International

Neotantrismus

Seit den 1970ern bestimmt das Tantris in München mit, wie sich die Stadt und ganz Deutschland kulinarisch entwickelt. Jetzt erfindet es sich neu und wird damit ab Herbst Teil einer Aufbruchstimmung in der Gastro, wie ihn die bayerische Metropole lange nicht gesehen hat.

Am Anfang war das Tantris. Moment, ist das nicht zu dick aufgetragen? Vielleicht. Doch diesem kulinarischen Hobby eines Münchner Bauunternehmers kann wohl niemand absprechen, eines der wichtigsten Restaurants für den Aufschwung der Hochküche in Deutschland zu sein. Vom „deutschen Küchenwunder“ träumten die Journalisten damals nach der Eröffnung 1971 und feierten den Aufbruch Richtung feine französische Cuisine genau dort, wo Weißwürste, Schweinsbraten und eine Maß lange als Maß der kulinarischen Glückseligkeit galten.

Freilich befeuerten in dessen zeitgeistig orange gefliestem Maschinenraum vor allem Österreicher den Höhenflug des großen Nachbarn. Allen voran Eckart Witzigmann, über den man hier wohl nicht mehr viele Worte verlieren muss. Danach übernahm der Südtiroler Heinz Winkler das Szepter, der es wie Witzigmann vor ihm schaffte, drei Sterne nach München zu holen. Zuletzt kochte dann der Tiroler Hans Haas im von Architekt Julius Dahinden designten, denkmalgeschützten 70er-Jahre-Bau an der Johann-Fichte-Straße groß auf.

Haas ging letztes Jahr in Rente und ganz München fragte sich: Was passiert jetzt? Erst einmal lange nichts. Denn seit Anfang 2021 ist das Tantris geschlossen. Eigentlich sollte es diesen Sommer völlig umgebaut, mit neuem Konzept, Namen und Team aus seinem Dornröschenschlaf geweckt werden. Aber der Umbau eines alten, denkmalgeschützten Gebäudes und das Weltgeschehen halten eben Unvorhersehbares bereit. Deswegen wird es wohl mit der Eröffnung bis in den Oktober dauern. Das Tantris steht damit aktuell für einen Umbruch in Münchens Gastroszene, der viele auf den Herbst hoffen lässt. Ohne schmerzhafte Abschiede geht es dabei leider nicht. Die beiden größten Aufreger: Alfons Schuhbeck schlittert mit seinem kleinen Gastroimperium aus Orlando und Südtiroler Stuben am Platzl in der Altstadt in die Insolvenz. Ein herber Schlag für München, denn die Marke Schuhbeck strahlte dank TV-Präsenz auch weit über die Stadtgrenzen hinaus. Ähnlich bitter: Jan Hartwig hört im Restaurant Atelier des edlen Hotels Bayerischer Hof auf. Damit verlässt im Herbst jener Küchendirigent den Pass, der 2017 wieder eine Drei-Sterne-Bewertung schaffte – über 20 Jahre nach Witzigmann und Winkler.

 

Neustart im Herbst

Mit Tohru Nakamura verlor 2020 zudem einer der spannendsten jungen Köche mit dem von der omnipräsenten Geisel Hotelgruppe betriebenen Werneckhof sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitsstätte. Und das, obwohl er kurz vorher mit 19 Punkten von Gault Millau noch zum „Koch des Jahres“ gekürt worden war. Doch Abschiede setzten zum Glück immer auch die Energie für einen Neuanfang frei. Das zeigt das Beispiel Nakamura ganz besonders. Der geborene Münchner ist Sohn eines japanischen Vaters und einer deutschen Mutter und hat Stationen bei Joachim Wissler, Sergio Herman und im Dreisterner Ishikawa in Tokio hinter sich. Aus dieser interessanten Vita puzzelt sich einer der spannendsten kulinarischen Ansätze in einer Stadt zusammen, die dank Tantris sonst enorm stark von französischer Klassik geprägt ist.

