Betrieb
Shit Happens
Bewertungen von Restaurants und Hotels auf Bewertungsplattformen sowie auf Social Media sind heute wichtige Werbebotschaften und Entscheidungshilfen. Sie können schnell Erfolg bringen, bei Unzufriedenheit der Gäste aber auch massive negative Auswirkungen haben. Wenn letzteres passiert, ist schnelle Reaktion gefragt. Wie diese am besten aussieht, erklärt FRISCH.
Kritik? Warum nicht. Ihr heftet zwar kein guter Ruf an, doch ist sie wichtig und hilfreich, wenn sie konstruktiv dargebracht wird. Kritik kann aber auch vernichtend sein, wenn sie nicht wertschätzend formuliert ist. Das musste ein kleines inhabergeführtes Restaurant in einer rund 8.000-Seelen-Gemeinde an der deutschen Ostsee im Jänner erfahren. Drei Gäste des Restaurants Leinen Los an der Strandpromenade in Kühlungsborn mokierten sich nach ihrem Besuch im Rahmen einer Google-Bewertung über „steinhartes Brot“, „überteuerte DDR-Atmosphäre“ und „echtes Kaninchenfell auf dem Tisch“. Für richtige Empörung sorgte jedoch die Weigerung des Service, einem der erwachsenen Gäste ein Kindergericht zu servieren, obschon für ein ihn begleitendes Kind ein volles Gericht bestellt worden war. Der Zwist zwischen Gästen und Restaurant breitete sich im Web schnell zu einem Shitstorm aus, der sogar Deutschlands reichweitenstarker Bild-Zeitung einen Beitrag wert war. Selbst Menschen, die nie vor Ort waren, meldeten sich zu Wort. „Wenn ich als Erwachsener ein Kinderschnitzel bestelle, dann will ich gefälligst nicht dumm angemacht werden. Punkt. Oder wird mir die Bestellung etwa bei McDonalds verweigert, weil ich mit 46 Jahren ein Happy Meal bestelle“, lautete beispielsweise ein Kommentar. Laut Bild-Zeitung bezeichnete das Restaurant die ursprüngliche Bewertung in seinem Facebook-Beitrag als „kindische Reaktion“ und hatte versucht, die Geschehnisse ins rechte Licht zu rücken. Der Post wurde allerdings wieder gelöscht. Auch wenn ein Großteil der User das Restaurant sehr eindrücklich gegen die Kundenkritik unterstützte, ein bitterer Nachgeschmack bleibt.
Kritikfähig bleiben
Solche Empörungswellen entstehen oftmals nicht durch die einzelne Beschwerde eines Gastes, sondern dadurch, dass das Unternehmen inadäquat mit der manchmal vielleicht sogar berechtigten Kritik umgeht. Im Zeitalter der Digitalisierung ist die Online-Reputation eines Unternehmens allerdings ein entscheidender Faktor für dessen Erfolg. Der sorgsame Umgang mit negativen Kundenbewertungen ist daher unerlässlich, zumal diese heute für den Großteil anderer Kunden kaufentscheidend sind. Insbesondere in der Hospitality-Branche sind Reviews eine wichtige Informationsquelle und Entscheidungshilfe geworden, geht es um die Wahl für ein Restaurant oder Hotel. Die Online-Stimme von Usern hat somit viel Machtpotenzial, weiß Martin Müller, Spezialist für Online-Bewertungsportale: „Sie hat viel größeres Gewicht als die Stimme des Unternehmens selbst“, ist er sich sicher. Damit Konsumenten einem Produkt vertrauen, müsse es daher zwischen fünf und 20 positive Bewertungen haben. Meist lesen Kunden bis zu zehn Reviews, bis sie sich für eine Dienstleistung oder ein Produkt entscheiden, unterstreicht auch Alexander Zaugg vom Online Reputation Management Tool re:spondelligent.
Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Viele (positive) Bewertungen resultieren in einer besseren Listung bei Google und User nehmen fast ausschließlich Suchresultate auf der ersten Seite wahr. Zusätzlich lässt sich durch die bewusste Präsenz auf Bewertungsplattformen wie Google MyBusiness oder TripAdvisor die Kundenbindung stärken. Man stellt sich als Unternehmen den Kunden, geht aktiv mit Kritik um, zeigt Bemühen um Verbesserung. So zeigt man, dass einem die Kunden wichtig sind.
Vorsicht, Panikfalle!
