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V-DAY

Geschafft! Vegane Lebensweise hat die letzte Bastion des Fleischgenusses erobert: Das Grillen. Damit der Siegeszug von Obst und Gemüse am Rost ohne faden Beigeschmack weiter an Fahrt aufnehmen kann, hat sich FRISCH bei veganen Grillmeistern Tipps geholt.

Vegane Angebote liegen im Trend. Das kann wohl niemand mehr leugnen. Aber ein vegetarisches oder gar veganes Barbecue: Muss das sein? Das werden sich viele eingefleischte Grillmeister hierzulande dann doch denken. Dabei hat „grünes Grillen“ schon lange nichts mehr mit langweiligen Maiskolben, Fetapäckchen und simplen Gemüsespießen zu tun. Veganes Grillen eröffnet der Gastronomie eine neue kulinarische Vielfalt. Denn mit der richtigen Technik kann man das Beste aus pflanzlichen Lebensmitteln herausholen und sie sogar zum Star am Grillteller machen.

Dass Köche damit nicht nur ein Nischenpublikum erreichen, sollte längst klar sein. Die Zielgruppe für vegane Grillerei wächst vor dem Hintergund von mehr Gesundheits-, Tier- und Klimaschutzbewusstsein stark und stetig. Pflanzlich, saisonal, regional und nachhaltig sind die gastronomischen Schlagworte der Stunde. Und selbst Gäste, die nicht aus purer Überzeugung handeln, haben fast immer Lust, Neues kennenzulernen. 

Jörg Mayer, Autor des veganen Foodblogs „Eat This!“, den er zusammen mit seiner Freundin Nadine Horn schon 2006 gründete, sieht darin auch einen Auftrag an die Gastro: „Es geht eben nicht mehr ‚nur‘ darum, ein Angebot für ein paar wenige Menschen zu schaffen. Das Klimathema ist allgegenwärtig und die Gastronomie hat hier die Möglichkeit, den gesellschaftlichen Diskurs mitzuprägen.“

Interesse für pflanzliche Ernährung zu wecken, wäre selbst beim Grillangebot gar nicht so schwer, meint er: „Grundsätzlich sind viele Leute immer noch überrascht, wie köstlich die verschiedensten Gemüsesorten vom Rost schmecken. Und es ist sehr leicht, leckere, vegane Speisen anzubieten – auch ohne spezielle Lebensmittel oder industrielle Ersatzprodukte einkaufen zu müssen“, meint Jörg Mayer.

"Die meisten Menschen sind überrascht, wie köstlich Gemüse vom Rost schmecken kann."(Jörg Mayer, Autor und Rezeptentwickler Eat this! Blog)

Basiszutaten reichen

Wie das geht? Die Grundlage der veganen Küche sind Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Getreide und Nüsse – also grundlegende Basiszutaten und weniger indus-
triell verarbeitete Ersatzprodukte. Auch wenn das für viele zunächst nach Genusseinschränkung klingt – mit Verzicht hat veganes Grillen ganz und gar nichts zu tun. Im Gegenteil! Es bietet genauer gesagt die Möglichkeit, dem Gast mit etwas Phantasie ein neues Spektrum an Aromen und Geschmack anzubieten. Jörg Mayer schafft es auf diese Weise immer wieder, für fleischlose Wow-Effekte zu sorgen: „Eine dick geschnittene Scheibe Knollensellerie, blanchiert und mariniert, wird zum saftigen Steak. Ein ausgehöhlter Krautkopf, gefüllt mit Linsen-Champignon-Ragout und über Stunden auf dem Rost geschmort, ist auf dem Teller ein echter Hingucker. Auch feuergeküsste Avocados sieht man nicht bei jedem Barbecue.“

Gerade die Grilltechnik bringt bei Gemüse und Obst die beste Seite zum Vorschein: Aromen intensivieren sich, Oberflächen karamellisieren, Ränder werden knusprig. Die typischen Rauch- und Holznoten kommen in fleischlosen Zutaten dabei ebenso heraus, wie man es von gegrillten Steaks, Fischfilets oder Hühnchen kennt. Die Magie dahinter ist leicht erklärt: Die Hitze beim Grillen verursacht auch bei proteinhaltigen pflanzlichen Lebensmitteln, wie zum Beispiel bei Rosenkohl, Champignons oder Tofu, auf der Außenseite eine chemische Veränderung. Auf zellulärer Ebene verbinden sich bestimmte Aminosäuren mit Zuckermolekülen, was zu mehr Komplexität, Bitterkeit und Süße führt – die sogenannte Maillard-Reaktion. Dies alles hängt von Größe, Wasser- und Zuckergehalt des jeweiligen Lebensmittels ab, wie lange es der Hitze ausgesetzt ist und wie es vorbereitet wurde. Kurz gesagt: Je länger die Grilldauer, je höher die Temperatur und je geringer der Wassergehalt, desto mehr Röststoffe.

