Herkunft
Steiles Stangerl
Dass der Marchfeldspargel ein so steiles Wachstum hingelegt hat und heute eine herkunftsgeschützte Delikatesse ist, verdanken Gourmets Dem Pioniergeist von Werner Magoschitz. Er war ab 1975 einer der ersten, der die Einzigartige Qualität clever vermarktete.
Der Spargel hat Tradition im niederösterreichischen Marchfeld. Aufzeichnungen berichten, dass bereits Mitte des 16. Jahrhunderts rund um Wien Spargel angebaut wurde. Seit dem 18. Jahrhundert vermehrt in der Region östlich von Wien zwischen Donau und March. Denn am Wiener Hof schätzte man das kalorienarme und nährstoffreiche „Kaisergemüse“, das lange als Luxusspeise galt und zu dem sich eine Vielzahl Rezepte in historischen Kochbüchern finden.
Das Ende der Monarchie versetzte das edle Produkt dann zwar für viele Jahrzehnte in einen Winterschlaf, heute erlebt es aber in fast allen Gästeschichten ein langanhaltendes Revival. Das Marchfeld und seine Landwirte haben es im Zuge dieser Entwicklung sogar geschafft, ihr Produkt zum Synonym für höchste Qualität zu entwickeln. Seit 1996 wird es in der EU als geschützte geografische Angabe anerkannt. Auch deshalb kommen etwa 60 % des heimischen Spargels aus dem Marchfeld.
Einer, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass das bleiche Stangengemüse wieder ein derartiges Standing erlangen konnte, ist Landwirt Werner Magoschitz. Seit 1975 baut der Niederösterreicher es bereits an und zählt damit zu den neuzeitlichen Pionieren im Marchfeld. „Ein Nachbar, der Spargelliebhaber war, hat mich davon überzeugt. Da war ich noch in der landwirtschaftlichen Schule. Er hat mir damals prophezeit, dass der Spargel in Zukunft beliebt werden würde“, erzählt Magoschitz, der sich nach Übernahme der elterlichen Landwirtschaft auf den Spargelanbau spezialisierte: „Der Betrieb war damals zu klein, um die Industrie mit Gemüse zu beliefern, also musste ich eine Marktlücke finden“, erzählt er nüchtern.
Quantität trifft Qualität
Mittlerweile ist aufgrund der immensen Nachfrage aus seinem Kleinstbetrieb eine riesige Erfolgsgeschichte geworden. „Das Produkt spricht für sich selbst“, meint der Landwirt, der sein Produkt laut eigenen Angaben „erst mit der Zeit liebgewonnen“ hat. Mit 100.000 ha zählt sein Spargelhof Magoschitz mittlerweile zu einem der größten Produzenten Österreichs und Magoschitz´ „Solo Select“ schätzen selbst produktverrückte Spitzenköche.
Doch was zeichnet den Marchfeldspargel aus? Es ist sein feines und zugleich intensives Spargelaroma, sein zarter Biss und die geringe Holzigkeit, was wesentlich weniger Schälarbeit mit sich bringt. Warum das so ist, hängt abgesehen vom sorgsamen Anbau auf sandigen Böden und viel direkter Sonneneinstrahlung auch mit den Qualitätsvorgaben der EU zusammen. Das herkunftsgeschützte Produkt darf nämlich maximal 22 Zentimeter lang sein. Andere Spargelsorten dagegen auch wesentlich länger. Je näher an der Wurzel geschnitten werde, desto holziger sei die Stange, erklärt Magoschitz den auf den ersten Blick wenig relevanten Unterschied: „Das kürzere Schneiden bringt zwar weniger Ertrag für den Landwirt, kommt aber der Qualität maßgeblich zugute.“
"WIR SCHNEIDEN WESENTLICH KÜRZER. DAS KOMMT DER QUALITÄT MASSGEBLICH ZUGUTE." (WERNER MAGOSCHITZ, SPARGELHOF MAGOSCHITZ, MANNSDORF/DONAU)
Preisfaktor noble Blässe
Im Marchfeld schaffen das pannonische Klima samt vieler Sonnenstunden sowie humusreiche, sandige Böden die idealen Voraussetzungen für den Spargelanbau. Dabei haben sich im Laufe der Zeit ausgewählte Sorten mit etwas süßlicherem Geschmack als besonders ertragreich erwiesen. Der weiße Marchfeldspargel, auch „Bleichspargel“ genannt, ist unter allen Sorten am aufwändigsten anzubauen. Das liegt nicht zuletzt an seiner so wichtigen noblen Blässe, die nur erhalten bleibt, wenn er keinem Sonnenlicht ausgesetzt ist. Bricht die Spitze durch die Erddecke, verfärbt sie sich aufgrund des Farbstoffs Anthocyan leicht rötlich-violett. Aus diesem Grund muss das Gemüse unter Erdwällen wachsen. Dieser aufwändige Anbau erklärt auch, warum diese Variante teurer als der grüne Spargel sowie der Purpurspargel verkauft wird. Die farbprächtigeren Varianten hingegen lieben das Sonnenbad und wachsen oberirdisch, sodass der Pflanzenfarbstoff Chlorophyll ihnen durch die Photosynthese ihre sortentypische Grün- beziehungsweise Violettfärbung verleihen kann.
