Thema
Schnellstart
Topkoch Martin Kinast und sein Team vom Gasthaus Schmiede haben noch nie bewusst vegan gekocht. Genau deshalb wollte FRISCH von ihm wissen, wie schnell man lernt, mit veganen Produkten gute Ergebnisse zu erzielen, und was mit ihnen am Teller alles möglich ist. Die Ergebnisse dürften Köche wie Gäste überraschen.
Martin Kinast ist noch keine 30, gehört als Koch aber schon zu den Erfahrenen seines Fachs: Beim Tiroler Fünf-Hauben-Koch Simon Taxacher arbeitete er sich vom Commis bis zum Küchenchef des Bistros im Hotel Rosengarten hoch und erkochte dort selbst zwei Hauben. „Unter anderem war ich für den kompletten Einkauf zuständig und habe extrem viel gelernt“, untermauert er, wie groß sein Wissen über die verschiedensten Produkte ist – besonders im Fleischbereich. Denn er ist auch diplomierter Fleischsommelier. Mit veganer Küche und vor allem veganen Alternativen für Fleisch hat er sich bisher noch wenig auseinandergesetzt. „In unserem eigenen Lokal, der Schmiede in Pfaffing, bieten wir generell keine Convenience-Produkte an. Wir kochen alles frisch. Deshalb passt das einfach nicht ganz. Ich denke mir, wenn schon vegan, dann richtig.“
Über diese Sichtweise würde sich Friedrich Büse mit seinem Kollegen wohl bei Gelegenheit gerne unterhalten. Der Gründer der endori food GmbH & Co. KG startete seine Karriere 1983 ebenfalls mit einem Abschluss als Koch und Metzgermeister. Danach arbeitete er lange als Managing Director, Head of Global Solutions und Berater auf der ganzen Welt für die Lebensmittelindustrie. Heute stellt sein Unternehmen in Bamberg vegane Fleischalternativen auf der Basis von Erbsenprotein her. Für ihn ist es keine Frage, dass veganer Fleischersatz auch in der nicht voll auf vegane Gäste fokussierten Gastronomie seine Berechtigung hat: „In Deutschland gibt es mittlerweile 42 Millionen Flexitarier! Wir gehen deshalb stark davon aus, dass die Nachfrage im Gastro- und Foodservice-Sektor weiter wachsen wird. Dieser Trend zeigt sich in ganz Europa anhand der Wachstumsraten bei pflanzenbasierten Fleischalternativen, die im Außer-Haus-Verzehr noch viel schneller steigen als im Einzelhandel.“
Veganer Testlauf
Schön und gut, aber können die Produkte auch im Restaurant-Alltag überzeugen? Martin Kinast hat das Faschierte von endori, das KRÖSWANG gerade neu in sein Sortiment aufgenommen hat, kürzlich zum ersten Mal angeliefert bekommen. „Der erste Eindruck war sehr gut“, meint er. „Die Verpackung ist durchdacht gemacht, leicht zu handhaben und Papier und Plastik lassen sich einfach trennen. Der Geruch des Faschierten ist neutral und auch Konsistenz und Aussehen sind in Ordnung“, schildert er die ersten Eindrücke. „Ich habe auch die Kollegen in der Küche im Rohzustand kosten lassen. Da merkt man natürlich schon einen großen Unterschied zum Fleisch, aber mitgegart in Sauce oder in einer Bolognese würde dem Gast wahrscheinlich nicht auffallen, dass er kein Fleisch isst. Das ist schon beachtlich. Vor allem in Verbindung mit Tomatensauce funktioniert das sehr gut.“ Kinast kann sich deshalb etwa auch vorstellen, aus dem veganen Faschierten Fleischlaberln mit Knödelbrot zu machen. Würzen würde er klassisch mit Rosmarin, Thymian und Knoblauch. „Ich arbeite zusätzlich auch immer gerne mit Sojasauce, dann wird das Geschmackserlebnis noch intensiver.“
Für sein Rezept hat er sich schließlich aber doch für einen Krautstrudel entschieden. Dafür brät er das Faschierte mit Zwiebeln und Frühkraut bei mittlerer Hitze an. „Mit der Hitze sollte man ein wenig aufpassen, damit das Produkt auch wirklich schonend durchgaren kann“, berichtet er von seinen Garproben: „Es zieht sich in der Pfanne auch etwas zusammen, wird nicht grau wie Fleisch und lässt kaum Saft. Für einen Strudel ist das aber sogar gut“, meint er. Gewürzt wird mit Salz, Pfeffer, Kümmel und einem Schuss Sojasauce, angerichtet auf einem Paprikasaucenspiegel, und das Topping besteht aus frischen Kräutern und einem Schuss Bärlauchöl. Und wie ist der Haubenkoch geschmacklich zufrieden? „Ich glaube, in einer Blindverkostung würden meine Gäste die fleischliche und die fleischlose Variante bei diesem Gericht nicht auseinanderkennen. Ich persönlich schmecke natürlich schon ein wenig die Hülsenfrüchte heraus. Was ist da drin? Bohnen? Oder vielleicht Erbsen?“