Übrigens: Ob mit Kohle, Gas oder Elektro gebrutzelt wird, ist dabei ganz egal! Beachten sollte man, dass das Gemüse, bevor es auf den Rost kommt, gut getrocknet ist, da Wasser die Maillard-Reaktion bremst. Kohlenhydrathaltiges Gemüse wie Süßkartoffeln und Mais dagegen karamellisieren bei der Erhitzung mit Zucker und schmecken geröstet süßmalzig. Karamellisieren und Maillard-Reaktion können aber auch gemeinsam auftreten, zum Beispiel beim Rösten von Zwiebeln.

Trick Zucker

Den chemischen Prozess vorantreiben kann man, indem man Zucker in Marinaden gibt. Das Selleriesteak legt Mayer deshalb mindestens vier Stunden in einen Mix aus Olivenöl, Apfelessig, Sojasauce und Ahornsirup, dessen hoher Saccharose- und Fructosegehalt dann für die herzhaften Röstaromen sorgt.

„Bei Gemüse, Tofu und Konsorten gilt das, was im Allgemeinen auch für Fleisch gilt: Ungewürzt schmeckt es nicht so besonders. Das heißt, intensive Marinaden mit den Lieblingsgewürzen und -kräutern sind beim veganen Grillen das A und O“, weiß der Blogger. Vom Marinieren und Salzen profitieren würztechnisch vor allem Zucchini, Melanzani, Kürbis, Paprika, Spargel und rote Rüben. Für seine Melanzani-Hot-Dogs zum Beispiel schält Mayer schmale, japanische Auberginen und mariniert sie über Nacht mit Olivenöl, Fenchelsamen, Majoran, Salz, Paprika- und Knoblauchpulver. Dann grillt er sie bei direkter Hitze vier bis fünf Minuten pro Seite und gart sie bei indirekter Hitze und geschlossenem Deckel weitere 10 Minuten fertig. Aufgetischt werden die Veggie-Würstchen dann in einem Hot-Dog-Brötchen mit einem Topping aus Tomatenwürfeln, Schalotten, Senf und selbst gemachten Gurken-Pickles.

Andere Sorten wie Brokkoli, Blumenkohl und grüne Bohnen gewinnen, wenn sie zuerst blanchiert werden – Kartoffeln, Sellerie und Karotten, wenn man sie vorkocht. So verkürzt sich die Grilldauer und Marinaden und Gewürze können besser einziehen. Geröstete Karotten zum Beispiel blanchiert Jörg Mayer vorab und mariniert sie in geschmolzenem Kokosöl mit Zitronenzesten, Zitronensaft, Salz und Baharat-Gewürz für einen arabischen Touch. Serviert werden die Möhren dann als fruchtige Beilage zu gegrilltem Tofu.

Geschmacksträger Fett

Damit es so richtig gut wird, sollte man bei der Zubereitung auch unbedingt ans Fett denken: „Bei Zutaten, die von Natur aus wenig davon enthalten, ist es wichtig, dieses in Marinaden, Beilagen oder Saucen hinzuzufügen. Zum einen ist Fett ein wichtiger Geschmacksträger, zum anderen schützt es vor dem Verbrennen, und Ankleben am Grillrost“, erklärt der Blogger. „Für Produkte aus pflanzlichem Eiweiß, wie Tofu, Tempeh und Seitan gilt das ebenso. Gerade bei Tofu sollte man auch unbedingt den Grillrost selbst einölen, um einen ‚Antihaft-Effekt‘ zu erzielen.“ Öle mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren, wie Distelöl oder Leinöl, reagieren sehr empfindlich auf Hitze und sollten fürs Grillen nicht verwendet werden, da sie schnell oxidieren und krebserregende Stoffe bilden können. Oliven-, Raps-, Traubenkern- oder auch Erdnussöl sind besser geeignet, da sie vorwiegend einfach ungesättigte Fettsäuren enthalten und hoch erhitzbar sind.