Negative Bewertungen – ob gerechtfertigt oder nicht – wirken aus diesen Gründen immer abschreckend und halten im schlimmsten Fall von einem Besuch des Gastes ab. Daher sollte ein Betrieb zeitnah, verständnisvoll und konstruktiv darauf antworten. Höflichkeit, Verständnis und die Bekundung, die Situation ernst zu nehmen, sind deshalb bei jeder Reaktion am wichtigsten. Das zu beherzigen, ist aber oft gar nicht so einfach, weiß Lisa Dlugosch von der Agentur Sputnik: „Bei Krisen verfallen wir in Panik. Das liegt in der Natur des Menschen. Das gilt auch für Shitstorms. Die Folgen: Wir reagieren übereilt und machen Fehler“, sagt die PR-Beraterin und ergänzt: „Statt vorschnell zu handeln, heißt es ruhig bleiben. Nicht jeder negative Kommentar ist gleich ein Grund zur Panik.“ Wer nun vielleicht glaubt, mit einem Löschen des Kommentars die Angelegenheit aus der Welt zu räumen, irrt. Wer glaubt, negative Stimmen gleich ganz vermeiden zu können, indem die Kommentarfunktion blockiert wird, irrt ebenso. Zu groß ist die Gefahr, dass sich der Ärger dann auf einem anderen Kanal zum Ausdruck bringt. Dlugosch: „Wer die Kommentare löscht, erweckt den Anschein, etwas verstecken zu wollen. Löschen von Kommentaren wird oft als Zensur wahrgenommen und kann so für weitere Eskalation und Angriff sorgen.“ Die Expertin für strategische Kommunikation rät aber, klare Maßstäbe festzulegen. Gehe es beispielsweise um Beleidigungen, könne es durchaus sinnvoll sein, Beiträge zu löschen.
Die bessere Variante bei Kritik sei in den überwiegenden Fällen, auf den Kommentar zu antworten und auf die Kritik einzugehen, so Dlugosch, die dennoch zu Vorsicht mahnt: „Entfachen Sie dabei keine Diskussion und werden Sie auf keinen Fall persönlich.“ Ihr Tipp: Worte zu wählen, die entwaffnen: „Wer freundlich-sachlich auf Kritiker zugeht, findet oft Verständnis und Gehör.“
re:spondelligent-CEO Alexander Zaugg sieht in der Initialisierung eines direkten Dialogs mit dem Autor der schlechten Bewertung sogar viele Vorteile: „Man nimmt die Diskussion von der Öffentlichkeit weg, außerdem zeigt man potenziellen Kunden, dass man es wirklich ernst nimmt. Man kann im persönlichen Kontakt vieles richtigstellen. Der Gast gibt dem Betrieb dann vielleicht eine zweite Chance und passt sogar seine Bewertung an.“ Der Betrieb könne damit auch zeigen, dass es sich um eine Ausnahmesituation gehandelt hat und derartige Probleme nicht öfter vorkommen. Möglich sei auch, Lösungsvorschläge aufzuzeigen, wie man das Problem in Zukunft verhindern will. Zaugg rät außerdem, sich mit der Antwort nicht zu viel Zeit zu lassen: „Unsere Erfahrung zeigt, dass die Chance, dass ein Kunde seine Bewertung anpasst, umso größer ist, je schneller er eine Antwort bekommt.“ Sich gleich für das Feedback zu bedanken und die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen, ist dabei besonders wichtig. „Gerade Antworten auf negative Bewertungen werden von potenziellen Kunden sehr gerne gelesen, damit sie sehen können, wie der Betrieb damit umgeht“, begründet Zaugg, der es als Chance betrachtet, als Betrieb seine eigene Sicht der Dinge darzustellen.