Erbsen Statt Soja
Es sind Erbsen. Und das aus mehreren guten Gründen. „Wir haben endori aus Liebe zu gutem Essen und in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft für Tiere, Menschen und Umwelt gegründet“, erklärt dazu Friedrich Büse. „Deshalb setzt unser Unternehmen von Anfang an nicht auf Soja als bisher gängigsten Rohstoff bei veganen Produkten, sondern stattdessen auf heimische Proteinpflanzen. Erbsen werden direkt hier in Europa schon lange als Lebensmittel angebaut, sind generell eine wichtige Feldfrucht in der Fruchtfolge, haben ein gutes Aminosäurenprofil und enthalten keine Allergene.“ Der CO2-intensive und ökologisch wenig sinnvolle Import von Soja aus Asien fällt damit flach. Die Grundprodukte für Faschiertes und Co. stammen etwa von der Emsland Group, deren Vertragsbauern hauptsächlich im Norden und Osten von Deutschland Erbsen anbauen. Seit diesem Jahr bewirtschaftet man bei endori im südlichen Rheinland gemeinsam mit der Buir-Bliesheimer Agrargenossenschaft eG außerdem weitere 500 Hektar. Für den fleischähnlichen Biss und die perfekte Textur werden diese Grundprodukte ohne den Einsatz jeglicher Chemie in den Produktionshallen in Bamberg verarbeitet: „Durch Nassextrusion der Erbsenproteine werden dabei Nasstexturate erzeugt. Diese Technologie beruht auf rein physikalischen Prinzipien und kommt ganz ohne chemische Zusatzstoffe aus. Einfacher ausgedrückt, geht es um Mischen, Kneten, Hitze, Druck und Kälte“, versucht sich Büse an einer verständlichen Erklärung des hochkomplexen Prozesses. Mit ähnlicher Technik geht man auch bei den Marcher Fleischwerken in Villach und Linz vor, um aus Erbsenprotein ein Convenience-Schnitzel zu erzeugen. Den richtigen Biss hinzubekommen sei auch dabei das Schwierigste, meint Produktentwickler Christian Tichy, der mit seinem Team das vegane Schnitzel von Marcher entwickelt hat. „Die Mischung aus fleischig und saftig ist eine echte Herausforderung, weil dieses Mundgefühl viele Menschen in Österreich und Deutschland seit frühester Kindheit abgespeichert haben.“ Entscheidend sei dabei, dass die Fasern der Erbsen Wasser speichern und wieder abgeben könnten. So gelänge das genau richtige Maß an Saftigkeit.
Idente FaserstrukturIdente Faserstruktur
Auch Martin Kinast ist überrascht, wie nah das Ergebnis an herkömmliches Fertigschnitzel herankommt. „Die Faserstruktur erinnert sehr an Hühnerfleisch und auch die Konsistenz passt. Man kennt das wirklich fast nicht auseinander“, ist er überrascht. Kinast brät das vegane Schnitzel für sein Gericht bei 180 Grad in Sonnenblumenfett in der Pfanne aus. „Man kann eine wirklich schöne Bräunung erzielen und auch die Panade wird knusprig, nur die Brösel könnten für mich etwas feiner sein“, meint er. Dazu serviert er glasierten Spargel, Erbsen, ein veganes Kartoffelpüree und eine Mayonnaise auf Basis von eingelegten Kichererbsen, Senf und Sonnenblumenöl. Insgesamt entsteht so auch hier ein spannendes veganes
Gericht, das den Vergleich mit dem fleischlichen Convenience-Original nicht scheuen braucht. Richtiggehend begeistert ist Kinast zum Schluss von der Schokomousse. „Das ist wirklich ganz nah am Original. Super rund abgeschmeckt, mit dem genau richtigen Kakaoanteil, perfekter Farbe und einer super Konsistenz“, kürt er den Testsieger. Auch von Haltbarkeit und Handling ist er begeistert: „Die Verpackung ist perfekt gemacht und man kann das Mousse nach dem Öffnen sicher noch drei Tage verwenden, wenn es abgedeckt im Kühlschrank steht.“ Zur Schokomousse kombiniert er bei seinem Gericht mit Zitronenthymian marinierte Erdbeeren, ein Erdbeergel, das mit Agar Agar hergestellt wird, ein Erdbeersorbet und Karamellspiralen für den Crunch.