Auch in Sachen Desserts kann man beim veganen Barbecue so richtig kreativ werden. Gegrillte Früchte wie Nektarinen und Melone mit einem Müsli-Crumble und einer Kugel pflanzlichem Vanilleeis oder vegane, gegrillte Cheesecake-Spieße mit frischen Himbeeren und Schokoladensauce lässt sich mit Sicherheit niemand entgehen. Herzhaft mariniertes Obst bekommt eine Umami-Note, wie zum Beispiel eine saftig geräucherte Wassermelone. Dazu bereitet man die geschälte Frucht vor dem Grillen so zu, als wäre sie ein Schinken: erst mit Koriander, Oregano und Salz beizen, dann mit einer Barbecue-Mischung marinieren. Ist aufwendig, aber am Ende ein abgefahrenes Geschmackserlebnis, das täuschend echt an Schinken erinnert.

Mehrwert durch Gadgets

Nicht alle Gerichte eignen sich für die Zubereitung auf dem Rost. Dafür bieten spannende Gadgets für den Grill noch viele weitere Möglichkeiten: „Wie wäre es zum Beispiel mit einem leckeren, geschmorten Craftbeer-Gemüsechili mit Bitterschokolade aus dem Dutch Oven, Hokkaidokürbis-Flammkuchen vom Pizzastein oder mit einem Pulled Jackfruit Sandwich in einer gusseisernen Pfanne zubereitet?“, verrät der Food-Blogger.

Grünes Grillen bedeutet nicht nur den Verzicht auf Fleisch. Wer es mit der Nachhaltigkeit ganz genau nimmt, der kann zum Beispiel klein geschnittenes Gemüse auf hitzedurchlässigen Lochblechen oder Edelstahlschalen grillen und Alufolie und Co. vermeiden. Päckchen lassen sich aus stabilem Backpapier oder Bananenblättern aus dem Asia-Laden auf dem Grill zubereiten. Wer auf Holzkohle nicht verzichten möchte, der kann auf umweltfreundliche Produkte mit dem FSC-Siegel (Forest Stewardship Council) zurückgreifen. Es garantiert, dass das Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt und kein Tropenwald dafür abgeholzt wurde. Sehr gute Alternativen zur üblichen Holzkohle sind beispielsweise auch Olivenkern- oder Kokos-Briketts, die es mittlerweile zu kaufen gibt. 

Dass die Gastronomie um vegane Alternativen nicht mehr herumkommt, dürfte mittlerweile vielen klar sein. Wichtig wäre zu überlegen, wie sich die Entwicklung im Betrieb aufgreifen und ins saisonale Angebot integrieren lässt, zum Beispiel in den Sommermonaten mit einem zusätzlichen grünen Barbecue-Angebot. Fakt ist: Mit einer zusätzlichen pflanzenbasierten Auswahl auf der Speisekarte kann neben den Veganern ein noch viel breiteres Publikum angesprochen werden. Und mit ein wenig Kreativität bei den Gerichten punktet man vielleicht auch bei dem ein oder anderen Fleischliebhaber. 

"Wie wäre es mit einem geschmoren Craftbeer-Gemüsechili mit Bitterschokolade?"(Jörg Mayer, Autor und Rezeptentwickler Eat This! Blog)

PAK CHOI

Auf dem Grill
Den Kohl gewaschen und im Ganzen auf ein Stück Alufolie legen, den Saft einer Orange darüberpressen und leicht salzen. In die Folie einwickeln (sollte vollständig geschlossen sein) und bei indirekter Hitze grillen. Dabei mehrmals wenden. Tipp: Funktioniert auch mit Romana-Salat!

Grilldauer
10 bis 15 Minuten 

Weiterverarbeitung
Vor dem Servieren den Orangensaft aus der Folie über den Kohl gießen.

Beste Jahreszeit
Mai bis Oktober

Geschmack
Milde Schärfe, leichte Senfnote

ROTE RÜBEN

Auf dem Grill
Im Ganzen, ungeschält und mit etwas Olivenöl eingerieben, werden die Knollen mit geschlossenem Deckel bei indirekter Hitze gegart. Wichtig: Häufig wenden!

Grilldauer
25 bis 30 Minuten 

Weiterverarbeitung
Die verkohlte Haut lässt sich nach kurzem Abkühlen leicht abziehen. Anschließend mit etwas Salz, Pfeffer und gehackten, frischen Kräutern (z. B. Dill, Petersilie, Schnittlauch) verfeinern.