"BEI KRISEN VERFALLEN WIR SCHNELL IN PANIK. DABEI IST RUHIGBLEIBEN ENTSCHEIDEND." (LISA DLUGOSCH, PR-BERATERIN, AGENTUR SPUTNIK, MÜNSTER)
Best Practice Vapiano
Wie man auf diese Art mit Kritik umgeht und dadurch sogar einen Shitstorm stoppen kann, hat die Restaurantkette Vapiano eindrücklich bewiesen. Ein Gast fand eine Raupe in seinem Salat und stellte von seiner überraschenden Begegnung ein Video auf Facebook. Zusätzlich gab er einen eindeutigen Hinweis, dass er sich gerade in einem Vapiano-Lokal befand. Doch der Internet-GAU blieb aus, weil es dem Vapiano-Medienteam gelang, die Deutung der Story zu beeinflussen. Innerhalb kurzer Zeit wurde der Clip zwar zehntausendfach geteilt, geliked und kommentiert. Doch Vapiano hatte der Kritik mit einem einzigen Satz eine völlig neue Richtung gegeben: „Man könnte dies als Beleg für die Frische unserer Salate sehen“. Zusätzlich war man um Aufklärung bemüht. „Wir nehmen dies aber im Gegenteil sehr, sehr ernst. So etwas darf bei uns nicht passieren! Wir haben einen sehr hohen Qualitätsanspruch und darum wollen wir diesen Vorfall klären“, so die Reaktion. Die Kritik hielt sich danach in Grenzen, die Kommentare fielen weitgehend positiv aus und es entstand eine kleine Fangemeinde für die Raupe. Manche User sprangen für Vapiano sogar in die Bresche: „Ich finde ein Haar viel, viel schlimmer als eine Raupe“ oder „Was für die Raupe gut ist, kann für mich auch nur gesund sein.“ Auch der Urheber des Videos wurde kritisiert, nicht einfach um einen neuen Salat gebeten, sondern den Vorfall öffentlich gemacht zu haben und das Tier „im Essigbad versauern“ haben zu lassen. Ob die Posts auch tatsächlich von neutralen Usern stammten, lässt sich nicht sagen. Eines ist jedoch fix: Sie halfen dem Unternehmen, die Aufregung im Rahmen zu halten.
Klarheit durch Klarname?
Harsche und übermäßige Kritik einerseits sowie andererseits die Vermutung, dass eine Unmenge positiver Reviews durch KI-Bots erstellt sein könnten, lässt in der Gastronomie und Hotellerie immer wieder den Ruf über die Einführung einer Klarnamenpflicht laut werden. Bislang konnte sie allerdings in keinem EU-Land umgesetzt werden. Die Hoffnung dahinter: Eine Klarnamenpflicht würde es erschweren oder verhindern, gezielte Negativbewertungen etwa von der Konkurrenz sowie gekaufte Likes oder Erfahrungsberichte von Scheingästen zu veröffentlichen. Die Ängste sind begründet: Bewertungen sind machtvolle Instrumente. Sie können die Bekanntheit eines Betriebes steigern und damit insgesamt die Qualität in der Branche fördern. Genauso können sie schaden – sowohl Betrieben selbst als auch Gästen, die Fake-Berichten auf den Leim gehen. Dabei betonten die Initiatoren derartiger Bemühungen, dass es nicht um eine Meinungseinschränkung gehe, sondern beabsichtigte Schädigungen durch unwahre Behauptungen oder Wettbewerbsverzerrungen durch Bots erschwert würden. Die Möglichkeiten der Textgenerierung durch KI ermöglichen nämlich mittlerweile, online massenhaft Fake-Bewertungen abzugeben. Manchmal ist das leicht zu durchschauen, etwa wenn ein kürzlich eröffnetes Restaurant innerhalb weniger Tage viel zu viele Bewertungen aufweist, doch nicht immer wird es erkannt. Einen anderen möglichen Weg sehen manche in der Einschränkung von Reviews auf jene Gäste, die auch tatsächlich in einem Restaurant gegessen oder Hotel genächtigt haben. Doch wie sollte das bewerkstelligt werden?
Von allzu leichtgläubigen Gästen darf man dennoch nicht ausgehen. „Studien zeigen, dass Betriebe, die ausschließlich positive Bewertungen mit 5 Sternen haben, sogar negativ angesehen werden, weil Kunden glauben, dass da irgendwas nicht stimmen kann“, erzählt Zaugg und beruhigt bei Angst vor negativen Reviews: „Es ist nicht so schlimm, wenn es einmal einen Kunden gibt, der vielleicht nicht zu 100 % zufrieden war. Wirklich wichtig ist die gute Antwort und dass man für sich die richtigen Schlüsse daraus zieht.“
„KRITISCHE POSTINGS SIND NICHT SO SCHLIMM. WIRKLICH WICHTIG IST EINE GUTE ANTWORT DARAUF.“ (ALEXANDER ZAUGG, CEO, re:spondelligent, GERAU/SCHWEIZ)
Proaktiv agieren
Um negativen Bewertungen generell vorzubeugen oder Bewertungen als Werbetool gewinnbringend zu nutzen, hilft es, aktiv auf zufriedene Gäste und Stammgäste zuzugehen und sie um eine Bewertung zu bitten. Dabei kann eine freundliche Erklärung zu Sinn und Zweck das Engagement der Gäste steigern. Noch einfacher ist, mit einem Goodie zu locken und den Bewertungsprozess so simpel wie möglich zu gestalten. Gibt es einen Newsletter, so können Gäste beispielsweise via Link zu einer Bewertungsplattform geführt werden. Restaurants, die sich auf diese Weise Bewertungen von ihren Kunden holen und gleichzeitig gut auf negative Reaktionen reagieren, gelingt es meist, präventiv negative Postings zu vermeiden. Dafür ist darüber hinaus die Beantwortung von positiven Bewertungen genauso wichtig. Eine individuelle Reaktion darauf zeugt von Wertschätzung seitens des Betriebs. Schließlich hat sich der Gast für das Schreiben des Feedbacks Zeit genommen. Das ist nicht selbstverständlich und sollte mindestens verbal honoriert werden. „Die Antwort auf positive Reaktionen ist ein Marketingtool und kann die Loyalität der Kunden nachhaltig verbessern“, betont Alexander Zaugg von re:spondelligent. Außerdem könne in diesem Zusammenhang auch auf bevorstehende Events oder neue Angebote Bezug genommen werden – allerdings so, dass es auch natürlich klingt, sagt Zaugg, der im Hinblick auf ein gutes Suchmaschinen-Ranking folgenden Tipp hat: Damit Google die Verbindung zwischen dem Betrieb und der guten Bewertung herstellt, sollte der Name des Betriebs nochmals in der Antwort stehen.