So gelingt schließlich auch ein furioses Finish für den ersten veganen Produkttest von Kinast und dem Schmiede-Team. Und wer weiß: Vielleicht probiert es nun eines der entwickelten Gerichte doch noch bei den eigenen Gästen aus.
Zutatenzauber
Mit diesen Zutaten gelingt den Produktentwicklern bei Marcher Schnitzelgeschmack auch auf rein pflanzlicher basis.
Gluten
Kleine Mengen Weizengluten sorgen bei der Schnitzelmasse für Bindung und steuern wichtige Aminosäuren bei.
Kokosfett
Mit Kokosfett wird die richtige „Fattiness“ im Mundraum erzeugt und es ist ökologischer als das längst verpönte Palmöl.
Panade
Für die Panade wird eine Mischung aus Weizenmehl und Stärke mit speziellem Glutengehalt verwendet.
Ingwer
Neben für Fleisch typischen Gewürzen wird der veganen Fleischmasse ganz wenig Ingwer beigemengt, der für die nötige Frische sorgt.
Erbsenprotein
Erbsen haben 27 % Proteinanteil und mit ihrer Faserstruktur lassen sich Konsistenz und Biss von Fleisch ideal nachbilden. Außerdem wachsen sie in Europa.
Geschmacksduell
In der Marcher-Entwicklungsabteilung wird mithilfe solcher Profile am perfekten Geschmack von veganem Fleisch gearbeitet.
Umami
Fleischlicher Wohlgeschmack kommt meist über Gewürze, Tomaten oder Zwiebeln in die veganen Varianten.
Aroma
Fleischaromen versucht man mithilfe von Knoblauch und weißem Pfeffer zu erzeugen, der auch leicht „animalisch“ riecht.
Geruch
Fleisch riecht im Rohzustand relativ neutral. Vegane und fleischliche Produkte sind deshalb bezüglich Geruch fast ident.
Biss
Dank der in den Erbsen natürlich vorkommenden Fasern lässt sich mit ihnen der richtige Biss mit etwas Aufwand gut imitieren.
Fattiness
Bei Verkostungen ist das Mundgefühl ganz entscheidend. Die Wahrnehmung von „Fattiness“ entsteht durch Kokosfett und Sonnenblumenöl.
Trocken
Natürlich darf Fleisch auch nicht zu wässrig sein. Eine gute Bindung der veganen Masse ist dehalb wichtg.
Salzig
Die richtige Salzigkeit lässt sich in der Produktion leicht steuern. Hier gelingt beim veganen Fleisch fast eine Punktlandung.
Knusprig
Bei Panaden ist die richtige Mischung aus Weizenmehl und Stärke das Geheimnis. Das Original hat hier aber die Nase vorn.
STRUDEL DELUXE
Fleisch- und Krautstrudel eignen sich generell besonders gut für die Verwendung von veganem Faschierten. Es lässt beim schonenden Anbraten wenig Saft und durchweicht die Strudelblätter dadurch kaum. Kombiniert werden bei diesem Gericht Frühkraut und Zwiebeln mit einem Spiegel aus Paprikasauce, einem leichten veganen Joghurt-Dip mit gerösteten Haselnüssen für den Crunch und etwas Bärlauchöl. Martin Kinast arbeitet beim Kochen auch gerne mit einem Schuss Soja für die Extraportion Umami-Geschmack. Ein Gericht, das manchem veganen Gast die Freudentränen in die Augen treten lassen wird.
VIENER SCHNITZEL
Dank Erbsenprotein wird aus dem Wiener im Handumdrehen das vegane „Viener“. Da es vorgegart ist, sollte man nicht zu lange und zu heiß frittieren. Dann passt die Panade perfekt und Fleischstruktur wie Biss sind von Hühnerfleisch kaum zu unterscheiden. Martin Kinast kombiniert dazu glasierten Spargel und Erbsen. Spannend ist auch die Mayonnaise, bei der ein Teelöffel Senf mit Kichererbsenwasser und einem Kräuteröl auf Sonnenblumenöl-Basis aufgezogen wird. Dann noch garnieren und fertig ist die perfekte vegane Alternative zum Standardschnitzel. Wer will, kann dazu ein Hafermilch-Kartoffelpürree servieren.