Aktuell kann man ihn in seinem Pop-up im gerade neu entstehenden Werksviertel erkosten. Dort kreiert Nakamura als Zwischennutzer im Loft eines Gastrokollegen in 30 Metern Höhe Gerichte, die Aromen und Geschmacksnuancen fein austarieren und ihnen meist eine japanische Note verpassen. Selbst bei einem Gang, der sich „Münchner Umland“ nennt, findet sich neben Gemüse aus Johanneskirchen und vom städtischen Gut Obergrashof also beispielsweise ein feines Yuzu-Miso. Auch sonst hat der Service manchmal Erklärungsbedarf, wenn auf der Karte Chawanmushi angepriesen wird, eine Art japanischer Eierstich, oder fermentierte Schimmelpilze namens Koji auf dem Teller landen.

Solche neuen Ideen schüren bei den Münchner Edelessern die Vorfreude auf den Kick-off für Nakamuras neues Restaurant Salon Rouge. Er wird es ab Oktober in der denkmalgeschützten Stadtschreiberei, dem ältesten Bürgerhaus der Altstadt, betreiben. Derzeit wird noch aufwändig renoviert und umgebaut. Nach Fertigstellung soll das Fine-Dining-Lokal Nakamuras im ersten Stock einziehen. Im Erdgeschoss wird es zusätzlich die Brasserie Schreiberei geben, um das Projekt auch ökonomisch auf eine breitere Basis zu stellen.

 

Einzigartiger Markt

Ein Ansatz, mit dem Fabrice Kieffer schon viele Jahre erfolgreich ist. Der Elsässer zählt mit seinem Les Deux im Schäfflerhof mittlerweile zu den Fixpunkten der französisch beeinflussten, gehobenen Münchner Gastronomie. Einst Restaurantleiter bei Heinz Winkler in seiner Residenz in Aschau im Chiemgau konnte er dank eben jenem dualen Konzept aus Brasserie und Zwei-Sterne-Lokal die letzten Monate überdauern, ohne einen einzigen der 65 Mitarbeiter entlassen zu müssen: „Auch dank meiner Zeit bei Herrn Winkler haben wir hier eine sehr treue Stammkundschaft aufbauen können, die uns unterstützt“, meint er und ergänzt dann: „Aber es ist derzeit schon sehr viel schwieriger als zuvor. Die Pachten in der Innenstadt sind enorm und das Mittagsgeschäft vollkommen eingebrochen. So viel Leerstand habe ich hier selten gesehen.“ Trotzdem glaubt auch er, dass die Signale auf Aufbruch stehen. „In München gibt es überdurchschnittlich viele Menschen, die sich große Küchenkunst leisten können und möchten. Das ist in Deutschland eine einzigartige Ausgangssituation für uns Gastronomen, die es sonst vielleicht nur noch in Hamburg gibt.“

Aber die Städter seien sehr verwöhnt und würden genau wissen, was sie wollen, meint Kieffer. Neue und innovative Küchenstile könnten es deshalb schwer haben: „München bleibt da sehr klassisch, da bin ich relativ sicher.“ Dieser eher bewahrend-konservative Zugang führt allerdings auch dazu, dass derzeit unter der Woche kulinarisch nicht viel zu holen ist. „Von Montag bis Mittwoch klappen ab 10.00 Uhr die Gehsteige hoch, da fehlt München noch etwas Kosmopolität für mehr spannende Konzepte“, meint Kieffer.

 