Für den Preis zusätzlich ausschlaggebend: Bis zur ersten Spargelernte auf einem neu angelegten Feld dauert es rund zwei Jahre. Zuerst werden dafür Gräben im Abstand von zwei Metern gezogen, in die pro Laufmeter vier bis acht Jungpflanzen 15 bis 20 Zentimeter in den Boden gedrückt und dann mit Erde bedeckt werden. Die Wurzeln haben zu diesem Zeitpunkt etwa 70 Gramm Gewicht. Nach einem Jahr werden daraus rund fünf Kilo. „Die ersten zwei Jahre dienen dem wichtigen Aufbau einer großen und starken Speicherwurzel“, erklärt der Spargelexperte, warum diese Phase so wichtig ist. Ein nadeliges Kraut den Wurzelstock währenddessen mit wichtigen Nährstoffen. Ende November wird es entfernt, sodass sich im Frühling die Knospen gut ausbilden können, über denen dann die Erdwälle errichtet werden. Zusätzlich bedecken die Landwirte die Äcker außerdem mit schwarzer Folie, um ja kein Sonnenlicht zum Spargel vordringen zu lassen und für ein wärmeres Erdklima im Inneren zu sorgen.
Das „Spargelstechen“ beginnt für gewöhnlich Ende April und dauert bis Mitte Juni. Den richtigen Zeitpunkt dafür bestimmen die Spargelbauern über den Mittelwert der Bodentemperatur, den sie ab dem Frühjahr täglich messen. Grund für die kurze Erntezeit ist, dass der Wurzelstock danach wieder Kraut ausbilden muss, erklärt Magoschitz. „Man darf der Pflanze nicht zu viele Triebe entfernen, sonst ist der Ertrag im nächsten Jahr geringer. Aus den verbleibenden Trieben wächst das Spargelkraut, das mittels Photosynthese den Wurzelstock mit Nährstoffen und Energie für die nächste Ernteperiode versorgt.“ Durch diese Maßnahme kann eine Pflanze fünf bis sechs Jahre Ertrag in bester Qualität liefern. Danach wird sie fast immer ausgegraben, denn: Je älter die Pflanze ist, desto härter wird auch der Spargel. Die im Produktvergleich wenigen Erntejahre des Marchfeldspargels sind deshalb ein weiteres wesentliches Qualitätskriterium. In Summe ist der Spargelanbau also eine komplexe Angelegenheit. „Ja, man braucht viel Erfahrung und muss immer schon das nächste Jahr im Blick haben“, lacht der Spargelbauer.
„BIS ZUR ERSTEN SPARGELERNTE DAUERT ES RUND ZWEI JAHRE.“ (WERNER MAGOSCHITZ, SPARGELHOF MAGOSCHITZ, MANNSDORF/DONAU)
Sportliche Leistung
Um die Ernte überhaupt bewerkstelligen zu können, beschäftigt Magoschitz in der Saison bis zu 200 Arbeiter. Denn das Stechen des Spargels ist intensive Handarbeit. Die Arbeiter streifen durch die Reihen und suchen auf den Erdhaufen Stellen, an denen sich die Erde leicht hebt. Ein Indiz dafür, dass sich darunter eine Spargelstange verbirgt. Die Spargelstecher graben die Stangen behutsam frei und schneiden sie in 22 Zentimeter Tiefe ab. Die Erdlöcher werden danach wieder mit Erde befüllt und geglättet. 3,5 bis 5 Kilo Spargel stechen erfahrene Erntehelfer so pro Stunde. Pro Hektar Spargel summiert sich das zu 800 Stunden und über drei Tonnen Spargel, für die die Arbeiter etwa fünf Kilometer Gehweg zurücklegen. Die Ernte wird sofort auf den Hof gebracht und eine Stunde in Eiswasser gekühlt. Das unterbindet die Photosynthese und damit eine unerwünschte Rotfärbung des Spargels. Danach wird er sortiert, auf gleiche Länge geschnitten und erneut ins Kühlhaus gebracht. Wobei Magoschitz zur Rotfärbung anmerkt, dass diese auch ein gutes Zeichen für die „Lebendigkeit“ des Gemüses sei: „Spargel, der tausende Kilometer hinter sich hat, ist physiologisch tot. Er wird sechs Stunden im Eiswasser gekühlt, damit die Photosynthese komplett ausgeschaltet ist. Die Stangen bleiben dann zwar weiß, werden aber auch aller Nährstoffe beraubt.“
Und woran lässt sich frischer Topspargel erkennen? „Die Anschnittstelle ist nicht eingetrocknet und die feste Stange lässt sich nicht biegen. Außerdem erzeugt frischer Spargel quietschende Töne beim Schneiden“, gibt der Experte Tipps für die Qualitätssicherung. Vor allem weißer Spargel solle außerdem feucht und kühl bei unter 4 Grad Celsius gelagert werden. Unter null Grad sollten es bei einem Wassergehalt von 93 % jedoch auch nicht sein, meint er und rät noch, dass grüner Spargel es trockener mag, weil sein Kopf rasch beginnt zu gären, wenn er nass wird. Von so viel Produkt- und Fachwissen sollten sich Köche nicht einschüchtern lassen. Denn an sich ist frischer Spargel leicht zu verarbeiten. Und die Gäste lieben ihn! Vor allem jetzt im Frühjahr.