Gastronomen können Gästebewertungen heute auch mit Hilfe digitaler Tools aktiv mitgestalten. Zauggs cloudbasierte Software ermöglicht etwa das automatisierte Management von Online-Bewertungen, womit verhindert wird, dass negative Reviews untergehen. „Wir sammeln alle Online-Bewertungen an einem Ort und helfen dabei, dass Gäste mehr positive Bewertungen abgeben. Zudem werden die Bewertungen und Texte automatisch analysiert, damit man als Restaurant oder Hotel genau sieht, was Gäste mögen und wo man noch Potenzial hat. Beim Beantworten der Bewertungen können Kunden auf unsere KI zurückgreifen, die auf Knopfdruck eine Antwort vorbereitet“, erklärt der Software-Entwickler und betont: „Es gibt ja kein sogenanntes Opt-out für Bewertungsplattformen wie Google oder TripAdvisor. Umso wichtiger ist es, dass man sich darum kümmert.“ Ein schlagendes Argument: Bei der Vielzahl an Bewertungsplattformen ist das Tracken der Reviews heutzutage ein nahezu unmögliches Unterfangen – sowohl zeitlich als auch personell, insbesondere bei Betrieben mit mehreren Standorten. Tools wie re:spondelligent sparen durch Automatisierung und KI diesbezüglich Zeit und Nerven. Sie sind aber auch eine Art Frühwarnsystem, das aufzeigt, was genau Gäste nicht mochten. „Darauf kann man dann reagieren, bevor es zu spät ist“, meint dazu Zaugg.
Fest steht aber: Wer das Potenzial von Bewertungen nicht nutzt, wird künftig Wettbewerbsnachteile haben. Insbesondere bei einer Generation, die in einer digitalisierten Welt groß geworden ist und für die Bewertung, Außenwahrnehmung und Vernetzung Teil ihrer Lebenskultur sind.
Interview
„Aufgeregte Diskussion bringt nichts.“
Die kleine und mittelständische Gastronomie leistet sich in der Regel keine PR-Agentur und damit auch keinen Experten, wenn’s mal kriselt. Worauf Betriebe bei Reaktionen auf Kritik achten sollten, erklärt daher Kommunikationsexperte Othmar Prizovsky, Geschäftsführender Gesellschafter Prizovsky & Partner.
Die Außenwahrnehmung eines Unternehmens ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, Kritik auf Social Media kann vernichtend sein. Wie dem entgegenwirken?
Generell soll die Gesamtwahrnehmung eines Unternehmens nicht allein auf der Wahrnehmung Dritter beruhen, sondern die eigene Kommunikation soll bestimmen, wie das Unternehmen wahrgenommen wird. Das ist ein entscheidender Schlüssel. Was Dritte über mich kommunizieren, kann ich nicht beeinflussen, dem bin ich ausgeliefert. Was ich aber sehr wohl machen kann, ist, eigene Beiträge einzuspielen und damit ein realistisches und von mir gewünschtes Bild zu schaffen. Ich rate dazu, proaktiv statt reaktiv vorzugehen und Social Media regelmäßig selbst zu nutzen, um mit eigenen Informationen Botschaften zu platzieren.
Was tun, wenn es plötzlich Kritik hagelt?
Allgemein kann man sagen: Nicht die Contenance verlieren, sich gar nicht in eine Diskussion hineinziehen lassen oder darin verstricken. Speziell, wenn sie einem nicht würdig ist. Auf unternehmenseigenen Kanälen habe ich den Vorteil, über die Netiquette den Diskussionsstil zu bestimmen und auch einzuschreiten.