Große Ambitionen

Genau das ist einer der Punkte, die Matthias Hahn mit seinen neuen Ansätzen für das Tantris künftig ändern möchte. Der 43-Jährige wurde von Besitzer Felix Eichbauer vor einigen Monaten mit viel Pomp als neuer Executive Chef der Münchner Institution vorgestellt, die ab nun den Zusatz „Maison Culinaire“ tragen soll. Er bekleidet damit eine Position, die es in Deutschland nur selten gibt und die über den eigentlichen Küchenchefs angesiedelt ist. Hahn soll mehr als Ideenlieferant und ordnende Kraft im Hintergrund agieren und weniger selbst am Herd stehen. „Strukturieren ist nicht meine Schwäche“, grinst der Schwabe, der einst eine Laufbahn als Physiker fürs Kochen sausen ließ. Dass diese Selbsteinschätzung stimmt, stellte er in den letzten Jahren auch für die Gruppe des französischen Starkochs Alain Ducasse unter Beweis. Es ist deshalb wenig überraschend, dass auch die beiden neuen Chefs in der Küche aus der französischen Gastronomie kommen. Die junge Virginie Protat aus dem Feinschmecker-Epizentrum Lyon wird mit dem eigenständigen Restaurant Tantris DNA hauptsächlich dafür verantwortlich sein, die Klassiker ihrer Vorgänger und Gerichte der französischen Haute Cuisine auf die Teller der Gäste zu bringen: „Wir feiern dieses Jahr 50. Geburtstag und wollen in die Zukunft gehen, gleichzeitig aber das kulinarische Erbe des Tantris bewahren“, erklärt dazu Hahn. Deshalb wolle man auch nach wie vor emotionale, produktfokussierte Küche bieten und die Sache nicht zu verkopft und technisch angehen.

Dafür, dass trotz dieses Ansatzes nicht alles beim Alten bleibt, ist Benjamin Chmura im zweiten Restaurant zuständig. Im Mai 2019 wurde er im renommierten Dreisterner von Michel Troisgros in Roanne jüngster Küchenchef und hat auch davor schon viel Erfahrung in der französischen Haute Cuisine gesammelt. Obwohl er in Ottawa geboren und in Brüssel aufgewachsen ist, ist seine Muttersprache deutsch. Wird das Gespann Hahn/Protat/Chmura also auch deutsche Einflüsse in der Küche zulassen oder gar eine Neuorientierung wagen? „Zuerst werden wir im Tantris auf Basis des französischen Grundgedankens anfangen“, hält Hahn den Ball betont flach. „Später wollen wir uns aber durchaus öfter fragen, wo die deutsche Küche aktuell steht, wohin sie sich entwickelt und wie unser Beitrag dazu aussehen könnte. Es gibt in Deutschland die meisten Sterne-Lokale außerhalb Frankreichs und trotzdem wird es international noch nicht als kulinarische Destination wahrgenommen. Vielleicht können wir mithelfen, daran etwas zu ändern.“

Einen Schritt in diese Richtung sieht er darin, dass die ihm anvertraute „Maison Culinaire“ die ganze Woche offen hat: „An einem Montagmittag ist es momentan fast nicht möglich, auf hohem Niveau essen zu gehen. Ich glaube, das zeigt, dass ein Standort wie München noch mehr gehobene Restaurants verträgt“, glaubt er.

 

Eröffnungsreigen

Davon wird es schon diesen Herbst einige zusätzliche geben. Denn nicht nur Nakamura eröffnet dann seinen Salon Rouge, auch Jan Hartwig hat damit aufhorchen lassen, dass er sich nach dem Ende seines Engagements im Atelier mit einem eigenen Restaurant in München selbstständig machen möchte. Gerade neu aufgesperrt hat außerdem die Vorarlbergerin Sigi Schelling. Die ehemalige Sous Chefin von Hans Haas wagt mit einem Restaurant im neuen Werneckhof als Inhaberin den Schritt in die erste Reihe. Eine klassische, produktbezogene saisonale Küche möchte sie dort kochen: Saucen mit Tiefe, fein abgeschmeckt, ein Hauptprodukt auf dem Teller und das perfekt zubereitet. „Ich bin stolz darauf, das Erbe vom Chef weiterzuführen“, betont sie „Aber da steckt auch viel von mir selbst drin. Das bin auch ich!“ Ein paar Haas-Klassiker wird es trotzdem geben. Den Kalbskopf in Ciabatta oder die Forelle mit Apfel, Sellerie und Holunderblütenfond etwa.

