Stock überzeugt ein Kaeseki-Menü mit Wein- oder Sake-Pairing vom Feinsten und darüber gibt es noch zwei Cocktailbars. Eine davon bietet vom Dach des Hauses einen atemberaubenden Blick über die Stadt. Dort servieren die Barkeeper Signature-Cocktails, eine große Auswahl Sake und japanischen Whisky. Dazu gibt es leckere Otsumami, also kleine japansiche Barsnacks, während aus den Boxen elektronische Indie-Musik schallt. Kein Wunder, dass der Laden immer voll ist.

Interview

„Ich bin der Jamie Oliver Südafrikas.“

Harald Bresselschmidt betreibt seit 25 Jahren sein Restaurant Aubergine in Kapstadt und hat damit als Deutscher aus der Eifel eine kulinarische Institution geschaffen.

Wie kommen Sie von der Eifel nach Kapstadt, Herr Bresselschmidt?

Ich hatte einen Kollegen, der mir immer von Afrika vorschwärmte, weil er mal in Namibia gearbeitet hat. 1992 habe ich deshalb die Chance ergriffen, für die Grand Roche Hotels nach Kapstadt zu gehen. Schon vier Jahre später konnte ich mir dann den Traum vom eigenen Restaurant erfüllen.

Beeindruckend. Wie sieht Ihr kulinarischer Ansatz aus?

Das Geheimnis ist, dass wir sehr flexibel sind. Auf der einen Seite können wir Degustationsmenüs auf hohem Niveau bieten. Andererseits haben die Südafrikaner eine stark ausgeprägte À-la-Carte-Mentalität. Wir haben deshalb immer klassische, internationale Gerichte auf der Karte, bei denen der Fokus auf perfekter Technik und besten Produkten liegt.

Spielen bei Ihrer Küchenlinie auch südafrikanische Elemente eine Rolle?

Ein wenig über die Produkte. Wir verwenden zum Beispiel Kudu- und Straußenfleisch. Auch Meeresfrüchte gibt es in bester Qualität – Meeresschnecken zum Beispiel oder die Felsenaustern aus der Mossel Bay. Aber sonst ist es für mich schwierig, mir bei der heimischen Küche Inspirationen zu holen. Durch die Apartheid gibt es sehr viel Brei und Eintöpfe, die in den Townships in großen Eisenkesseln über offenem Feuer schmoren. Auch Lämmer werden zum Beispiel im Ganzen in großen Öfen vollkommen übergart. Das ist schon recht eintönig. Interessant sind dagegen die Gerichte der Malay-Küche. Da wird sehr viel mit Gewürzen gearbeitet. Das finde ich spannend.

Die Gastro in Kapstadt wurde von der Gesundheitskrise hart getroffen. Wie erleben Sie die Situation?

Wir haben schon viele schwere Zeiten überstanden. Trotzdem ist die aktuelle Lage natürlich eine große Herausforderung. Wir durften bis vor kurzem beispielsweise nur bis 21 Uhr öffnen und nur bis 20 Uhr Alkohol ausschenken. Zum Glück konnte ich mir in den letzten 25 Jahren genug Rücklagen bilden. Für viele Kollegen sind aber die hohen Pachten in Kapstadt jetzt ein echtes Problem.

Bei uns ist auch die Mitarbeitersuche eine Herausforderung. Bekommen Sie in Kapstadt leicht gut ausgebildete Leute?

Das ist auch hier schwierig. Heimische Kräfte gibt es zwar prinzipiell genug. Aber sie teilen sich in zwei Gruppen. Ich engagiere mich beispielsweise für die AbsolventInnen der Kochschule Infinity Culinary Training (ICT). Das sind junge Menschen aus den Townships, die dort eine kostenlose Ausbildung bekommen. Ich bin in dieser Hinsicht sowas wie der Jamie Oliver Südafrikas. (lacht) Mit unseren Ausbildungsstandards ist das aber nicht vergleichbar. Ich muss diese MitarbeiterInnen also dann in meiner Küche fertig ausbilden. Professionellere Kochschulen sind hier dagegen sehr teuer. Viele, die dort ihren Abschluss gemacht haben, erwarten, dass sie nicht mehr hart arbeiten müssen.

Wäre es auch für Köche aus dem Ausland möglich, bei Ihnen zu arbeiten?

Bis vor fünf oder sechs Jahren konnten wir noch ausländische Köche herholen, aber das wird leider immer schwieriger. Die Regierung versucht das aktiv zu verhindern und es gibt kaum noch Arbeitsvisa für Köche.

Wie sehen Sie die Zukunft?

Trotz allem positiv. Ich glaube, dass wir in spätestens zwei Jahren das Schlimmste überstanden haben. Kapstadt ist unglaublich schön und eine Traumdestination für Foodies. Außerdem beginnt bei uns bald der Sommer und die Covid-Maßnahmen werden immer weiter zurückgenommen. 

 

HARALD

BRESSELSCHMIDT

Harald Bresselschmidt ist auf einem Bauernhof in der Nähe von Gerlostein in der Eifel aufgewachsen. Mit 15 lernte er in Echternach Koch und absolvierte danach viele Stationen in Europa, bevor er 1992 für das Grand Roche Hotel nach Kapstadt ging. Seit 1996 besitzt er dort das Restaurant Aubergine.

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