Beste Jahreszeit
September 

Geschmack
Süß-saftig, erdig

KNOLLENSELLERIE

Auf dem Grill
Die vorgekochte Knolle wird in Scheiben geschnitten und zum Beispiel mit Olivenöl, Knoblauch und Sumach am besten über Nacht mariniert. Dann kurz über hoher Hitze gegrillt.

Grilldauer
4 bis 5 Minuten pro Seite 

Weiterverarbeitung
Mit einem Würzöl der Wahl heiß servieren.

Beste Jahreszeit
Ganzjährig 

Geschmack
Mild-nussig

KIRSCHEN

Auf dem Grill
Entsteinte Kirschen mit einem Schuss Kirschwasser, Zucker und dem Mark einer Vanilleschote vermengen, in Alufolie einwickeln und die Päckchen direkt auf der Glut oder dem Rost garen.

Grilldauer
10 Minuten 

Weiterverarbeitung
Mit einem Esslöffel veganer, gesüßter Creme Fraîche, etwas Zitronensaft und gehackten Walnüssen servieren.

Beste Jahreszeit
Mai bis August

Geschmack
Süß-fruchtig

RADIESCHEN

Auf dem Grill
Radieschen halbieren, salzen und 10 Minuten ziehen lassen. Anschließend das ausgetretene Wasser abgießen. In einer gusseisernen Pfanne (oder im Alu-Päckchen) mit zerlassener veganer Butter und Pfeffer über indirekter Hitze schmoren.

Grilldauer
12 bis 15 Minuten 

Weiterverarbeitung
Kurz vor Ende der Garzeit Zitronenzesten dazugeben.

Beste Jahreszeit
April bis Oktober

Geschmack
Pikant, leicht scharf

Interview

„Ich will den Gästen Zeigen, was geschmack ist.“

Ricky Saward ist Deutschlands erster veganer Sternekoch. FRISCH erzählt er, warum er auf Tierische Produkte verzichtet und wie er grilltechniken in seinem Restaurant Seven Swans einsetzt.

Was war der Auslöser für dich, so „radikal“ auf gehobene, vegane Küche umzustellen?

Die Entwicklung dahin war ein langer Prozess. Ich habe über 14 Jahre in der „normalen“ Gastronomie gearbeitet und von der Vielfalt an Fleisch- und Fisch-Luxusprodukten alles gesehen. Vor sechs Jahren hatte ich dann genug, ich konnte es auch nicht mehr ertragen! Hauptsache Fleisch, Hauptsache viel, das Klientel, die Sprüche, Preis spielte nie eine Rolle. Ich war übersättigt und dachte, da muss ich was ändern! Ich wollte dann nur noch nachhaltige, regionale und saisonale Gastronomie machen.

Wann kam für dich dann der Umbruch?

Früher war das frech gesagt so: Vegetarier als Gast? Okay, was haben wir als Beilage? Auf den Teller geklatscht und raus, Hauptsache, der hält die Klappe. Niemand hat sich drum gekümmert. Als das Seven Swans mich fragte, ob ich die Küche übernehmen will, war das die Chance. Ich habe quasi die letzten 12 Jahre über Bord geworfen und neu angefangen. Ich wollte mich selbst pushen, was Neues wagen, etwas bewegen: durch Gemüseküche, mit der ich mich noch nie auseinandergesetzt hatte. 

 

Das Seven Swans war zunächst rein vegetarisch. Warum dann der Schritt zum veganen Restaurant?

Ich hatte Angst, dass die Gäste unser vegetarisches Nachhaltigkeitskonzept hinterfragen: Sind die Gewürze auch wirklich ressourcenschonend produziert – die Eier, die Milch, die Butter? Da gab es nur den einen Weg: Wir werden vegan. 2019 haben wir dann ein halbes Jahr testweise streng vegan gekocht und niemandem was gesagt. Kein Mensch hat es gemerkt. 

Glaubst du, es ist in der Gastronomie noch zeitgemäß, gar kein veganes Angebot zu bieten?

Das muss man differenzieren. Zum einen weiß man als Koch eigentlich schon lange, dass es so nicht weitergehen kann. Zum anderen muss man sich sehr genau seine Gäste anschauen. In der jungen Bistro-Küche zum Beispiel ist ein veganes Angebot essenziell. Die neue Generation ernährt sich sehr bewusst, will wissen, wo was herkommt. In einer Drei-Sterne-Küche, die das Klientel 60+ anspricht, die auf ihren Kaviar und das Kobe-Rind aus Japan bestehen, brauchst du mit veganen Speisen nicht zu kommen, die lachen dich aus! 