Ist das schon zu viel Tantrismus und Edelküche? Noch lange nicht, glaubt der Chef der wohl einflussreichsten Münchner Restaurant-Gruppe Michael Käfer: „München wächst weiter und wird immer internationaler. Google baut gerade einen neuen Standort auf, Apple ebenso. Es kommen also viele hervorragend ausgebildete und bezahlte Leute aus aller Welt hierher. Das wird auch in der Gastronomie neue Impulse auslösen“, freut er sich auf die Zukunft der Branche. Aber weckt das nicht auch Begehrlichkeiten bei internationalen Restaurantgruppen, die mit innovativen Konzepten in den Markt drängen? Wohl eher nicht, glaubt Käfer: „Wir haben in Deutschland und Österreich traditionell sehr regional geprägte Gastronomielandschaften mit vielen etablierten Restaurants und persönlich geführten Gruppen. Häufig zählt nicht nur der Name, sondern auch die Person, die dahintersteht.“ Internationale Konzepte wären zwar spannend, sie müssten sich aber an die Eigenheiten des hiesigen Marktes anpassen, und ob das gelinge, sei fraglich.

 

Heimische Hoffnungsträger

So gesehen ist es gut, dass Innovationen trotz hoher Kosten für Pacht und Personal auch in München noch von jungen, heimischen Köchen ausgehen kann. Joshua Leise ist einer von ihnen. Der Mittzwanziger hat bei Johannes King im Sölringhof auf Sylt gelernt und ist seit März alleiniger Küchenchef im Mural, das im Museum of Urban and Contemporary Art untergebracht ist. Der Ort im ehemaligen Umspannwerk der Stadtwerke ist so ungewöhnlich wie die namensgebenden Graffitis an den Wänden. In seiner rohen Zugänglichkeit erscheint er wie ein bewusster Gegenentwurf zu den feinen Münchner Adressen. „Zu uns kommen viele jüngere Leute, die sich sehr für gutes Essen interessieren, sich aber bei klassischem Fine Dining nicht wohl fühlen“, sagt Leise. Seine Küche ist deshalb so fokussiert wie reduziert und lebt von der engen Zusammenarbeit mit kleinen, regionalen Produzenten. „Wir schauen uns immer an, was es hier in der Region gibt und was man mit München in Verbindung bringt“, erklärt er seine Herangehensweise. Manchmal klingt das ziemlich rustikal. Seeforelle mit Kalbskopf, Sauerkraut und Senf ist so ein Pairing aus einem alten Menü, das einen ob der Geschmackskombi staunend zurücklässt. „Man darf sich da jetzt natürlich kein riesiges Stück Kalbskopf vorstellen“, grinst Leise. „Wir präsentieren solche Gerichte viel kleinteiliger, dann machen sie auch Sinn. In der aktuellen Karte haben wir beispielsweise eine ganz leicht angegarte Seeforelle, die mit einer Röstzwiebel-Bouillon serviert wird, die an einen dunklen Bratensaft erinnert. Dazu gibt es eine Liebstöckel-Hollandaise, Kochsalat und Kräuter.“ Mit solchen Zutaten aus der regionalen Küche will Leise auch auf eine explizit bayerische Küchenlinie hinarbeiten. „Wir wollen ganz bewusst diese Münchner kulinarische Identität stärken“, meint er.

Dass man es in München sogar ohne großes Team und Gruppen- oder Hotelunterstützung mit einem eigenen Restaurant schaffen kann, zeigt auch ein junges Gastropaar in Giesing. Der Österreicher Florian Berger und seine Frau Sabrina haben sich – wie sollte es anders sein – beim Arbeiten im Tantris kennengelernt. Weil sie Restaurant-Management studiert hat und er eine Kreativmühle in der Küche ist, stürzten sie sich vor fast fünf Jahren mit 26 und 24 Jahren ins Abenteuer Gourmet-Restaurant. „Dass ich das Gabelspiel mit Sabrina machen kann, ist großartig“, meint der Oberösterreicher, der sich in der Waldschänke in Grieskirchen seine ersten Sporen verdient hat. „Selbst ein Restaurant zu eröffnen und zu bestehen: Das schaffen hier ganz wenige“, ist er sichtlich stolz. Kein Wunder bei 10.000 Euro Pacht im Monat selbst für kleinere Restaurants.