Negative Reviews werden aber nicht nur auf unternehmenseigenen Kanälen veröffentlicht …
Es geht darum, Kritik zu akzeptieren. Sie ist in den Social-Media-Kanälen nicht zu verhindern. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Ja, Kritik kann ordentlich schmerzen, und wenn manchmal die Emotionen hochkochen, so ist das psychologisch verständlich – dennoch hat eine aggressive Diskussion keinen Sinn. Wenn man merkt, dass die andere Seite an der Diskussion auch gar kein Interesse hat, dann lässt man die Kommunikation besser bleiben, denn sonst befeuert man das Thema nur weiter. Der klügere Weg ist, neue kommunikative Impulse zu setzen. Das gilt auf allen Kanälen, in denen über mein Unternehmen diskutiert wird. Ich kann mich immer einbringen, aber in der richtigen Form und mit der nötigen Souveränität. Aufgeregtheit in der Kommunikation bringt nichts. In vielen Unternehmen ist das Problem, dass sich die Mitarbeiter bei Kritik bemüßigt fühlen, den Arbeitgeber teils recht heftig zu verteidigen. Das ist zwar lieb gemeint, hat aber keinen Sinn, wenn sie sich auf das möglicherweise tiefe Niveau eines Kritikers begeben. Wichtig ist daher, die eigenen Mitarbeiter dahingehen zu instruieren, dass im Falle einer Reaktion auf den richtigen Tonfall und die Contenance zu achten ist: sachlich reagieren, aber nicht angriffig oder untergriffig.
Ist bei jeder Anhäufung von negativen Bewertungen gleich Handlungsbedarf gegeben?
Ein Shitstorm trifft erfahrungsgemäß meist nur große Unternehmen. Bei kleinen Betrieben sind das fast immer bloß kleine Lüftchen. Dennoch kann es auch sie sehr treffen und neben dem täglichen Geschäft Ressourcen binden. Ich kann nur raten, in diesem Moment die Sache nicht weiter hochzukochen - weder bei sich selbst noch nach außen. Oftmals wird nur punktuell etwas abgelassen. Da kann man gelassen reagieren und beispielsweise die Kritik eines Gastes, drei Stunden aufs Essen gewartet zu haben, ruhig mit einem „Tut mir leid, dass es für Sie gefühlt zu lange gedauert hat, aber an diesem Tag …“ höflich aufgreifen – insbesondere, wenn sie vielleicht nicht ganz unberechtigt war. Eine gut formulierte Antwort kann das „negative“ Ereignis sogar ins Positive drehen.
Kritik ist per se ja nichts Schlechtes ….
Nein, auch wenn sie ärgert, kann sie zum Teil berechtigt sein. Eines ist klar: Man bekommt dadurch als Unternehmer ein Feedback geliefert. Ich würde mich dabei nicht an einer Einzelmeinung aufhängen. Wenn beispielsweise ein Gast unter 150 ein einziges Mal warten musste, dann kann man als Gastronom damit leben. Sind es aber 30 unterschiedliche Gäste, dann würde ich das schon als eine Tendenz erkennen. Statt von vornherein die Kritiker als typische Nörgler abzustellen, würde ich die Botschaft, die dahintersteckt, aufgreifen und mir Gedanken darüber machen. Ich würde mich fragen, zu welchem Grad die Kritik berechtigt ist, und dann eine entsprechende Reaktion setzen. Darin liegt ja auch eine Chance für Veränderung und Verbesserung. Dieser positive Aspekt ist nicht zu missachten.
Welche Vorteile sehen Sie in einer aktuell wieder verstärkt diskutierten Klarnamenpflicht?
Eine Klarnamenpflicht würde wahrscheinlich die Stilistik ändern. Ich glaube, man kann dadurch in der Tonalität und Art der Auseinandersetzung wieder das Niveau heben. Die User werden mehr aufpassen, was sie schreiben, und sich vorher überlegen, ob es gut ist, deftige Ausdrücke zu verwenden. Klarnamen können dazu beitragen, dass Kritiker vielleicht kurz innehalten, bevor sie losschlagen.
Herr Prizovsky, vielen Dank für das Gespräch!
Othmar Prizovsky
Othmar Prizovsky ist Geschäftsführender Gesellschafter der Linzer PR-Agentur Prizovsky
& Partner – Public Relations, die Unternehmen aller Branchen seit 25 Jahren bei herausfordernden Kommunikationsaufgaben mit strategischem Know-how unterstützt und begleitet.