Was macht vegane Sterneküche für dich aus und was willst du damit erreichen?

Der menschliche Gaumen ist so überwürzt, überzuckert und übersalzen. Ich will die Gäste wieder darauf trainieren, was Geschmack ist – das Naturelle, Filigrane, den Eigengeschmack der Produkte neu zu entdecken. Das ist auch der Grund, warum ich ganz ohne Gewürze arbeite. Ich verwende Gewürze nur, wenn ich sie selbst anbauen oder aus der Region beziehen kann, und dann auch nur als Hauptkomponente oder als Unterstützung in einem Gericht – nie als unterschwellige Würzaromatik. 

Du behauptest, mit der richtigen Technik kann man Gemüse überall hinbringen ...

Wichtig ist mir, dass der Gemüsegeschmack immer im Vordergrund steht. Ich sehe meine Mission darin, den Gästen Gemüse zu bieten, das jeder kennt, aber dann bringe ich den Wow-Effekt beim Geschmack. Das erreiche ich über die Zubereitungsart und Technik – damit hole ich die Gäste ab. Da kommt es ganz auf Kreativität und Skills an.

Hast du ein Beispiel?

Beim Grillen geht es natürlich nur über Kräuter, Marinaden und Konsistenzen. Es ist zum Beispiel verrückt wie viele Facetten eine Karotte hat. Wir bieten ein Karotten-Tartar an. Dazu nehmen wir eine frische Karotte, schälen und entsaften sie. Den Saft reduzieren wir und geben Rübenzucker dazu. Dann streichen wir das Ganze zum Trocknen auf eine Silikonmatte, bis der Wasseranteil fast bei null ist. Dieses Karottenleder machen wir zu einem Röllchen und füllen es mit einem Tartar aus abgehangenen Karotten, die wir auf dem Holzkohle-Grill über Buchenholz kalträuchern, angrillen und anschließend klein hacken. Darüber kommt eine süßsaure Karottenreduktion aus Apfelessig, Senfsaat, Karottengrün und Schalotten. Aus der getrockneten Schale, die wir ausfrittieren, kommt ein Crumble oben drüber, außerdem die Jungpflanze der Karotte, Weinraute. Der ganze Prozess von „farm to table“ dauert etwa neun Tage.

Geht's auch weniger komplex? Wie grillst du privat vegan?

Wenn ich im Garten über der Feuerschale mit Holz grille, dann gibt es zum Beispiel Austernpilze mit Barbecue-Rub mariniert, rohen Spargel mit veganer Aioli, oder gegrillte Romanaherzen mit einer Vinaigrette. Am liebsten aber mag ich gegrillte Auberginen, die ich halbiert und eingeschnitten mit einer Marinade aus Miso oder Olivenöl, Zitronensaft und Ras-el-Hanout grille. Auch köstlich sind ganze Karotten, langsam auf niedriger Temperatur gegrillt, damit der Zuckeranteil darin karamellisiert. Ich bin jedenfalls kein Fan davon, Fleischgeschmack mit industriellen Ersatzprodukten zu ersetzen oder zu imitieren.

Was gibt es beim Grillen zu beachten?

Man muss kein Hexenwerk daraus machen. Wichtig ist es, das Grundwissen zu haben, wie sich das Grillgut verhält. Jedes Gemüse hat eine eigene Struktur und Konsistenz und entwickelt sich auf dem Rost anders – wie viel Hitze braucht es, wie schnell und welche Art von Hitze? Den ganzen anderen Hickhack darum kann man getrost weglassen. 

 

Ricky Saward

Ricky Saward (*1989) ist Küchenchef und Teilhaber des Restaurants Seven Swans. Nach Stationen im Merediths (Auckland), glass brasserie (Sidney), Chairs (Frankfurt) und in der Villa Merton (Frankfurt) übernahm er 2019 die Küche des Restaurants in Frankfurt am Main. Im selben Jahr wurde er hier für seine vegetarische Küche mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet und war damit einer von nur fünf vegetarischen Sterneköchen weltweit. 2020 konnte er die Auszeichnung auch mit seiner veganen Küche verteidigen.

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