Den beiden kommt zugute, dass sie ihr Sternerestaurant mit 25 Sitzplätzen ohne hohen Personalaufwand und sehr persönlich führen können. „Ich sehe für uns deshalb auch aktuell gute Chancen für die Zukunft“, meint Berger: „Wir sind sehr individuell und bieten ungezwungenen Service. Das schätzen unsere Gäste.“ Seine Wertung im Guide Michelin konnte das Gabelspiel so jedenfalls zum wiederholten Mal verteidigen. Wie sich diesbezüglich das Tantris ohne österreichische Unterstützung ab Oktober schlagen wird, steht dagegen noch in den Sternen. 

3 Konzepte

Münchner Moderne

 

MuralEat Local – drink natural 

So schön anders: In einem Umspannwerk der Stadwerke im Zentrum von München ist neben dem Museum of Urban and Contemporary Art auch das Mural zu Hause. In dem Industriebau versucht der erst 26-jährige Joshua Leise mit seinem Team das Maximum aus einfachen, sorgfältig ausgewählten Produkten herauszuholen. In Zusammenarbeit mit kleinen, regionalen Produzenten und auf der stetigen Suche nach den besten saisonalen Produkten servieren sie zeitgenössische Gerichte auf Spitzenniveau und versuchen dabei eine kulinarische Identität zu entwickeln, wie es sie nur in München geben kann. Dass diese Herangehensweise das Gegenteil vom Abkoppeln von internationalen Trends bedeutet, zeigt auch die Weinkarte. Denn korrespondierend zum Menü empfiehlt Wolfgang Hingerl, Geschäftsführer und Sommelier des Mural, seinen Gästen naturnah erzeugte Weine von außergewöhnlichen Winzern.

 

Gabelspiel – Großes Tellerkino in Giesing

W er Teller wie den hier abgebildeten sieht, kann kaum glauben, dass das Kernteam des Gabelspiel im etwas abgelegenen Giesing aus zwei Personen besteht. Der Oberösterreicher Florian Berger und seine Frau Sabrina wagten sich ans eigene Restaurant in der teuersten Stadt Deutschlands, als sie gerade Mitte Zwanzig waren. Ziemlich verrückt, aber der Erfolg gibt ihnen Recht: Ihren Stern konnten sie erst kürzlich mit Aromenkombis wie einer Variation vom Blumenkohl mit Kamille, Ingwer und Kakao verteidigen. Für die Zukunft sehen sie ihr Konzept des persönlich geführten Mini-Fine-Diners mit nur 25 Plätzen sogar im Vorteil. Denn in Deutschland hat die Gastro über 150.000 Fachkräfte verloren. Auch in München werden die Big Player mit ihren vielen Sitzplätzen also bald ein massives Personalproblem bekommen.  

 

Nine-O-FiveRemix einer Killer-Kombi

Pizza und ein Glas Wein geht immer. Viele Städte sind deshalb gepflastert mit Pizzerien. Innovativ ist daran wenig. Umso überraschender, wie Sommelier Sebastian Georgi aus dem Klassiker ein Konzept entwickelt hat, das sich als Franchise gerade in ganz Deutschland breitmacht – auch in München. Dort wird unter der Leitung von Florian Kopp und Sascha Müller nämlich feinste neapolitanische PIzza im Holzofen gebacken. Mit speziellem Sauerteig und in unendlich vielen Variationen. Beispiel gefällig? Die "Rhaberian" mit Provolone, mariniertem grünem Spargel, Cherrytomaten, Rucola, Büffelmozzarella und Rhabarber-Tomatenchutney. Die Hauptrolle bei dem Konzept spielt allerdings der Wein. Zig Positionen zählt die Karte. Darunter alles, was gerade angesagt ist. Winzer-Champagner, die Gewächse aus dem Jura und generell vieles, was spontan, natural oder naturtrüb ist. Extrem clever.

Interview

„Der französische Grundgedanke wird bleiben.“

Matthias Hahn ist Executive Chef des neuen Tantris. FRISCH hat er erzählt, wie es dazu kam und was er sich für die Neueröffnung vorgenommen hat.

 

Der Besitzer des Tantris ist erst spät auf Sie aufmerksam geworden. Warum waren Sie nicht auf seiner Liste für mögliche Nachfolger von Hans Haas?

