Panorama

Tinten Tante

Du hast selbst viel in der Gastro gearbeitet, Guen. Kannst du uns ein wenig davon erzählen?

Angefangen hat alles noch in Kanada. Da habe ich in Ottawa schon als Teenager in einem ziemlich großen Restaurant bedient. Danach noch in so einem typischen 50s-Diner. Sobald ich 18 war, wurde ich Barfrau, und zwar gleich in so einer richtig grindigen Punkrock-Kneipe. Später war ich dann noch Assistant Manager in der Barrymore's Music Hall, einem riesigen Nachtclub mit mehr als 1.000 Sitzplätzen. Ich war damals 21 und habe nebenher noch meine Tattoo-Ausbildung gemacht. Das war ganz schön hart. Ohne die Unterstützung meiner Bar- und Gastro-Familie hätte ich damals meine Karriere als Tätowiererin gar nicht starten können. Meine Kollegen haben sogar gesammelt und mir meine erste Tätowier-Maschine gekauft.

Schön! Gerade Köche sind ja ziemlich oft tätowiert. Warum ist das gerade in diesem Beruf so? Was glaubst du?

Ich denke, fürs professionelle Kochen und fürs Tätowieren begeistert man sich aus ähnlichen Gründen. Irgendwie ist das beides ein Lebensentwurf etwas außerhalb der Norm. Mit dem Kochen verschreibst du dein Leben ja auch einer Art Kunst, so wie beim Tätowieren. Du wirst damit zwar meist kein großes Geld verdienen, aber du bist dafür reich an Lebenserfahrungen. (Lacht) Im Gastro-Umfeld ist tätowiert sein auch kein großes Problem oder ein Kündigungsgrund. Also habe ich zu Beginn meiner Karriere ziemlich viele Köche tätowiert. Vor allem nachdem 2000 „Kitchen Confidential“ von Anthony Bourdain rauskam. Mit ihm wurde der Rock'n'Roll Koch wirklich geboren, glaube ich.

Hast du ein paar Beispiele?

Das waren schon einige Tattoos über die Jahre. Meinem Ex-Partner, der hier in Berlin für den österreichischen Botschafter kocht, habe ich zum Beispiel ein Bourdain-Porträt gestochen. Das war ein sehr emotionales Tattoo für uns, weil es entstand, kurz nachdem Anthony Bourdain gerade gestorben war.

Viele Tattoos von Köchen sind eher von der rauen, maskulinen Sorte. Warum, glaubst du, ist das so?

Ich denke, sie mögen diese Piraten-Haltung, die zum Beispiel Messer- und Totenkopf-Tattoos vermitteln. Und sowohl Küchen als auch Tattoo-Läden haben natürlich eine hypermaskuline Tradition. Die Härte in einer Küche spiegeln solche Tattoos wider. Aber natürlich gibt es dort auch viel Spaß und Zusammenhalt. Außerdem hat sich die Haltung ja mittlerweile geändert und das Personal ist vielfältiger. Mein Stil ist deshalb mehr von Humor und Cleverness geprägt. Essen macht doch schließlich hauptsächlich Spaß, oder?

Wie gehst du ein typisches Guen-Douglas-Tattoo für einen Koch an?

Das hängt immer vom Koch oder der Köchin selbst ab. Normalerweise nehmen wir Dinge, die er oder sie mag oder die eine Bedeutung haben, und ich verwebe sie dann zu einer visuellen Geschichte. Ich arbeite gerne mit surrealen Elementen. Je verrückter, desto besser. Außerdem stelle ich sehr gerne Essen und Lebensmittel an sich dar. Mutter Natur ist eine Meisterin in der Kombination von Farben und ich bin eine echte Farbfanatikerin. Ein marmoriertes Stück Fleisch, das sich ins Abstrakte auflöst: Sowas ist perfekt für mich. Kürzlich habe ich für ein Tattoo-Buch mit klassischen Rosen-Tattoos sogar eine Mortadella-Rose abgegeben, weil mir Farbe und Textur so gut gefallen. Ich hoffe, die Leute lachen, wenn sie sie zwischen all den Standard-Rosen entdecken.

Wein hat es dir auch angetan, oder?

Ja, absolut. Ich mache sogar einen Wein-Podcast, der sich „Juice“ nennt. Fürs Restaurant Mochi in Wien habe ich auch schon ein Weinlabel gestaltet. In dieser Richtung würde ich wirklich gerne mehr machen, weil ich meinen Stil bei Labels oder Postern für Restaurants und Pop-ups mehr variieren kann.

Du selbst hast die Sommelier-Ausbildung angefangen. Werden wir dich irgendwann wieder in Restaurant oder Bar sehen?

Ich würde die Ausbildung wirklich gerne abschließen. Aber eher, damit ich auf meine Visitenkarte schreiben kann: Tätowiererin/Sommelière. Beides sind für mich Berufe im Dienst am Kunden, wo es um eine ganzheitliche Erfahrung geht. Das nehme ich auch in die Arbeit in meinem Studio mit. Selbst werde ich wahrscheinlich nicht mehr im Restaurant arbeiten. Aber ich liebe es, weiter für die Menschen kreativ zu sein, die für uns alle in Restaurants und Bars so Wunderschönes und Köstliches kreieren. 

 

Guen Douglas

Guen Douglas ist eine international anerkannte kanadische Tätowiererin mit britisch-französischen Wurzeln, die mittlerweile in Berlin lebt und dort ihre Taiko Gallery betreibt. Sie ist in der Szene bekannt für ihre ironisch-surrealen Sujets und eine der wenigen Tattoo-KünstlerInnen, die sich den Themen Lebensmittel, Essen und Kochen widmet.

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