MEGA MOUSSE
Die vegane Schokomousse hat es Martin Kinast am meisten angetan. Kaum ein Unterschied zum Original sei zu schmecken. Damit ist sie eine ideale vegane Alternative für die Dessertkarte. Hierzu wird sie auf aufgebackenen, veganen Wan-Tan-Teig zusammen mit in Zitronenthymian marinierten Erdbeeren geschichtet. Dazu gibt es ein klassisches Erdbeersorbet, ein paar Tupfen von mit Agar Agar hergestelltem Erdbeergel, etwas veganen Schokocrunch und einen leichten Sud auf Basis von Holundersaft mit etwas Zitronen, einem Schuss Weißwein und kleingeschnittenen Erdbeer-Stückchen.
Interview
„Besonders schwierig ist der Biss.“
Christian Tichy hat mit seinem Team für Marcher Feinkost ein veganes Schnitzel entwickelt. FRISCH erzählt er, worauf es dabei ankam und warum Gewürze eine wesentliche Rolle spielen.
Wie kommt man dazu, vegane Schnitzel für einen der größten Fleischerzeuger Österreichs zu entwickeln?
Lebensmittel sind meine Leidenschaft! Meine Mutter hatte eine Landwirtschaft und so habe ich vom Getreideanbau bis zur Hausschlachtung alles mitbekommen. Schon mit zehn war ich außerdem der Familienkoch. Ich habe also eine Kochlehre gemacht und war danach in vielen renommierten Häusern wie etwa dem Landhaus Bacher oder der Villa Joya.
Klingt nach einer klassischen Kochkarriere …
Mit dem Unterschied, dass mein Vater Laborchemiker war. Deshalb habe ich auch sehr früh begonnen, Lebensmittel chemisch zu analysieren. Ich wollte genau wissen, warum Pfeffer so riecht beispielsweise.
Ideale Voraussetzungen für das Projekt „Schnitzel“. Hat es lange gedauert, bis Sie an das Original rangekommen sind?
Eigentlich nicht. Für die Schnitzelmasse selbst haben wir sogar kürzer gebraucht als für die Panade.
Was war am schwierigsten?
Den richtigen Biss eines Schnitzels hinzubekommen! Diese Mischung aus fleischig und saftig ist eine echte Herausforderung, weil dieses Mundgefühl viele Menschen seit frühester Kindheit abgespeichert haben. Aber Erbsen als Basis für das Produkt haben uns diesbezüglich sehr geholfen.
Das müssen Sie erklären …
Erbsen sind in ihrer Struktur sehr unterschiedlich, so kommen ihre Fasern beim Hineinbeißen fast Fleischfasern nahe. Außerdem können sie Wasser speichern und so sorgen sie auch für Saftigkeit. Ergänzt mit Weizen kommt hier schon ein recht passables Ergebnis zustande.
Warum kam Soya nicht in Frage?
Davon wird in Österreich nicht genug angebaut. (lacht) Aber im Ernst: Nachhaltigkeit war uns sehr wichtig, deshalb wollten wir ein Produkt nehmen, das regional angebaut werden kann.
Sie verwenden auch kein Palmöl. Auch aus ökologischen Gründen?
Natürlich. Ich glaube nicht, dass die Verwendung von Palmöl heute noch gut ankommt. Es gibt hier sehr natürliche Alternativen wie z.B. auch Sonnenblumenöl, das die Geschmacksknospen mit der für ein Schnitzel typischen „Fattiness“ belegt.
Und wie gelingt der typische Fleischgeschmack am besten?
Diesbezüglich arbeiten wir viel mit Gewürzen. Hier braucht man einfach viel Erfahrung und Wissen – beides kommt mir als gelernter Koch tatsächlich zugute. Die Mischung zwischen traditionellen Gewürzen aus der heimischen Küche kombiniert mit feinen Anklängen auch aus der asiatischen Küche tragen hier zum Gelingen bei. Da muss man experimentierfreudig sein, Zeit und Muße haben, damit das Ergebnis zufriedenstellend wird.
Und? Sind Sie selbst zufrieden mit dem Ergebnis?
Absolut! Wenn wir Veranstaltungen haben, gibt es immer eine vegane Station. Dorthin kommen auch viele Menschen, die vegane Fleischalternativen ausprobieren möchten. Die überwiegende Mehrheit ist zufrieden und kann sich vorstellen, solche Produkte öfter zu essen.
Christian Tichy
Christian Tichy ist ausgebildeter Koch und entwickelt mit seinem Team für die Marcher Feinkost am Standort Linz das vegane die OHNE Sortiment. Vor seinem Wechsel zu Marcher sammelte er viel Erfahrung in der Spitzengastronomie und bei der Entwicklung von Gewürzmischungen für Großkunden.