Ich war bei Alain Ducasse in den letzten Jahren Corporate Chef. Damit war meine Aufgabe eher die kulinarische Konzeption neuer Lokale und das Management der Ducasse-Betriebe. Ich war also öffentlich vielleicht etwas weniger präsent. Übrigens bin ich nicht der Nachfolger von Hans Haas, das sind die beiden sehr begabten jungen Köche Benjamin Chmura und Virginie Protat.

 

Beide wurden am Institut Paul Bocuse ausgebildet. Der Fokus auf französische Hochküche wird also bleiben?

Wir feiern bald 50-jähriges Bestehen. Natürlich bleibt der französische Grundgedanke des Restaurants und der volle Fokus auf exzellente Produkte und exaktes Handwerk. Wir werden das Konzept aber behutsam weiterentwickeln. Es wird in Zukunft zwei Restaurants unter dem Dach unserer neuen "Maison Culinaire" geben: Das Tantris DNA als À-la-Carte-Restaurant für die Tantris-Klassiker und Gerichte der Haute Cuisine mit 30 Sitzplätzen unter der Leitung von Virginie Protat und das Menu-Restaurant mit 60 Sitzplätzen mit Benjamin Chmura am Pass.

 

Bedeutet das, dass Sie zwei Küchen haben werden?

Ja, so wird es sein. Unsere Köche haben dadurch alle technischen Möglichkeiten, die Produkte perfekt zuzubereiten. Wenn beispielsweise ein Huhn an der Rottisserie den besten Geschmack entwickelt, wird es dort gegart und wenn wir für das beste Ergebnis einen Grill brauchen, der mit dem Holz alter Weinstöcke befeuert werden soll, gibt es auch diese Möglichkeit.

 

Klingt nach dem Himmel auf Erden für ambitionierte Köche. Aber ist es auch machbar und ökonomisch?

Ich glaube schon. Die beiden Lokale werden nur Freitag und Samstag gleichzeitig offen sein. Den Rest der Woche sind die Öffnungszeiten geteilt. Gerade in der Küche ergeben sich dadurch viele Synergieeffekte, weil es keine Schließtage mehr gibt. Fonds können etwa gleich für beide Restaurants angesetzt werden, Anlieferungen sind immer möglich und wir können Produkte, die ein Restaurant übrig hat, im anderen verwenden. Ich finde das sehr nachhaltig. Meine Erfahrung ist außerdem, dass es ökonomischer ist, wenn ein Betrieb immer durchläuft.

 

Das heißt, das Tantris wird sieben Tage die Woche offen sein?

Wir sehen darin eine Chance, ja. An einem Montagmittag ist es beispielsweise momentan fast nicht möglich, auf hohem Niveau essen zu gehen. Ich glaube, das zeigt, dass ein Standort wie München noch mehr gehobene Restaurants verträgt. Wir wollen dazu beitragen, dass die Stadt international wieder öfter als kulinarische Destination wahrgenommen wird. Deswegen haben wir uns bewusst dazu entschieden, jeden Tag der Woche offen zu haben. Gerade mittags wird es aber wichtig sein, darauf zu achten, dass Businessgästen klar ist, dass sie bei uns nicht mehrere Stunden bei einem großen Menü zubringen müssen.

 

Wird es in Zukunft auch mehr deutsche Einflüsse geben? Bisher waren die Küchenchefs ja Österreicher …

Nur, wenn Sie Südtirol zu Österreich zählen. Aber im Ernst: Durch unsere beiden Chefköche werden wir ja automatisch französischer. Später wollen wir uns aber auch durchaus  fragen, wo die deutsche Küche gerade aktuell steht, wohin sie sich entwickelt und wie unser Beitrag dazu aussehen könnte. Es gibt in Deutschland nach Frankreich die meisten Sternelokale und trotzdem wird es international noch nicht als kulinarische Destination wahrgenommen. Vielleicht können wir mithelfen, daran etwas zu ändern. 

 

 

Matthias Hahn

Nach der Lehre ging Matthias Hahn nach Frankreich und arbeitete dort im Le Buerehiesel und im Le Jardin des Sens. Alain Ducasse beschäftigte ihn dann zunächst sieben Jahre in den Küchen verschiedener Restaurants, bevor er Corporate-Chef der Ducasse-Gruppe wurde.

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